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Freya

Als ich an diesem Tag trainieren gehen wollte, verriet mir mein Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmte. Ich wusste nicht, was es war, aber es versetzte mich in Alarmbereitschaft, ich zog mir die Kopfhörer herunter, schaltete die Musik aus und warf einen paranoiden Blick über meine Schulter, als ich in die Sackgasse einbog, die in den Keller führte. Natürlich war da niemand hinter mir. Nur die Straße. Ein paar Ratten (oder waren es Mäuse?) tummelten sich um die Räder der miefenden Mülltonnen und an den Fensterbrettern der Wohnungen über mir gurrten ein paar Tauben.

Kopfschüttelnd galoppierte ich die schmalen Stufen hinunter und landete direkt im Umkleideraum. Ich zog mir in der heruntergekommenen Kabine meine Sportsachen an, sperrte meine Tasche ins Schließfach, band meine Haare in einen Zopf und machte mich wachsam auf den Weg in die Halle.

Die inoffiziellen offiziellen Kämpfe, bei denen gewettet wurde, fanden nur einmal im Monat statt und heute war keiner dieser Tage. Heute befanden sich nur Männer in der Halle, die miteinander oder allein trainierten, ganz ohne Zuschauer.

Ich hatte die gesamte Lage analysiert, noch bevor ich den Raum wirklich betreten hatte und wusste sofort, woher meine intuitive Unruhe stammte. Es waren nicht viele Männer hier. Ein paar trainierten an den Boxsäcken, zwei stemmten Gewichte zwei Paare kämpften gegeneinander auf den Matten außerhalb des Rings und ein Paar kämpfte in dem Ring.

Und genau eine der beiden Personen in dem Ring war der Auslöser für meinen inneren Alarm.

Ich trat einen Schritt zurück und beobachtete ihn. Er war groß, blond, hatte ein kantiges Gesicht, einen durchtrainierten Körper und einen Blick, der vielleicht töten könnte. Knappe zehn Sekunden genügten mir und ich wusste, dass es nicht seine Muskeln waren, die ihn den Kampf gewinnen ließen, sondern seine erschreckende Kampftechnik.

Um seinen Hals trug er eine schwarze Lederkette mit einem schillernden, blauen Anhänger. Mir wurde schlecht. Ich erkannte Dämonenglas, wenn ich es sah. Es war eines der wenigen Dinge, die mich tatsächlich verletzen konnten. Onkel Aidan hatte Ace und mir schon früh gezeigt, wie Dämonenglas aussah und unsere Sinne darauf geschärft, zu spüren, wenn es in der Nähe war. Ich hatte das immer für lachhaft und unnötig empfunden, weil mir Dämonenglas außerhalb meiner Familie nie untergekommen war, aber in diesem Augenblick fand ich, dass ich meinem Onkel die Füße dafür hätte küssen müssen.

Und weil man Dämonenglas nicht beim Schmuckhändler seines Vertrauens kaufen konnte, wurde mir noch eine weitere Tatsache schlagartig bewusst.

Dieser Typ war ein Jäger.

Als hätte er bemerkt, dass ihn jemand anstarrte, trafen sich unsere Blicke.

Mein Magen verkrampfte sich und jede Zelle in meinem Körper wollte sich umdrehen und davonlaufen, aber ich verzog keine Miene und hielt seinem Blick stand. Er konzentrierte sich wieder auf sein Gegenüber und ich atmete durch.

Ich fragte mich, was ein Jäger hier zu suchen hatte. Das hier war kein typischer Ort, an den es einen mal ebenso verschlagen könnte. Diesen Ort fand man nur, wenn man nach ihm suchte.

Als sein Gegenüber nach zwei weiteren Schlägen auf dem Boden lag, sah der Jäger wieder zu mir.

Ich hatte noch nie auf einen Jäger getroffen. Ich wusste nur, dass sie mich tot sehen wollten. Nicht mich persönlich, aber meinesgleichen. Ace, Onkel Aidan und bestimmt auch meinen Cousin und meine Cousine...

Onkel Chase war ein Jäger gewesen, so, wie seine ganze Familie, aber obwohl Tante Bev sehr sporadisch davon erzählte, dass sie noch losen Kontakt zu Onkel Chase' Geschwistern hatte, hatte ich seine Familie nie kennengelernt und es auch nie für nötig erachtet.

Cold Blood (Band 5)Where stories live. Discover now