Kapitel 4

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"Hast du eigentlich nichts besseres zu tun, als mir den ganzen Tag wie ein Schoßhündchen hinterher zu rennen?" Annabeth war sichtlich genervt. Der kleine Hunter war nicht nur unheimlich nervig, sondern auch unglaublich naiv. Wenn er das Gefühl habe, dass sie ihn auch nur im Geringsten mochte, war er eine riesen Dummpfbacke. Doch verschwinden wollte er einfach nicht, egal was sie auch sagte. Wenn sie ein Ballon wäre, wäre sie längstens geplatzt.

"Nop, nicht bis du meine Einladung zu einem Drink angenommen hast." "Tja, da kannst du lange warten!" Sie verdrehte genervt die Augen. Typisch Jungs.
Unterdessen waren noch andere in den Trainingsraum gekommen, beachteten sie aber gar nicht. Ann kniff die Augen zusammen und boxte ihrem Kamerad in die Seite. "Wer ist das?"

Sie nickte in die Richtung eines Blonden, der doch recht gut gebaut war und gerade am Schießstand stand. "Der? Das ist Brian, der Danvers Sohn", meinte James beinahe abschätzig. Man merkte ihm gleich an, dass er ihn nicht sonderlich leiden konnte, doch das interessierte Ann nicht im Geringsten. "Komm lass uns weitergehen", murmelte er und wollte sie weiterziehen, Richtung Ausgang. Doch diese schlug geradewegs die entgegengesetzte Richtung ein und schleppte den armen James, beinahe auf Knien, hinter sich her.

Nach etwa zwanzig Meter Gejammer und Kleinkindergestänkere lud sie ihn ab. Das der gewisse Brian sie noch nicht bemerkt hatte, wurmte sie zwar etwas, aber sie würde sich schon bemerkbar machen. Gerade als er einen Schuss abgefeuert hatte, meldete sie sich zu Wort. "Nicht übel, aber ich könnte es besser." Sie wirkte gelangweilt, wie sie eine Pistole in der Hand drehte.

Der Angesprochene drehte sich Augenbrauen erhoben zu ihr um. Der musste sich auch denken, was für ne unterbelichtete Glucke jetzt ihren Kommentar abgeben musste. Doch er äusserte nichts dergleichen. Stattdessen machte er eine einladende Geste Richtung Zielscheibe. Etwas von Oben herabschauendes lag in seinem Blick und da war auch noch etwas Anderes, doch Ann konnte nicht bestimmen um was es sich handelte. Wahrscheinlich war es bloss Einbildung. Nur zu gerne nahm sie jedoch die Herausforderung an.

Sie schob sich an Brian vorbei und nahm das Ziel ins Visier. Ehe sich jemand versah, war die Pistole entladen. Die acht Kugeln verschmolzen zu einem einzigen Punkt in der Mitte der Scheibe. Triumphierend drehte sie sich zu den Zuschauern rum, die beide mehr oder weniger beeindruckt waren. Naja, Blondschopf eher weniger. Der hatte ja sowieso keine Ahnung. Aber er sah schon ganz schön heiss aus, mit seinen eisblauen Augen und... .

'Erde an Annabeth! Hallo? Wie viele Tassen sind denn da rausgefallen? Wohl alle.' , wie schön das Ann noch ein Unterbewusstsein besass, dass sich überaus daran erneute über sie herzuziehen. Entnervt schüttelte sie alle überflüssigen Gedanken ab. Zurück in die Realität brachte sie jedoch das Klingeln ihres Handys. Kurz zuckte sie zusammen. Das hatte sie ja glatt vergessen. "Entschuldigt mich Jungs. War nett euch kennenzulernen." Mit diesen Worten liess sie die beiden zurück. Die hatten sowieso viel zuviel mit sich selbst zu tun. Nämlich starrten sie einander an, als könnten sie sich damit gegenseitig umbringen. Männerlogik.

"Mann Clar, einen besseren Zeitpunkt hättest du dir wohl kaum aussuchen können", zischte Anns Stimme durch den Hörer. Das führte aber nur zu einem Augen-verdrehen. Die immer mit ihren Stimmungsschwankungen. Innerlich äffte Clarisse bereits die Stimme ihrer Freundin nach. Ja eine richtig schöne Hassliebe, so konnte man ihre Freundschaft am Besten bezeichnen. "Hab ich dich etwa beim herumlungern gestört?", kam es nun zurück.

Ann war angespannt. Niemand durfte erfahren, dass sie in Kontakt mit Cybertek stand. Unruhig wippte sie von einem Bein aufs Andere. "Völlig egal...lass uns reden, aber unter vier Ohren. Du weisst schon." Kurz herrschte Schweigen. "Schön, in einer halben Stunde im Grill. Und komm rechtzeitig!" Da Ann nicht immer alles so ernst nahm, sorgte sie somit öfters für Verspätung. Was Clar in den Wahnsinn trieb.

Kaum aufgelegt fuhr die Rothaarige durch den Klang einer Stimme zusammen. "Wer war denn das?" Beinahe hätte sie gequietscht. "Wag es ja nicht noch einmal, dich so an mich anzuschleichen!", ging sie wie eine Furie auf ihr schon fast Schosshündchen los. Ja, sie war schonmal in Aggressionstherapie, das hatte aber nicht sonderlich viel gebracht. Etwas eingeschüchtert und verwirrt sah Hunter zu, wie sie abdampfte.

Das Grill war ein kleines Kaffee in einer der abgelegensten Ecken der Stadt. Niemand kannte es und niemand sprach darüber. Es war halt auch kein Starbucks. Doch für die zwei war es genug. Vor mehr als vierzehn Jahren hatten sie sich kennengelernt. In diesem winzigen Kaffee. Annabeth war jung und verloren. Kein zuhause, keine Familie, nichts. Clarisse half ihr damals und so ist es heute noch, ohne sie wäre die überschwängliche Agentin schon lange umgekommen. Wahrscheinlich vor Dummheit.

"Ich brauche mehr Zeit. Ich bin nicht mehr weit davon entfernt, ich muss sie nur noch dazu bringen mir zu vertrauen." "Ich werd sehen, was sich machen lässt. Aber du weisst doch wie ungeduldig der Boss ist. Er will endlich was, wofür sich das Ganze lohnt." "Und das kriegt er auch. Nur noch ein bisschen." Sechs Wochen und noch keine Ergebnisse. Zugegeben das war kein Highlight, aber sie war durchaus nahe dran. Anfangs dachte sie es würde leicht werden. einfach rein und wieder raus, doch da hatte sie sich grausig geirrt.

Zwei Stunden später traten sie hinaus an die frische Nachtluft. Ann kicherte seit einer ganzen Weile ununterbrochen. Nein, Alkohol vertrug sie ganz und gar nicht. Aber die Finger davon lassen? Nee. Sie liebte den Kick den es ihr gab. Frohmutes schlenderten sie die Strasse entlang, man konnte sie noch zwei Gassen weiter hören. Soviel zum Thema Agentensinne. "Ach Clarilein, ich hab dich vermisst." Sie streckte die Arme nach ihrer Partner aus, als wolle sie sie umarmen. Diese verdreht die Augen und musste Ann eher auffangen. "Sabber mich ja nicht voll", mahnte sie spielerisch. Beide lachten. Dann herrschte Schweigen. "Ich hab dich auch vermisst", murmelte sie schliesslich.

Der Klang einer abgefeuerte Pistole durchbrach die harmonische Stimmung. Clarisse schrie auf. Annabeths Augen weiteten sich, das Lächeln gefror ihr im Gesicht. Im Schatten hastete eine Person vorbei. Die Asiatin sank in Anns Armen zu Boden. "Nein, nein, nein!", sie schrie verzweifelt. "Du darfst nicht gehen, verlass mich nicht." Verzweifelt rüttelte sie an Clars Schultern. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Stimme ging immer mehr in ein Schluchzen über. Über ihr kniend, flehte sie sie an bei ihr zu bleiben. Doch es war zu spät. Der Schnee überzogene Boden färbte sich mit der roten Farbe des Blutes. Ein Wölken bildete sich über ihren Lippen, als sie ihren letzten Atemzug tat. Feine Flocken legten sich auf ihr pechschwarzes Haar. Ein trüber Glanz überzog ihre starren Augen. Es war zu spät. In einer Minute würde Annabeth merken, dass es hoffnungslos war.

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