77 - Nichts hält mich am Boden

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-PoV Stegi-
"Es sagt mir zumindest nichts." "Die Psychosomatik ist dafür zuständig, dass Tiere wirklich krank werden, wenn ihr Herrchen stirbt. Ihre Psyche kann das mit ihrem Freund nicht verarbeiten, das zeigt er durch körperliche Beschwerden, die kein Anzeichen für eine Krankheit zeigen." "Das macht Sinn.", antworte ich nach längerem Zögern. "Alles was ich ihnen anbieten kann, sind Medikamte auf pflanzlicher Basis." "Was bewirken die?" "Sie mindern ihre Schmerzen." "Ja, bitte." Er dreht sich um und holt zwei kleine Packungen aus einer der Schubladen. "Dysto-loges. Davon nehmen sie Morgens, Mittags, Abends je 10 Tropfen." "Danke" Ich verabschiede mich von ihm und verlasse mit zwei kleinen Packungen in meiner rechten Hand das Gebäude. Jetzt sind die Straßenlaternen in vollem Betrieb, die Straßen sind relativ wenig befahren und der Mond ist sichtbar. Ohne Antrieb mache ich mich auf den Weg nach Hause, nehme noch zehn dieser Tropfen und lege mich nach einer 0,5l Flasche Wasser zum Spülen in das Bett.
Ich kann das nicht mehr., ist mein erster Gedanke nach dem Aufstehen. Er bleibt beim Duschen, beim Frühstücken und auch, als ich die ekligen Tropfen wieder nehmen muss. Eigentlich gehe ich wieder in das Badezimmer, damit ich mir meine Zähne putzen kann, stattdessen stehe ich vor dem Waschbecken und starre mich in meinem Spiegel an. Mein Gesicht ist leblos und blass, meine noch nassen Haare fallen einfach nur herab und hinterlassen nasse Spuren auf meiner Haut. Meine Nase wirkt im Vergleich zu dem Rest viel zu groß und meine Augen zu klein. Sie werden von dunklen Augenringen begleitet, die nicht mehr feierlich sind. Meine Augen haben jegliches Glitzern verloren und sind matt. Das blau ist klar vom grün getrennt und wirken so viel dunkler, als sie eigentlich sind. Meine Wangenknochen stechen hervor und verdeutlichen, dass ich in dem letzten Monat zu wenig Nahrung zu mir genommen habe. Verzweifelt fahre ich mir mit meiner Hand durch Gesicht und Haar und sehe im Spiegel eine Sekunde lang den Mann, der ich noch vor einem Jahr war. Lieber habe ich meine damaligen Sorgen zurück, die nur aus Studium und meinem gestörten Verhältnis zu meiner Mutter bestanden. Sie waren nichts im Vergleich zu meiner jetzigen Situation. Traurig putze ich mir meine Zähne, versuche die Momente mit Tim aus meinem Kopf zu verdrängen und etwas positives an meiner Situation zu finden. Zahnpasta ausspucken, Mund ausspülen, mich auf das Sofa legen. Das Bild vor meinem Auge, das durch den Fernseher projiziert wird, ignoriere ich. Ich finde nichts gutes. Meine Situation ist einfach nur scheiße. Kaum zu glauben, dass ich noch was gutes suche. Es ist doch offensichtlich! Ich bin ein Nichts-nutz, niemand braucht mich und ich brauche ihn. Tim. Er ist meine Welt. Ich war seine und ich habe es vergeigt. Ich habe ihn von mir weggestoßen und wollte es der Öffentlichkeit nicht zeigen. Egoistisch wie ich war, dachte ich nur an mich, habe mich in keinem Zeitpunkt in Tim hineinversetzt. Wie muss es ihm ergangen sein? Ich weiß nicht, wie es passiert ist, was ich gemacht habe, aber ich sitze wieder bei ihm. Ungläubig drehe ich meinen Kopf, erblicke die blaue Krankenhaustür und sehe wieder zu Tim. Unsere Hände sind miteinander verschränkt. Es wirkt, als würde er meine sogar drücken, aber ist das hier die Realität? Saß ich nicht eben noch in meiner Wohnung vor dem Fernseher? Das EKG piept in normalem Takt, die Infusion in seiner anderen Hand ist auch noch da. Das hier ist meine Welt.

Nichts hält mich am Boden
Das letzte Lied war Umbrella von Rihanna. Vllt erratet ihr ja das hier ^^

[Stexpert] - Wenn ich bald aufgebe, sei nicht sauer, ja?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt