Kapitel 2✔

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"Ally? Komm, wir müssen aufstehen.", sagt Josy und rüttelt sanft an meiner Schulter. Ich huste und schniefe vor mich hin. Mir ist so kalt. Ich spüre ihre Hand an meiner Stirn. "Sie hat Fieber. Und gar nicht mal so wenig.", sagt sie zu den anderen. Ich öffne meine Augen und lege meine Hand auf meinen Bauch. Mein Baby. "Wie geht's dir?", "Nicht gut.", krächze ich. "Du brauchst dringend Hilfe.", sagt sie entschlossen. Sie hilft mir aufzustehen und legt mir dann eine Jacke um. "Sag nichts. Du ziehst die jetzt an. Keine Widerrede.", "Wem gehört die?", "Keine Ahnung. Joshi hat sie für dich geklaut." Ich sehe ihn an. "Danke." Er schüttelt den Kopf. "Nicht dafür. Du brauchst diese Jacke." Ich nicke einfach nur, da meine Stimme aufgibt. "Okay, komm, Ally. Wir besorgen jetzt erst einmal etwas heißes zu trinken." Wieder nicke ich und so gehen wir nach draußen. "Wollen wir erst irgendwo eine Stunde Musik machen?", "Ja, dann haben wir vielleicht noch ein wenig mehr Geld." Sie nickt und so gehen wir in die Innenstadt. "Oh mein Gott. Josy! Sieh doch mal!" sage ich und zeige auf ein riesiges Plakat. "Ja und? Was ist damit?" "Das ist er! Das ist der Typ von dem ich schwanger bin!" Sie lacht. "Bist du dir sicher?", "Natürlich! Ich vergesse sein Gesicht nie wieder!", "Ally, ich weiß nicht. Weißt du denn gar nicht wer er ist?", "Doch! Der Vater meines Kindes! Wieso ist der auf Plakaten?", frage ich verwirrt. "Weil er Fußballer ist bei Borussia Dortmund. Und ein ziemlich guter noch dazu.", "Das ist doch meine Chance! Ich muss ihn finden!", "Was? Aber was willst du denn tun?", "Ich muss ihn bitten das Baby zu nehmen. Bei mir kann es doch nicht leben und ich will nicht, dass das Jugendamt mir den Zwerg wegnimmt." Ich lasse mich auf eine Bank fallen und beginne zu weinen. "Und du bist dir sicher, dass er es ist?" Ich nicke sofort. "Na schön. Da er Fußballer ist, hat er auch Training. Und ich weiß wo. Komm." Sie nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her. Wir laufen und laufen, bis wir in Brackel sind. Wo will sie hin? "So, da vorne ist das Trainingsgelände. Wir werden einfach da warten, bis er vorbei kommt. Was haben wir schon zu verlieren?" Ich nicke und so gehen wir hin. "Kann ich euch helfen?", fragt uns ein Security Mann. "Ja.", sagt Josy und schiebt mich vor. Man ich bin schüchtern! Ich rede nicht gerne mit fremden. Er beäugt mich skeptisch. "Gibt es hier einen Marco?" Fuck. Ich hab seinen Nachnamen vergessen. "Wie heißt er nochmal weiter?", frage ich Josy leise. "Reus.", "Gibt es hier einen Marco Reus?", frage ich den Mann leise. "Natürlich gibt es den hier. Die Jungs trainieren gerade. Aber was willst du von ihm?", "Ich brauche seine Hilfe. Ich weiß nicht, ob er mich noch kennt aber ich kenne ihn und er muss mir helfen. Bitte!", flehe ich. Er lacht laut. "Dir helfen? Wobei denn? Kannst du dich ausweisen?", "Nein, kann ich nicht. Ich habe nichts.", seufze ich und lasse die Schultern hängen. Er runzelt die Stirn. "Wie heißt du?", "Ally. Meinen Nachnamen kennt er nicht." Er nickt. "Ich geh mal hin. Hier." Er zieht seine Jacke aus und legt sie mir um die Schultern. Schwanger-Mitleids-Modus. Viele geben mir etwas mehr Geld oder mal etwas zu essen oder zu trinken, sobald sie sehen, dass ich schwanger bin. "Sagen Sie ihm bitte, dass wir uns vor 6 Monaten in einem Club kennen gelernt haben und dann aber nie wieder gesehen haben." Er nickt und geht los. "Komm, wir setzen uns hier hin.", sagt Josy und deutet auf den Boden. Ich nicke und setze mich. Dieser Mann ist meine letzte Hoffnung. Nein, die meines Kindes. Ich will nichts von dem. Mir soll er nicht helfen. Er soll einfach mein Baby nehmen. "Hallo?", ruft jemand. Josy und ich drehen uns um. "Das ist er.", sage ich und Josy steht auf, um mir hochzugelfen. Mein Gott, das ist aber auch alles andere als einfach. "Wer seid ihr? Und was wollt ihr von mir?" Er kennt mich nicht mehr. Okay. "Ich bin Ally. Und... Naja..." Mir fehlen die Worte. Er sieht einfach so mega gut aus! "Ja? Was denn nun?", "Wir haben uns vor 6 Monaten in einem Club kennen gelernt und hatten dann auf dem Männerklo was miteinander." Ich werde rot, als ich das ausspreche. Er mustert mich von oben bis unten. "Das bezweifle ich." er muss sich ein Lachen verkneifen. "Ich hatte ein silbernes Kleid und silberne High Heels an. Ich sah nicht aus wie jetzt." Er nickt. "Weiß ich nicht mehr. Und was willst du jetzt von mir?", "Naja, wir haben den Abend miteinander geschlafen und ich bin dadurch schwanger geworden." Ihm klappt die Kinnlade runter. "Das ist ja wohl das allerletzte. Dass ihr Fangirls euch immer neue Scheiße ausdenken müsst! Verschwindet hier!" Er wird lauter. "Das ist nicht ausgedacht! Ich will auch gar nichts von dir. Nur dass du das Baby nimmst, wenn es auf der Welt ist. Ich lebe auf der Straße und ich will nicht, dass es ins Heim oder in eine Pflegefamilie kommt. Es braucht doch seine Eltern! Mit mir musst du gar nichts weiter zu tun haben nur bitte hilf meinem Baby! Unserem Baby!" Ich beginne zu weinen und meine Stimme wird immer kratziger. Mir geht's so schlecht! "Ally, beruhige dich.", versucht Josy mich zu beruhigen. Ich bekomme einen Hustenanfall und krümme mich. "Bitte, hilf meinem Baby. Es wird sterben, wenn es bei mir bleibt." schluchze ich weiter. Er sieht mich ausdruckslos an. "Ich bezweifle, dass ich mit dir geschlafen habe. Ich würde mich doch dann erinnern! So viele Weiber habe ich nun auch nicht am Start, dass ich eine von ihnen vergessen würde. Tut mir leid für dich, dass du auf der Straße lebst und so aber ich kann dir echt nicht helfen. Und jetzt geht." Er dreht sich um und verschwindet. "Sagst du die Wahrheit?", fragt mich der Security Mann. Ich nicke weinend. "Und du willst nicht in die Öffentlichkeit kommen oder sein Geld?" Ich schüttle den Kopf. "Er soll einfach unserem Kind eine Zukunft geben." Er nickt. "Es tut mir sehr leid für dich. Du kannst meine Jacke gerne behalten." "Danke.", murmel ich und drehe mich zum Gehen um. Josy folgt mir. Tja, Chance verspielt. Mein Baby wird sterben. Ich habe leider zu spät gemerkt, dass ich schwanger bin. Abtreiben wäre unmöglich gewesen. Aber ich hätte auch nicht das Geld gehabt dafür. Noch immer hat mein Baby sich nicht bewegt. "Hey! Mädchen! Warte doch mal!" Der Security Mann kommt angelaufen. "Komm mal mit. Du brauchst Medizin und ärztliche Hilfe. Ich hole den Mannschaftsarzt vielleicht kann der dir was geben.", "Nein, das ist nicht nötig.", "Doch ist es. Sonst sterbt ihr zwei noch.", "Nimm die Hilfe an, Ally. Ich warte hier draußen auf dich.", "Bitte komm mit. Ich habe Angst alleine." Sie sieht den Mann an und er nickt. "Ich riskiere gerade meinen Job für euch zwei.", gesteht er uns, als wir das Gelände betreten. "Wieso helfen sie uns dann?", "Weil ich kein Unmensch bin. Und du, Kleine, brauchst Hilfe. Dringend." Ich nicke einfach nur. "Wie alt bist du denn?", "16.", sage ich leise. Er nickt. Wir kommen an einem Fußballfeld an, wo ich Marco wieder sehe, wie er gerade läuft. "Markus!", ruft der Mann. "Komm mal bitte, hier braucht jemand deine Hilfe." Ein anderer Mann kommt angelaufen. "Was ist los? Wer ist das?", "Das Mädchen hier braucht dringend Hilfe. Sie ist total krank und schwanger noch dazu. Habe ihr schon meine Jacke gegenben." Dieser Markus sieht mich an. Vorsichtig legt er seine Hand an meine Stirn. "Deine Stirn ist ziemlich heiß. Komm mal mit." Er geht zurück ins Gebäude und ich folge ihm. "Wieso bist du hier?", fragt er mich, als wir in einen Raum gehen, wo eine Liege steht. "Ich habe mit Marco Reus geredet. Er soll mein Kind nehmen.", "Wieso denn das?", "Er ist der Vater meines Kindes. Aber er erinnert sich nicht an mich und hat mich deswegen abgewiesen. Ich kann ihn ja verstehen. Aber ich will nicht durch ihn berühmt werden oder sein Geld haben. Ich will einfach, dass er das Baby nimmt, damit es eine Zukunft hat und überhaupt leben kann. Ich habe es vor 2 oder 3 Tagen zum letzten mal gespürt. Es bewegt sich einfach nicht mehr ich habe Angst, dass es bereits tot ist." Er sieht mich traurig an. "Warst du schon einmal bei einem Frauenarzt?" Ich schüttle den Kopf. "Ich bin gar nicht krankenversichert und ich kann mir das alles nicht leisten." Er nickt. "Okay, pass auf. Ich bin kein Frauenarzt und kann deswegen wenig herausfinden was das Wohl deines Kindes betrifft aber ich kann jetzt einen Ultraschall machen und nachsehen, ob das Herz deines Babys schlägt. Das ist doch schon mal ein Anfang, oder?" Ich nicke sofort. Ich werde mein Baby sehen! "Gut. Und dann gebe ich dir ein paar Medikamente mit, damit es dir besser geht. Mädchen, du brauchst Hilfe. Bei den Temperaturen wirst du dein Kind und dich selbst ebenfalls umbringen." Ich nicke wissend. "Na gut. Dann leg dich mal hin, damit wir einen Ultraschall machen können." Ich nicke und ziehe meine zwei Jacken und mein T-Shirt aus. Markus fährt mit dem Gerät über meinen Bauch. "Schau mal. Scheint alles gut zu sein. Also das Herz schlägt ganz normal." Ich lächle. Mein Baby. Es klopft. "Herein!", ruft Markus, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen. Marco kommt rein und bleibt abrupt stehen. "Was machst du hier? Habe ich nicht gesagt du sollst gehen?", knurrt er mich an. "Marco, sei ruhig. Was möchtest du? Moment, warte mal kurz." Markus hält die Hand hoch, um ihm zu zeigen, dass er ruhig sein soll. "Schau mal. Scheint ein Junge zu werden." Er zeigt auf den Bildschirm. "Ein Junge?" Er nickt. "Oh mein Gott! Ich bekomme einen Jungen!", freue ich mich. "Na da freut sich aber jemand.", lächelt Markus. "Ja, das tue ich wirklich. Aber ich werde wohl nicht viel von ihm haben.", sage ich traurig und wische mir den Bauch sauber. "Hast du mal überlegt, in ein Mutter-Kind-Heim zu gehen?" Ich nicke. "Aber ich weiß nicht so recht. Nehmen die mich auf, wenn ich nichts außer eine Gitarre habe?" "Ich kenne mich da nicht so gut aus. Aber ich würde es an deiner Stelle versuchen. Du möchtest doch auch, dass dein Kind eine Zukunft hat, oder?" Ich nicke. Er dreht sich zu Marco um. "Oder der Vater kümmert sich.", "Ich bin nicht der Vater! Ich kenne dieses Mädchen nicht!", mault er und verlässt türknallend den Raum. "Er hat es im Moment nicht einfach. Verzeih ihm. Geh zum Jugendamt und bitte dort jemanden um Hilfe, okay?" Ich nicke. "Gut, dann mal weiter." Er misst Fieber, meinen Blutdruck, hört meine Lunge ab. Anschließend gibt er mir ein paar Medikamente mit. "Ich wünsche dir das Beste, Ally. Du bist ein nettes Mädchen und es ist noch nicht zu spät." Ich nicke. "Na gut, dann mal los. Noch hat das Jugendamt geöffnet." "Okay." sage ich und huste wieder. Was für ein Tag.

Das Mädchen von der StraßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt