Kapitel 12

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Astrid

Am Abend kam Hicks in mein Zimmer. »Hey, Lust mit uns zu zelten?«, sagte er und lächelte.
Ich sah ihn verwundert an. Vorhin war er noch richtig traurig gewesen und kurz vorm Weinen, doch jetzt stand er in der offenen Tür und lächelte mich an. Aber ich willigte ein, ein bisschen Spaß würde mir nämlich auch gut tun. Und so saßen wir hinterher, als die Sonne sich langsam dem Boden näherte, in dem selbstgebauten Garten und rösteten Marshmallows. Wir saßen auf Baumstämmen, die um das Feuer herum lagen. Jeder trug gemütliche Anziehsachen und ließ den Tag schön ausklingen.
»Wart ihr jemals zelten?«, fragte Elsa neben mir.
»So weit ich mich erinnern kann, nein«, antwortete ich. »Meine Eltern waren viel arbeiten, hatten für mich sogar eine Babysitterin, und in den Ferien sind wir meistens in andere Länder geflogen oder einfach zu Hause geblieben.«
»Ich war früher oft mit meinen Eltern zelten, doch dann kam meine kleine Schwester. So eine Nervensäge«, sagte Jack und ich musste lächeln.
»Was ist eigentlich mit euren Eltern?«, fragte ich dann. Bis jetzt sind wir nie richtig auf dieses Thema gekommen. Das mir das noch nicht aufgefallen war, ich hatte nur Hicks' Eltern kennengelernt.
»Ich bin ein Waise«, sagte Eugene ganz locker.
»Da schließ ich mich an«, sagte Kristoff. »Aber ich wurde adoptiert als ich ungefähr acht war. Meine Adoptiveltern fanden es toll, dass ich bei so etwas helfen wollte, also hatten sie nichts dagegen, wenn ich hier blieb.«
»Meine Eltern meinten, dass ich dann endlich mal erwachsen werden könne«, meinte Jack, was die Jungs zum Kichern brachte.
»Meine Mutter ist die Schwester von Valka, was sie zu meiner Tante und Hicks zu meinem Cousin macht. Mein Vater hatte mich hier nur zu gern abgesetzt und meinte«, er streckte sein Brust hervor, »›Sohn, von deinem Cousin kannst du noch etwas lernen! Zum Beispiel Manieren‹.«
Die Runde fing an zu lachen. »Ja, und bis heute hat er nichts dazu gelernt«, sagte Fischbein, was uns nochmal zum Lachen brachte. Rotzbakke verdrehte bei dieser Bemerkung einfach nur die Augen.
»Er sagt mir ja nichts«, antwortete Rotzbakke dann.
»Natürlich nicht«, sagte Eugene sarkastisch.
»Nein, Hicks doch nicht«, sagte Anna und verdrehte die Augen.
»Am Anfang hat er dir ja nicht andauernd gesagt, dass du einen Löffel benutzen und nicht direkt aus der Schüssel trinken sollst«, bemerkte Raffnuss.
»Zu Hause durfte ich das.«
»Aber auch nur wenn niemand da war, oder?«, sagte Fischbein.
»Also ich durfte das eigentlich auch«, sagte Taffnuss daraufhin.
»Nein?«, sagte Raffnuss. »Mama hat dich immer total angemeckert, wenn du das getan hast und danach bist du immer schmollend davon gelaufen.«
Die Runde fing wieder an zu lachen, außer Taffnuss, der verschränkte die Arme und murmelte etwas vor sich hin. Irgendwann fing Jack an zu gähnen.
»Ich geh lieber schlafen, sonst kommt es gleich noch so weit, dass ich die Nationalhymne singe«, sagte er, bevor er sich auf den Weg zum Zelt machte. Ich fand die Aussage persönlich seltsam, aber die anderen schienen sich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Geschichte wollte ich gar nicht erst hören.
Als er zu den Zelten ging, fiel mir etwas auf. Im Kopf zählte ich sie, sieben. Wir waren zwölf. Ich rechnete noch einmal nach, aber es stimmte.
»Äh«, sagte ich, »wieso sind da nur sieben Zelte?«
»Wir haben nicht mehr«, antwortete Fischbein. Bitte? Das hier war eine geheime Organisation, die vom Staat gefördert wurde, wo man unter der Erde lebte und teure Autos fuhr, aber man besaß nur SIEBEN Zelte?
»Glaub es, es stimmt«, sagte Eugene. »Frag mich nicht wieso.«
»Und wie ist es dann aufgeteilt?«
»Wir teilen uns ein Zelt mit unseren Freunden, die Zwillinge sich eins, Rotzbakke und Fischbein bekommen ein seperates und ...«, sagte Elsa, nuschelte aber den Schluss.
»Wie bitte?«, sagte ich, hatte aber ein seltsames Gefühl im Magen.
»Vielleicht müssen ...« Sie nuschelte wieder, diesmal mit einer Hand am Mund.
»Elsa, rück mit der Sprache raus.«
»Okay, du und Hicks müsst euch eins teilen, zufrieden?«
Nein, ganz und gar nicht zufrieden.
»Vergiss es«, sagte ich und ja, ich wusste, dass er hier auch saß, aber ich würde mir kein Zelt mit ihm teilen. »Sollen sich Fischbein und Rotzbakke eins teilen.«
»Ahahahaha, vergiss es, Prinzesschen«, sagte Rotzbakke daraufhin. »Niemals, und ich meine wirklich niemals, werde ich, Rotzbakke Jorgenson, mir ein Zimmer, ein Bett, geschweigedenn ein verdammtes Zelt, mit ihm hier teilen.«
»Ach, und wieso nicht?«, sagte ich.
»Hast du ihn dir mal angesehen?«, sagte er angewiedert.
»Hey!«, protestierte Fischbein.
»Ich werde mein Zelt nicht mit ihm teilen, tu du's doch!«, sagte Rotzbakke.
»Äh, nein?«, antwortete ich.
»Wieso nicht?«
»Weil ich nicht will.«
»Bei Fischbein verstehe ich das, aber bei Hicks? Teil es doch einfach.«
»Nein, ich will nicht!«
»Wieso denn nicht?«
»Weil ich es einfach nicht will, okay!?«, schrie ich nun zuletzt und ließ ihn zurückschrecken.
»Wenn das so ein scheiß Problem für euch ist, dann teile ich mein Zelt mit Fischbein, einverstanden?«, meldete Hicks sich dann genervt.
Rotzbakke sah zu ihm und nickte, ich stürmte einfach davon und ging in irgendein verdammtes Zelt. Die anderen blieben draußen. In aller Stille saßen sie um das Feuer herum. Ich hörte dem Knistern davon zu, den Grillen, die in den Feldern und Wäldern zirpten. Lange lag ich dort und starrte wütend zur Decke hinauf. Irgendwann hörte ich, wie die anderen nach und nach in den Zelten verschwanden. In diesem Moment war es mir egal, ob ich gemein gewesen bin und irgendwen verletzt hatte. Ich wäre nicht so ausgetickt, wenn ... Nein, denk nicht dran, vergiss es einfach.
Als das Knistern erloschen war und die Grillen leiser wurden, schlief ich mit schlechtem Gewissen und keinen guten Erinnerungen ein.

Meine Rettung, bevor ich zur Sexsklavin wurdeWhere stories live. Discover now