Kapitel 29

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"Wie geht es dir?" fragte JJ, als ich zurück ins Zimmer kam. Ich schaute sie verwundert an. "Das hast du mich bereits gefragt und meine Antwort darauf..." "Ich meine im Bezug auf Spencer." unterbrach sie mich. Ich rollte mit den Augen und senkte meinen Blick. "Wir sind Freunde." sagte ich bloß, während ich meine Schuhe auszog und mich zu ihr aufs Bett setzte. "Freunde?" fragte sie skeptisch. "Freunde." stellte ich klar, da das Thema für mich erledigt war. "Er hat sich große Sorgen gemacht. Ich meine, dass wir uns alle um dich gesorgt haben." versuchte JJ weiter zu reden, wobei sie nach den richtigen Worten zu suchen schien. "JJ bitte. Spencer und ich sind Freunde. Nicht mehr und nicht weniger." beteuerte ich erneut. "Ich denke wir wissen beide, dass du mich gerade anlügst." erwiderte sie. Ich schaute sie genervt an. "Ich mag ihn." begann ich. JJ öffnete ihren Mund um mir zu antworten, doch ich unterbrach sie, bevor sie die Chance dazu hatte. "Das wichtigste ist aber, dass wir FBI Agents sind und wir unseren Job machen sollten. Alles andere ist nebensächlich." versuchte ich so kühl wie möglich zu sagen, damit JJ das Thema endlich abhakte. "Ich gib dir höchstens 6 Monate." entgegnete JJ grinsend. "Wir schwärmen vielleicht ein wenig füreinander, aber mehr wird daraus nicht." "Ihr habt euch geküsst." warf JJ ein. Ich winkte ab. "Wir sind zwei Erwachsene Leute die sich geküsst haben." "6 Monate." wiederholte JJ als würde sie eine Wette abschließen. Ich schüttelte meinen Kopf. "Im Moment habe ich andere Sorgen." erwiderte ich, wobei mir die Geschehnisse der letzten zwei Tage durch den Kopf gingen. "Du hast recht Case." sagte JJ entschuldigend. "Was ist mit meiner Mum?" fragte ich und schaute JJ mit großen Augen an. "Morgan und Rossi waren bei ihr, aber ich weiß nicht..." "Ich möchte zu ihr. Ist sie noch hier?" fiel ich JJ ins Wort und sprang schon fast aus dem Bett, weshalb ich mich im nachhinein zusammenreißen musste nicht umzukippen, da mir kurz schwarz vor Augen wurde. JJ stand ebenfalls auf und hielt mich fest, wofür ich ihr ziemlich dankbar war. "Du willst jetzt zu ihr?" fragte sie, was ich mit einem Nicken bestätigte und meine Schuhe wieder anzog. "Denkst du nicht, dass es etwas zu früh ist?" hakte JJ nach und ließ mich langsam los. Ich schüttelte den Kopf. Ich musste einfach zu ihr. "Ich bin auch nicht lange weg." sagte ich und machte mich auf den Weg zu Tür. "Ich bring dich zu ihr." schlug JJ vor, wobei ich wusste, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte, weshalb ich seufzte. "Ich habe nichts anderes erwartet." erwiderte ich.

Nervös stand ich vor dem Zimmer meiner Mutter. Ich hatte keine Ahnung wie viel sie bereits wusste, geschweige denn, wie sie auf mich reagieren würde. "Du schaffst das." flüsterte ich und drehte mich noch einmal zu JJ, die mit einer Zeitschrift in der Hand hinter mir saß. "Du schaffst das." wiederholte ich leise und öffnete unsicher die Tür. "Ich hätte klopfen sollen." ging es mir im nächsten Moment durch den Kopf. Doch um zu klopfen war es nun zu spät, denn ich stand bereits im Krankenzimmer meiner Mum. "Casey." brachte diese überrascht hervor. Sie schaute mich erleichtert und froh an. "Hallo Mum." erwiderte ich schüchtern. "Setzt dich. Die Agents die hier waren, gehörten sie zu deinem Team? Sie haben Fragen über Brad gestellt? Was ist passiert? Du sieht ja schlimm aus. Hast du Schmerzen?" plapperte meine Mum drauf los, was mich ein wenig zum lächeln brachte. "Sie scheint sich ernsthaft um mich zu Sorgen." dachte ich glücklich, während ich mich auf den Stuhl, der neben ihrem Bett stand, setzen wollte. "Setzt dich zu mir." bat sie mich und klopfte auf die weiße Krankenhausdecke mit grünlichen Streifen. Ich nahm unsicher platz. "Du siehst schrecklich aus Cassidy." war das erste was sie sagte, als ich neben ihr saß. "Danke Mum." erwiderte ich sarkastisch. Sie berührte vorsichtig meine geschwollene Wange und schaute mich besorgt an, während sie eine Haarsträhne, die sich aus meinen Zopf gelöst hatte, hinter mein Ohr schob. "Sie hatte es immer geliebt mir meine Haare zu machen." fiel es mir ein und ich sah mein vier-Jähriges ich, mit einer Flechtfrisur, vor mir. "Casey?" holte die Stimme meiner Mutter mich zurück in die Realität. "Warum siehst du so furchbar aus?" fragte meine Mum. "Was eine liebevolle Wortwahl." dachte ich und schüttelte leicht den Kopf. "Ich weiß nicht genau wo ich anfangen soll." begann ich ehrlich. "Warum waren die zwei Agents hier?" fragte sie und klang ein wenig panisch. "Was haben sie wissen wollen?" hakte ich nach um überhaupt zu wissen, was meine Mum über den Fall bereits wusste. "Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, doch es ging um Brad." erklärte sie, woraufhin ich nickte. Sie war sichtlich verwirrt, was ich ihr nicht verübeln konnte. Die letzten Tage durften auch für sie nicht gerade einfach gewesen sein. "Ich habe dir von dem Fall erzählt als ich hier war?" begann ich. Meine Mum nickte und schaute mich gebannt an. "Die Agents haben gesagt, dass er mehrere Frauen umgebracht hat." sagte meine Mum mit großen Augen. Sie klang ängstlich. "Wir habe einige Botschaften von ihm bekommen." "Botschaften?" hakte meine Mum nach. "Kleine Nachrichten die uns verraten haben, dass er mich kennen musste." erwiderte ich und wartete bis meine Mum nickte, bevor ich weiter sprach. "Die ersten Morde sahen aus als hätte Dad sie begannen." fuhr ich zögerlich fort. "Aber dein Vater ist..." "Ich weiß und deshalb haben wir ihn schnell ausgeschlossen." fiel ich ihr ins Wort. "Was meinst du damit, dass sie ausgesehen haben als hätte dein Dad etwas damit zutun?" fragte sie ein wenig verwirrt. Ich atmete tiefer als beabsichtigt ein und spürte einen stechenden Schmerz. "Was ist los?" wollte meine Mum wissen und schaute mich sorgenvoll an. "Geht wieder." brachte ich schwer hervor. "Bist du dir sicher." als Antwort auf ihre Frage nickte ich. "Die ersten Frauen die umgebracht wurden, waren schwanger." "Sie wurden erstochen?" fragte meine Mutter, wobei sie die Antwort bereits kannte, dass hörte ich an ihrer Stimmenlage. Dennoch nickte ich. "Warum wollten die beiden etwas über Brad wissen?" fragte sie ernst. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Es tat weh meine Mum so zu sehen. Egal was sie getan hatte. Sie war meine Mum. "Casey was hat er getan?" fragte sie eindringlich, wobei ihre Augen ebenfalls zu glänzen anfingen. Ich konnte meine Tränen nicht länger zurückhalten, weshalb sie begannen an meinen Wangen herunter zu rollen. Die salzigen Tränen hinterließen ein bitterliches Brennen auf meiner Haut. Besonders die offenen Wunden auf meiner rechten Wange schmerzten höllisch und auch als die Tränen langsam an meinem Hals herunterliefen wurde der Schmerz nicht weniger, da sie direkt über die Verbrennung des Tasers liefen. "Casey?" fragte sie. Nun liefen ihr ebenfalls Tränen übers Gesicht. Ich öffnete meinen Mund um ihr endlich zu antworten, doch in diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet. Mein Blick fiel auf die beiden Männer die in der Tür standen. "Mrs. Reeves." begann der Mann mit dunklen, beinahe schwarzen Haaren, zu sprechen. "Wir sind die Officer Fuller und Bishop." "Deshalb kommen mir ihre Gesichter so bekannt vor." dachte ich. "Ich habe die beiden schon einmal auf der Wache gesehen." "Es tut uns wirklich leid, wenn wir zu einem unpassenden Zeitpunkt kommen, doch es geht um Ihren Ehemann." fuhr Officer Bishop fort und schaute zu mir. "Casey Evans." brachte ich hervor und wischte meine Tränen beiseite. Die Polizisten wechselten einen unsicheren Blick. "Sie weiß noch nichts von dem was geschehen ist." teilte ich den beiden mit. "Könnte mir jetzt bitte irgendjemand sagen worum es geht?" fragte meine Mum laut und wischte mit der Hand über ihr Gesicht. Officer Fuller schluckte. "Ihr Mann hat... er ist..." er rang mit seinen Worten. "Mum." sagte ich und bekam ihre Aufmerksamkeit. "Brad hat die Frauen umgebracht." vollendete ich den Satz von Officer Fuller, der erleichtert schien. Meine Mum schaute mich mit großen Augen an und fing an ihren Kopf zu schütteln. "Das war er nicht... Brad hat nicht... Er hätte nie..." stotterte sie, bevor sie in Tränen ausbrach. Ich nahm meine Mum in den Arm und sie erwiderte die Umarmung. Ich nickte den beiden Polizisten zu. Die beiden verstanden mein Zeichen und verließen lautlos den Raum. Das laute Weinen meiner Mum, welches mir mein Herz zerbrach, war das einzige Geräusch welches man hörte. Nach einer Weile, die mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam, löste sich von mir und schaute mich mit geröteten Augen an. Sie wischte ihre Tränen beiseite und sah mich an. "Hat er dir das angetan?" fragte meine Mum. Ich nickte zögerlich. Erneut fingen ihre Augen zu glänzen an. Sie umfasste mein Gesicht vorsichtig mit ihren Händen und gab mir einen kaum spürbaren Kuss auf die Stirn. "Es tut mir so leid." flüsterte sie, wobei einzelne Tränen sich ihren Weg nach unten bahnten. "Es tut mir alles so furchtbar leid. Ich hätte dich nie allein lassen dürfen." schluchzte sie. Ich schüttelte den Kopf. "Ich hätte dir glauben müssen." "Mum hör auf." unterbrach ich sie. Ich wollte, dass die anderen aufhörten sich die Schuld zu geben. "Weder Spencer hatte Schuld an meiner Entführung und dem was Brad mir angetan hatte, noch meine Mum. Sie hatte Fehler gemacht. Fehler für die ich sie lange Zeit gehasst habe, doch sie so zu sehen bricht mir das Herz." dachte ich und wischte die Tränen meiner Mutter weg. "Es ist okay Mum." flüsterte ich, woraufhin sie ihren Kopf schüttelte. "Du hasst mich und..." "Ich hasse dich nicht. Ich hasse nicht einmal Dad für all das was er getan hat. Du bist meine Mum und ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt." fiel ich ihr ins Wort. "Ich liebe dich auch Casey." flüsterte meine Mum und schloss mich in ihre Arme. "Ich habe dich nicht vergessen." fügte sie hinzu. "Ich weiß." flüsterte ich zurück. Wir verweilten einen Augenblick in dem Arm der jeweils anderen und schwiegen. "Wer hätte ahnen können, dass in solch einer kurzen Zeit so viel passieren kann? Dass mein Leben total durcheinander gewirbelt wird und dass in so viele verschiedene Richtungen? Dass ein Fall so viel verändern würde? Dass gut und böse so nah beieinander sind, genau wie Leben und Tod?" "Was ist mit Brad?" fragte meine Mum als sie mich losließ und riss mich aus meinen Gedanken. "Er hat mir eine Waffe an den Kopf gehalten und wollte abdrücken..." "Er wollte dich umbringen?" unterbrach meine Mum mich schockiert und hielt sich ihre Hand vor den Mund. Ich nickte. "Er ist tot." sagte ich. "Er ist tot." wiederholte ich die Wörter in meinem Kopf. Meine Mum drückte mich erneut an sich. "Ich bin so froh, dass du hier bist." flüsterte sie und strich mir sanft über mein Haar. "Ich auch." flüsterte ich und schloss die Augen. "Jede Sache passiert aus einem guten Grund. Durch die Geschehnisse der letzten zwei Tage bin ich stärker geworden. Man sollte aufpassen, wann man seine Erinnerungen hervorholt. Denn es bringt nur etwas wenn man auf ihnen aufbauen will. Es bringt nichts in der Vergangenheit zu leben. Diese ändert sich weder, noch die Gegenwart oder die Zukunft. Der Fall und seine Ereignisse werden sich nicht in Luft auflösen, doch ich sollte daran denken, dass es nicht das hier und jetzt ist, sondern die Vergangenheit."

Somebody to die for// criminal mindsWhere stories live. Discover now