- Kapitel 12 -

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Lukes Sicht

Erst durch einen kurzen scharfen Schmerz kam ich wieder zu mir. Leicht öffnete ich die Augen, um mich zu orientieren. Die Welt drehte sich nicht mehr und ich konnte wieder den blauen Himmel sehe.

»Da bist du ja wieder«. Das Gesicht der Sanitäterin Lea kam in mein Sichtfeld. Sie schaute zu mir runter.

Was war noch gleich passiert?

»Ist dir noch schwindelig?«, wollte sie wissen. Verneinend schüttelte ich den Kopf. Lediglich schlecht war mir. »Weißt du, ob du Allergisch auf Novalgin bist?«. Novalgin. Das sagte mir was. »Glaub nicht«, nuschelte ich. »Die Schmerzen sollten gleich besser werden und dann versuchen wir deinen Arm zu schienen. Wenn das zu sehr weh tun sollte, mach unbedingt darauf aufmerksam. Wir wollen dir keinesfalls unnötig noch mehr Schmerzen zufügen«, meinte die blauäugige Sanitäterin zu mir.

Verwirrt schaute ich von ihr zu ihrem Kollegen rüber, der an einer Art Plastikflasche hantierte. An dieser verlief ein Plastikschlauch runter und in meine Richtung zu meiner Hand.

Moment ...

In mir machte es Klick. Das musste der Zugang sein. Das Ding worüber sie mir Medikamente geben konnten.

Ein alamierendes Geräusch war zu hören. Der Sanitäter namens Manuel, schaute auf den Monitor, der den Ton von sich gegeben hat. »Er ist wieder tachykard«. Die Info ging wohl an seine Kollegin. Diese schaute zu mir.

»Hast du irgendwas dabei, wo Nummern von deinen Eltern stehen? Oder kannst du sie vielleicht auswendig?«, fragte sie mich. Diese Frage musste ich verneinen. Ich konnte die Nummern nicht auswendig und mein Handy lag in meinem Zimmer.

»Warte Mal Lea. Hat er nicht vorhin gesagt, dass sein Nachname Zellner ist?«, kam es von Manuel. »Ja, hat er«, bestätigte sie.

Worauf wollte er hinaus?

»Jules heißt doch auch mit Nachnamen Zellner, oder vertue ich mich da gerade total?«. »Ne, da hast du recht«.

Die beiden schauten zu mir. »Hast du jemanden in deiner Familie mit dem Namen Jules?«, fragte Lea. »Mein Onkel ...«. »Ist der zufällig Arzt?«. Ich brummte zustimmend.

Inzwischen waren die Schmerzen etwas besser geworden.

Die beiden einigten sich darauf, dass Jules kontaktiert werden sollte, sobald wir in der Klinik waren.

Das kurze Gespräch zwischen den beiden hatte mir bestätigt, dass ich ins Krankenhaus musste.

Die Situation schien für mich aussichtslos. Zum Fliehen hatte ich keine Kraft. Die Schmerzen machten den Gedanken an eine Flucht noch aussichtsloser.

Kurz gesagt: Meine Chancen dem Krankenhaus zu entkommen waren bei null.

Die Erkenntnis trieb mir die Tränen in die Augen. Zurückhalten funktionierte nicht.

»Wieso weinst du? Sind die Schmerzen noch zu stark?«, war es die Sanitäterin, die fragte. Antworten tat ich nicht. Schluchzer begannen meinen Körper zu schütteln. Am liebsten hätte ich mich eingerollt.

Neben mir wurde was geredet, ich hörte nicht zu.

Wie lange ich dort lang und weinte, wusste ich nicht. Es musste einfach raus.
Dann wurde ich müder und meine wirbelnden Gedanken nahmen etwas ab. Die Tränen waren versiegt.
Das offen Halten meiner Augen wurde immer schwerer. Dagegen kämpfte ich an. Keinesfalls wollte ich einschlafen in der Gegenwart des Rettungsdienstes.

»Luke!«, hörte ich plötzlich jemanden meinen Namen rufen. Wenig später drängte sich Akiras Gesicht in mein Sichtfeld.

Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich ein weiteres Mal angefangen zu weinen. Ihre Anwesenheit erleichterte mich ungemein.

»Vorsichtig. Er ist verletzt«, machte der männliche Sanitäter Akira darauf aufmerksam. »Was ist passiert Luke?«, wollte sie von mir wissen. Ihre Augen schauten direkt in meine. Besorgnis strahlten sie aus.
»Gefallen ...«. Mehr brachte ich nicht heraus. »Tut es sehr weh?«. »Geht ...«.

»Luke?«. Jules Gesicht tauchte auf meiner rechten Seite auf. »Ich hab von den Kollegen schon gehört, was passiert sein soll. Sind die schmerzen schon weniger geworden?«. Leicht nickte ich. »Wir werden jetzt versuchen deinen Arm zu schienen. Wenn zu sehr weh tut, sag Bescheid«.

Wehren konnte ich mich nicht dagegen. Trotz der Angst vor den Schmerzen und wie es weiter ging.

Als ich Berührungen an dem verletzten Arm arm spürte, hätte ich diesen am liebsten weggezogen. Eine gute Idee war das nicht.

Leicht wurde er angehoben, was den Schmerz wieder verstärkte. Leise wimmerte ich auf. Zu mehr war ich nicht in der Lage.
Jemand drückte meine linke Hand.
Mein verletzter Arm wurde geschient und der Schmerz nahm wieder ab.

»Jetzt aber ab in den RTW. Er liegt hier mit Sicherheit schon ein wenig und bei der Hitze ist das nicht gut«, hörte ich Jules sagen.

»Luke. Die heben dich jetzt auf die Trage. Nicht erschrecken«, warnte Akira mich vor.

Vorsichtig wurde ich von dem harten Untergrund, die der Gehweg bot, aufgehoben und auf etwas Bequemeres gelegt. Wenig später setzte sich mein Untergrund in Bewegung und keine Minute später war ich aus der Sonne raus und im RTW.

Ein Ort, wo ich nie sein wollte.

»Akira. Du fährst bitte bei euren Eltern im Auto nach«, wandte Jules sich an meine Schwester. »Vergiss es«, widersprach sie. »Hier hinten ist kein Platz für dich«. »Ich werde Luke nicht alleine hier lassen! Er musste heute schon genug ertragen«. Jules seufzte. »Ich kann dir soweit entgegenkommen, dass du vorne mitfahren darfst. Mehr geht leider nicht«. Sie grummelte, schien nicht zufrieden. Ich war damit ebenso wenig zufrieden. »Sobald wir im Krankenhaus sind, kannst du wieder bei ihm sein«, meinte Jules. »Na gut ...«, gab Akira nach. Sie bemerkte wohl, dass das Diskutieren nichts brachte. »Manuel hilft dir nach vorne, so können deine Krücken hier hinten bleiben«. Kurz darauf war sie von meiner Seite verschwunden. Lea und Jules blieben bei mir.

Die Panik in mir schaffte es nicht an die Oberfläche. Stattdessen tobte sie sich in meinem Inneren aus. Ließ mich immer wieder diese Bilder von dem Ereignis sehen, wodurch die ganze Angst erst angefangen hat.

»Wir sind bei dir Luke. Du bist in guten Händen«, versuchte Jules mich zu beruhigen. Ohne wirklichen Effekt.

Irgendwann setzte sich der RTW in Bewegung. Es ging Richtung Krankenhaus. Einen Ort, wo ich nie wieder hin wollte.

Die Ankunft dort bekam ich gar nicht mehr mit, zuvor hatte ich den Kampf gegen die Müdigkeit verloren und war eingeschlafen.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt