Schnell zog ich mein Handy aus der Hosentasche und schrieb erstmal Sandy an, die für gewöhnlich Freitags nicht arbeiten musste, ob sie mit mir tauschen würde und betete insgeheim, dass sie noch nichts vorhatte.
Zwar versuchte ich in der Zeit, in der sie nicht antwortete, mich wieder auf den Aufsatz zu konzentrieren, aber man kann sich sicherlich vorstellen, dass mein Blick jede fünf Sekunden zu meinem Handydisplay wanderte.
Sollte ich Pech haben und niemand konnte mit mir tauschen gab es genau zwei Optionen. Entweder ich fehlte bei der Arbeit und riskierte damit meinen Job oder aber ich ignorierte Kathrins Befehl mitzukommen und das würde wahrscheinlich damit enden, dass mein Kopf auf einem Besenstiel aufgespießt mit zur Grillparty kam.
Daher viel mir auch ein großer Stein vom Herzen, als Sandy fünf Minuten später schrieb, dass es gar kein Problem sei unsere Schichten zu tauschen. Dankbar und erleichtert schrieb ich ihr mindestens zehnmal zurück, sie sei die beste und ich wäre ihr unglaublich dankbar und fragte noch kurz Carlos über eine Nachricht, ob für ihn der Wechsel in Ordnung wäre, war mir aber eigentlich ziemlich sicher, dass nichts dagegen sprach, was ich auch kurz darauf von meinem Boss bestätigt bekam.
Unbesorgt konnte ich mich also wieder an meinen Aufsatz machen, obwohl ich resigniert feststellte, dass ich erst ein Viertel der Strafarbeit hinter mir hatte und mir schon jetzt die Ideen ausgingen, was ich noch schreiben konnte. Oder zumindest nichts was ich auch wirklich ernst meinte. Mir war schon klar, dass mein Verhalten nicht in Ordnung war, allerdings wollte es mir nicht in den Kopf gehen, wie Leher sich das Recht rausnehmen konnten, zu glauben zu wissen, weshalb sich ein Schüler so benahm oder dass er sogar gar keinen Beweggrund hatte. Dafür dass sie einen Scheißdreck über unsere Leben wussten, verhielten sie sich meiner Meinung nach etwas zu sehr wie der allwissende Gott höchst persönlich.
Allerdings stand mir auch nicht der Sinn danach, hier noch stundenlang zu sitzen und mir irgendwas aus den Fingern zu saugen, mit dem sowohl Herr Coleman als auch ich zufrieden wären. Daher schmierte ich einfach das hin, von dem ich dachte, dass es mein Mathelehrer erwartete und meine zwei Seiten gut füllte.
Erleichtert es hinter mir zu haben, setzte ich den letzten Punkt und suchte mir dann eine neue Tasche aus meinem Schrank, die ich absofort für die Schule benutzen würde, um schnell alle Sachen, die ich für morgen brauchte einzustecken.
Danach beschloss ich, mich schonmal bettfertig zu machen und verschwand mit meinem Schlafanzug im Bad.
Erst nachdem ich mich abgeschminkt und zähnegeputzt hatte, wollte ich mich umziehen, hielt aber bereits , als ich mir mein Oberteil über den Kopf gezogen hatte, inne.
Der schneeweiße Verband schlang sich noch immer fest um meinen Unterarm, allerdings war ich über den Tag gar nicht mehr so oft schmerzhaft an die Bekanntschaft mit dem Koffer meines Vaters erinnert worden, außer  wenn ich meinen Arm verdreht oder sehr schwere Sachen gehoben hatte.
Vorsichtig bewegte ich meinen Arm hin und her, um mich auch wirklich zu überzeugen, dass der Schmerz fort war. Erst als ich ihn nach außen drehte ziepte es wieder unangenehm und ich verzog kurz das Gesicht, bevor ich den Arm wieder zurückdrehte.
Wenn ich mich nicht sonderlich dämlich anstellte sollte es eigentlich inzwischen ohne Verband gehen. Also begann ich ihn langsam Schicht für Schicht abzuwickeln, nicht sicher was ich zu erwarten hatte.
Doch das was ich schließlich vorfand, war tatsächlich gar nicht mehr so schlimm.
Über die Stelle, an der ich mir die Haut aufgerissen hatte, hatte sich inzwischen eine Kruste gebildet und das frühere darumbefundene Feld aus allen violetten Schattierungen die ich kannte, war zu einem noch recht kräftigem grün zurück gegangen. Mit ein bisschen Glück würde ich in einer Woche wieder kurzärmlige Sachen tragen können.
Ein zufriedenes Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit und ich beschloss für die Nacht noch einmal eine Salbe aufzutragen, den Verband allerdings wegzulassen.
Sobald ich die Creme wieder weggestellt hatte, zog ich auch meine Hose für die Nacht um und huschte dann wieder zurück in mein Zimmer.
Nachdenklich blieb ich vor meinem Bett stehen.
Ich war definitiv noch zu wach, um mich jetzt einfach hinzulegen und einzuschlafen. Stattdessen würden meine Gedanken sich wahrscheinlich die ganze Zeit um Dyan und Dan drehen. Hatte Dyan ihn eingeholt? Und konnte er es schaffen, Dan von meiner "Unschuld" zu überzeugen?
Mir gefiel es nicht, wie sich meine Brust jedesmal hoffnungsvoll zusammenzog, wenn ich mir diese Fragen stellten. Jahre der Verachtung konnten nicht einfach so wieder aufbehoben werden und mein Gehirn brachte es ja nicht mal fertig, sich Dan mit einem freundlichen Lächeln für mich vorzustellen.
Resigniert seufzte ich und hätte am liebsten einfach vergessen oder zumindest abgedämpft, wie viel mir an dieser Versöhnung lag. Für gewöhnlich machten mich nämlich genau diese Hoffnungen verletzlich, egal wie viel ich trainierte und wie oft ich versuchte meine Unabhängigkeit zu beweisen.
Bevor ich weiter in diesem Morast voller Fragen herumdümpeln oder mir zur Ablenkung ein Buch schnappen konnte, wurde ich von etwas anderem aus meinen Gedanken gerissen - etwas, das ich verdrängt hatte und es am liebsten weiter auch tun würde.
Schwere schwankene Schritte trampelten durch den Flur und ich hörte, wie mein Vater immer wieder lauter und leiser meinen Namen rief.
Ich musste schwer schlucken und sah mich hektisch um, nach irgendetwas zum Verstecken oder zumindest zum Verteidigen!
Doch sobald ich registrierte,was ich da gerade tat, blieb ich erstarrt stehen.
Obwohl mein Herz flatterte, wie ein gefangenes Vögelchen und alles in mir mich anschrie, mir das nächst gelegene Buch zu schnappen und nach ihm zu werfen, sobald er die Tür öffnete, konnte ich es weder meinem Kopf, noch meinem Körper, auch nur eine weitere Sekunde erlauben, danach zu gieren meinen VATER zu verletzen!
Das... das konnte ich einfach nicht! Wäre ich dann nicht genauso, wie er?
Vielleicht mochte mein Vater der Erwachsene von uns beiden sein, aber er war auch der verletzlichere von uns beiden. Selbst wenn er mich mit seinen Schlägen jedem Schutz beraubte und mich seelisch nackt und verängstigt zurückließ, war doch er der jenige, der weitaus gefährdeter war als. Dafür sprach jeder Drink, den er in sich hineinkippte.
Und auch wenn ich jeden, der jemand anderen bedrohte zur Rechenschaft ziehen würde, konnte ich kaum mit jemanden kämpfen, der so viel schwächer als ich war.
Mein Atem kam stoßweise, aber zumindest hatte ich mich wieder so weit unter Kontrolle, dass ich mich nicht weiter nach einer Waffe umsah, sondern starr auf meine Tür blickte.
Die Schritte waren inzwischen näher gekommen, auch wenn es sich so anhörte, als würde Vater jede paar Meter straucheln und eine kurze Pause an der Wand einlegen.
Lange würde er nicht mehr brauchen und ich wusste nicht, wie ich mich auf das bevorstehende vorbereiten konnte, ohne  die Flucht zu ergreifen. Daher blieb ich einfach stehen, die Finger im dünnen Stoff meiner Schlafanzughose gekrallt, bis die Tür auf schwang.
Durch die Überbelichtung von hinten durch die Lampe im Flur, konnte ich im ersten Moment nur die Gestalt meines Vaters erkennen, doch nachdem sich meine Augen blinzelnd an das Licht gewöhnt hatten, zeichneten sich langsam auch  die Konturen seines Gesichtes ab.
Seine Augen waren blutunterlaufen und genauso wie meine, hob sich seine Brust unter schweren Atemzügen, als wäre der kurze Gang durch den Flur ein ganzer Marathon gewesen.
"Ich hab dich gerufen! Hast du das nich' gehört?!", taumelnd schritt er in mein Zimmer hinein und musste sich schon im nächsten Moment an meiner Kommode festhalten, um nicht umzufallen, wobei er einige der Fotos und Bücher, die auf ihr lagen, herunterriss. Ich zuckte zusammen und schloss kurz die Augen, als das Glas des einen Bilderrahmens knirschend zerbrach, zwang mich aber dazu an Ort und Stelle stehen zu bleiben. Mein Vater murmelte leise etwas vor sich hin, was sich nach Flüchen anhörte, torkelte dann jedoch weiter in den Raum hinein.
Um so näher er mir kam, desto mehr verspannte sich auch meine Rückenmuskulatur, bis ich das Gefühl hatte, mich nicht weiter versteifen zu können und er mir Angesicht zu Angesicht gegenüber stand. Die mir inzwischen allzu bekannte Alkoholfahne wehte mir entgegen und verursachte die gleiche Übelkeit, wie auch schon beim ersten Mal.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten.
Er starrte mich einige Sekunden einfach nur an, so als wüsste er nicht mehr, was er eigentlich vor hatte. Dann beugte er sich zu mir.

 Meine Fingernägel gruben sich in meine Handballen.
"Das ist so ungerecht. Wieso siehst du nur aus wie sie? Niemand verdient es, wie sie auszusehen." Seine Hände wanderten zu meiner Taille und packten mich.

Ich presste meine Fäuste so fest ich konnte an meine Oberschenkel.
"Dreh dich um!", brüllte er, obwohl sich sein Mund direkt an meinem Ohr befand und wirbelte mich herum. Für einen Moment schien mein Herz auszusetzen, nur um dann doppelt so schnell weiter zu schlagen, als müsste es den einen Schlag doppelt und dreifach nachholen.
Meine Gedanken flatterten hin und her und schienen sich nicht festlegen zu können.
Wa...was hatte er vor?!
Anscheinend sollte ich es sogleich erfahren, denn ich spürte einen heftigen Stoß gegen meinen Rücken, der mich nach vorne stolpern und schließlich fallen ließ. Gerade rechtzeitig konnte ich mich abfangen, bevor ich mit dem Kopf auf der Kante meines Bettgestelles landete und keuchte das Metall keinen Zentimeter vor meinem Gesicht an, in dem sich die Panik in meinen Gesichtszügen verzerrt spiegelte.
Irgendetwas hinter mir raschelte, doch ich konnte das Geräusch nicht zuordnen und bevor ich es zu Gute meiner geistlichen Gesundheit verhindern konnte, huschte mein Blick zur Spiegelung meines Vaters. Durch die Rundung des Metalles erschien sein Bauchbereich viel breiter während der Rest seltsam in die Länge gezogen war. Doch meine Aufmerksamkeit war bereits von seinen Händen gefesselt, die irgendetwas an seinem Hosenbund herumrupften.
Ich erstickte. Mein Hals war wie zugeschnürt und egal wie sehr ich  versuchte Luft durch ihn hindurchzupressen, gelang es mir nicht.
Das würde er mir nicht antun? ...oder?
Hielt... hielt er mich für meine Mutter?!
Mir wurde übel und vor Panik schloss ich die Augen wodurch es mir zumindest gelang wieder einzuatmen. Allerdings traute ich mich nicht mehr sie wieder zu öffen. Das KONNTE nicht real sein.
Weiter raschelte es hinter mir und ein leises Grunzen entwich meinem Vater.
Bitte, ich würde alles aushalten, ich HATTE alles ausgehalten, aber von meinem Vater angefasst zu werden...
Plötzlich war es still hinter mir und da ich mich nicht traute aufzublicken, wusste ich nicht, ob mein Gebet erhört wurde oder es nur die Ruhe vor dem Sturm war.
Die Sekunden zogen sich wie Kaugummi und mir kam es so vor, als würde ich schon eine halbe Ewigkeit hier knien und warten...
Doch dann schnalzte etwas hinter mir durch die Luft und bevor ich das Geräusch überhaupt registrieren konnte flammte mein Rücken im Schmerz auf.
So unpassend es auch war, bestand meine erste Reaktion aus einer Welle Erleichterung. Das würde ich aushalten, das war okay...
Doch spätestens nach dem fünften Schlag verbrannte der Schmerz jede andere Emfindung und lies mich nach Luft japsen.
Ich konnte genau die Streifen spüren, die der Gürtel auf meiner Haut hinterlies. Denn das hatte er an seinem Hosenbund herausgefummelt. Dein schwarzen Ledergürtel mit der goldenen Schnalle, den ich im zum vorletzten Geburtstag geschenkt hatte. Welch Ironie. Wenn ich die Luft dazu gehabt hätte, hätte ich freudlos aufgelacht, doch jeder Schlag presste die gesamte Luft aus meiner Lunge.
Meine Hände klammerten sich an das Bettgerüst und ich presste  die Stirn gegen das kühle Metall, das in krassen Kontrast zu meinem in Flammen stehenden Rücken stand.
Das Blut rauschte mir in den Ohren und machte mich taub. Wann würde er wieder aufhören? Der wie vielte Schlag war das nun? 12... 16...
Ich verlor den Überblick... und dann endlich stoppte es.
Doch mein Körper brauchte noch mehrere Minuten, bis er sich wieder beruhigte. Auch wenn der Schmerz auf meinem Rücken nicht zurückging, konnte ich so zumindest das Schnauben meines Vaters hinter mir hören.
Meine Augen hielt ich noch immer fest geschlossen. Ich konnte ihn jetzt auf keinen Fall ins Gesicht sehen.
Ich hörte wie er einen Schritt nach hinten taumelte.
"Jetzt siehst du nicht mehr wie sie aus."

Schritte und dann die Tür die hinter ihm ins Schloss fiel. Doch das nahm ich kaum noch wahr.
Mein Rücken flammte bei jedem unterdrückten Schluchzer auf und ich biss mir auf die Finger, wie ich es früher immer gemacht hatte, um mich von einem juckenden Schnackenstich abzulenken.
Aber nichts half. Dafür war der Schmerz viel zu überwältigend.
Ich traute mich nicht, mich zu bewegen und um ehrlich zu sein, glaubte ich auch kaum, dass es mir gelingen würde.
Und so blieb ich sitzen. Den Kopf auf der Kante meines Bettes gelegt und die Fetzen meines Oberteiles als Decke über mir.





Halliihaallooo meine lieben Leser ^-^
Ich hoffe inzwischen haben auch die letzten von euch wie ich Ferien ;*
Schönen Urlaub wo auch immer ihr hingeht und viel Spaß!
Ich freue mich natürlich wenn ihr euch trotzdem die Zeit nehmt mein Buch weiter zu lesen, zu Voten und zu kommentieren <3

Vielen Dank für alles *.*

behind the screenWhere stories live. Discover now