"Schau mal nach, ob einer der Jungs inzwischen geschrieben hat", meine Stimme klang trocken und harsch, aber ich fühlte mich auch nicht dazu in der Lage, daran etwas zu ändern.
Ciara antwortete nicht und machte auch keine Anstalten ihr Handy herauszuholen. Stattdessen wandte sie nur den Kopf zu Seite.

"Hast du mich nicht gehört oder was?!", knurrte ich und spürte wie ein bitteres Gefühl in mir aufstieg. Ich war auch schon ohne ein bockiges Kind gestresst genug.

"Nein ich habe dich gehört! Aber wir haben beide unsere Handys auf laut, wenn jemand etwas geschrieben hätte, dann hätten wir das definitiv mitbekommen!", schrie sie plötzlich los und schlug mit einer solchen Wucht gegen die Autoscheibe, dass ich schon Angst hatte, sie würde zerbrechen. Meine Schwester aggressiv zu erleben machte das alles nur noch realistischer...

Es wurde wieder still, keiner bereit sich zu entschuldigen oder etwas weiteres zu dem Thema beizutragen.

Meine Augen streiften über den Bürgersteig rechts und links der Straße entlang, als hätte ich die absurde Hoffnung plötzlich Tessa in ihrem wunderschönen Kleid zu entdecken. Ich schnaubte. Klar und wahrscheinlich würde sie mir noch zu winken.

Natürlich war von Tessa keine Spur zu sehen, bis wir an dem Anwesen ankamen. Mir stockte der Atem.

"Das Tor steht offen", hauchte Ciara und lehnte sich im Sitz nach vorne, als müsste sie sich vergewissern, sich nicht nur versehen zu haben.
Ich verkniff mir den Kommentar, dass ich das schon auch gesehen hatte, viel zu hoffnungsvoll meine Fehler von vorhin doch noch wieder gut machen zu können.

Ich hielt mich nicht damit ab, mich an der Gegensprechanlage anzukündigen sondern fuhr sofort die Kiesauffahrt hoch. Zum ersten Mal kam es mir wirklich wie eine Ewigkeit vor, bis das gigantische Haus vor uns aufragte.
Der Wagen hielt noch keine Sekunde, da waren Ciara und ich bereits herausgesprungen und auf die Tür zu gesprintet. Wir mussten nichts sagen, um zu wissen was der andere dachte.

Würde Tessa dort drinnen sein? Und wenn ja, was dann?

Ich würde keine Ruhe geben, bis ich eine Antwort darauf bekommen hatte, wen ich zu Tode prügeln musste. Aber was mich fast noch mehr beschäftigte war, weshalb sie nichts gesagt hatte. So wie ihr Rücken ausgesehen hatte, musste es unglaublich schmerzhaft gewesen sein und doch hatte sie kein Wort darüber verloren. Etwas krampfte sich in meiner Brust zusammen.
Aber das alles würde erst von Bedeutung sein, wenn wir Tessa gefunden hatten.

Mit einem fragenden Blick hob Ciara die Hand, um zu klingeln, doch bevor ich ihr zunicken konnte wurde die Tür bereits von innen aufgerissen.

Im ersten Moment glaubte ich, Tessa hätte uns vom Fenster aus beobachtet und uns aufgemacht, bevor wir klingeln mussten, doch die Frau die uns gegenüber stand, war nicht Tessa.

Ich hatte Mrs. Anderson von heute abgesehen nur das eine Mal gesehen, als wir Tessa hier abgeliefert hatten. Doch dabei war sie mir jedesmal wie eine ruhige, bedachte Person vorgekommen, wenn auch etwas aufgesetzt.
Aber die panische Frau, die uns jetzt gegenüber stand und deren Blick gehetzt durch die Gegend schweifte, war alles andere als ruhig und keinesfalls aufgesetzt.

Sofort legte sich in meinem Kopf ein Schalter um und ich wollte schon stützend nach ihrem Arm greifen und fragen was los war, als mein Blick auf den Müllsack und ihre Hand fiel.

Ich hörte Ciara erschrocken keuchen.

Tessas Stiefmutter war mit Blut verschmiert. Ihre ganze rechte Seite war mit roten Tupfern überzogen und ihre Hand schien in einen roten Handschuh gehüllt.
Doch der Müllsack oder besser gesagt der Inhalt war noch schlimmer. Wenn man die Glasscherben durch den transparenten Plastiksack nicht gesehen hätte, wäre ich davon ausgegangen, dass sich darin eine zerhackte Leiche befand, so Blut überzogen war die ganze Innenseite der dünnen Folie.

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