»Wie fühlst du dich?«, wollte der Psychiater neben mir wissen.
Ich schaute zu ihm rüber.

»Müde …«, beantwortete ich ihm diese Frage.
»Verständlich. Panikattacken sind anstrengend. Komm. Wir gehen wieder nach draußen. Für heute war das genug Konfrontation«, meinte er und verließ mit mir das Gebäude.

Tief atmete ich die frische Luft ein.

»Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Ja. Du hast eine Panikattacke bekommen, aber du hast dich beruhigt und warst dort ein paar Minuten drinnen ohne direkt wieder Panik zu bekommen«, lobte er mich und ich schaute auf den gepflasterten Weg vor mir.

»Ich hatte eine Panikattacke … Wieso lobt er mich dafür?«

Es wollte nicht in meinen Kopf reingehen. Egal wie oft ich bereits Lob erhalten haben, obwohl ich erst panisch geworden bin, ich verstand nicht, wieso sie mich lobten. Für mich bedeutete eine Panikattacke, ein Fehlschlag.

»Was schaust du so kritisch?«, bemerkte Damien meinen Gesichtsausdruck.

»Ich verstehe es nicht?«, murmelte ich.
»Was verstehst du nicht?«
»Wieso ich gelobt werde, obwohl ich Panik bekommen habe. Das ist in den letzten Wochen öfter vorgekommen und ich verstehe es nicht. Wenn ich eine Panikattacke bekomme ist das doch das, was nicht passieren soll. Auch wenn ich vorher oder nachher gut mitgemacht habe, zählt das für mich als Fehlschlag«, legte ich ihm mein Problem offen.

»Ich verstehe, was du mir sagen möchtest, allerdings musst du die Situationen aus einem etwas anderem Blickwinkel betrachten. Im Grunde genommen sind die Panikattacken das, was nicht gut ist, aber es kommt auch darauf an, ob du eine gewisse Zeit durchgehalten hast, ohne direkt Panik zu bekommen. Nehmen wir die Situation mit der Wache vorhin als Beispiel. Du bist in Panik verfallen, hast dich aber auf meine Versuche dich zu beruhigen, eingelassen und du hast es geschafft eine kurze Zeit ohne Panik da drinzustehen. Ja. Es war wenig Zeit, aber es ist ein Fortschritt. Es sind auch die kleinen Schritte, über die man sich freuen darf. Sei nicht zu hart mit dir selbst. Lass die Panikattacke nicht den Fortschritt überschatten, das führt nur zu Frustration.«

Während seines Monologes hatte er mich angesehen und ich hatte an einem Punkt meinen Blick gehoben und ihn angesehen.

Dann schaute ich an ihm vorbei und erinnerte mich an ein paar Situationen zurück, in denen ich davon überzeugt war das Lob nicht verdient zu haben.

Zum Beispiel die Pflasterwechsel mit Jules am Anfang.
Ich hab mich so hart zusammenreißen müssen, um das zu überstehen und als Jules das eine Mal mit Dienstkleidung da war, war es komplett um mich geschehen.

Trotzdem hat er mich gelobt.

Und jetzt kann ich ihn in meiner Nähe tolerieren, ohne Bauchschmerzen vor Angst zu bekommen.

»Also … ist es auch Fortschritt, dass ich mich in der Zeit, in der ich von Jules die Pflaster gewechselt bekommen habe, immer mehr an ihn gewöhnt habe und immer weniger Angst davor hatte?«, vergewisserte ich mich.
»Ja. Genau das meine ich«, bestätigte er.

Ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.

»Ich habe bereits Fortschritte gemacht. Ob ich das auch weiterhin schaffe?«

»Versuch dir das zu verinnerlichen. Wenn wir in Zukunft weiter daran arbeiten und du glaubst, dass du an einer Aufgabe nicht weiter kommst, erinnere dich daran, was du bereits geschafft hast. Okay?«

Nickend stimmte ich zu.

»Dann war’s das für heute. Wir sehen uns am Samstag um neun Uhr hier. Geht das?«, wollte er den nächsten Termin festlegen.

»Neun Uhr in der Früh? Hoffentlich schaffe ich es früh genug aus dem Bett zu kommen!«

»Okay«, stimmte ich zu.
»Dann komm gut nach Hause und Pass auf dich auf«, waren sehr Worte zur Verabschiedung.
Ich erwiderte die Verabschiedung mit einem einfachen »Tschüss«, woraufhin sich unsere Wege trennten. Damien ging in das Gebäude der Psychiatrie und ich machte mich auf den Weg zurück zum Auto.

In dieses stieg ich ein.

Mom warf mir einen kurzen Blick über den Rückspiegel zu.
Sie fragte nicht, wie es war. Wir fuhren einfach Richtung Zuhause.

Mir schwirrte das Bild von Maik, der auf der Treppe stand, in meinem Kopf herum.

»Ob er noch für Probleme sorgen wird? Marius hat mich sicher nicht umsonst vor ihm gewarnt.«

Gute Frage und leider keine Antwort.

Knapp zehn Minuten später parkte Mom das Auto in der Einfahrt.

Wir waren wieder zu Hause.

WKM - Angst vor ihnen Where stories live. Discover now