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Ace

Ich hatte Trish noch nie so wütend erlebt. Dad schon. Tante Bev und Onkel Aidan hatte ich auch schon oft wütend erlebt. Meist waren sie wütend aufeinander und brüllten sich spät in der Nacht gegenseitig im Wohnzimmer an, bis Finn und Ally stumm zu weinen begannen und entweder ich oder Freya die Treppen nach unten liefen und unserer Tante und unserem Onkel sagten, dass sie gefälligst die Klappe halten oder wo anders streiten sollten, weil sie zwei Kinder weinend auf ihren Zimmern sitzen hatten, die jedes Mal glaubten, dass ihre Eltern ihretwegen stritten. Und so war es ja auch. Ich hatte Tante Bev und Onkel Aidan nie über etwas anderes als Ally und Finn streiten hören.

Aber Trish war normalerweise die Ruhe in Person und unfassbar diplomatisch. Sie war normalerweise die Streitschlichterin zwischen Dad und Freya oder Freya und Dee. Nur heute nicht, denn meine Schwester hatte sie mächtig in die Scheiße geritten. Schließlich war sie nun dem Direktor eine Erklärung schuldig, warum ihre Tochter schuld daran war, dass so viele teure Instrumente kaputt waren und die Aufführung nicht stattfinden konnte. Ich war mir ziemlich sicher, dass es sich bei den entstandenen Schäden um mehrere hunderttausend Dollar handelte... Zusammen mit meinem Dad, Dee, Tante Bev, Ally und Finn stand ich draußen vor dem Operngebäude und sah abwechselnd zwischen Trish, die sich gegenüber dem Dirigenten und dem Direktor zu erklären versuchte, und meiner Schwester, die sich vor den Polizisten verteidigte, hin und her.

Alles okay?

Freya antwortete mir nicht, aber ich sah, wie sauer sie war. Sie sah nicht im Geringsten schuldbewusst aus.

Was ist passiert?

Sie antwortete wieder nicht.

Ally knetete sich die Hände und Tante Bev legte ihr sofort besorgt eine Hand auf die Schulter. „Tut es weh? Hast du Schmerzen?"

Ally schüttelte den Kopf. „Ich mach mir nur Sorgen..."

„Kommt Freya ins Gefängnis?", fragte Finn und klang dabei beinahe aufgeregt.

„Nein, das auf keinen Fall", beruhigte Dad ihn.

„Wann kommt man ins Gefängnis?"

„Da muss man schon mehr ausgefressen haben, als ein paar Musikinstrumente kaputt zu machen."

„Was denn?", fragte Finn weiter und Tante Bev und Dad tauschten einen Blick miteinander aus. Ich war mir sicher, dass keiner von den beiden Finn eine Liste von Straftaten geben wollte, wegen derer einem eine Freiheitsstrafe drohte. Nicht, weil sie Angst hatten, Finn könne auf dumme Gedanken kommen (diese Sorge hätte man sich bei Ally machen können), sondern, weil er ein sehr zartes Kind war. Bis vor zwei Jahren hatte er noch panische Angst vor den Teletubbies gehabt.

„Darüber reden wir ein andermal", schloss Dad das Gespräch ab.

„Sie steckt in Schwierigkeiten, oder?" Allys Augen flackerten nervös hin und her. Etwas daran machte mich misstrauisch, weil es nichts gab, das Ally schnell nervös machte. Und ich glaubte auch nicht, dass sie sich Sorgen darum machte, dass Freya ins Gefängnis kam, denn dass die Chancen dafür gering standen, musste sie, im Gegensatz zu ihrem Bruder, wissen. „In richtig schlimmen?"

„Ally", sagte Tante Bev in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie das Verhalten ihrer Tochter auch ungewöhnlich fand. „Ist wirklich alles okay?"

„Ja. Ich mach mir nur Sorgen", wiederholte sie.

Tante Bev glaubte Ally nicht und ich tat es auch nicht, aber Trish stieß wieder zu uns, so blieb keine Zeit, Ally weiter auf den Zahn zu fühlen.

„Was haben sie gesagt?", fragte Tante Bev besorgt, aber Trish schüttelte nur den Kopf.

„Mom?" Dee griff erschrocken nach ihren Händen und noch bevor Trish irgendetwas sagen konnte, meinte sie: „Ich kann das wieder hinbiegen. Ich kann mit dem Direktor reden, dann wird alles wieder gut."

Cold Blood (Band 5)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt