- Kapitel 13 -

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Lukes Sicht

Mehrere Stimmen drängten sich in mein Bewusstsein, als ich langsam wieder wach wurde. Noch verstand ich kein Wort und konnte die Stimmen nicht zuordnen.

Neben den Stimmen spürte ich, dass jemand meine linke Hand hielt. Vorsichtig öffnete ich die Augen und wurde von hellem Licht geblendet. Leicht grummelte ich auf und schloss die Augen wieder.

Die Stimmen verstummten für einen Moment.

»Luke?«, sprach mich jemand an. Die Stimme ordnete ich Akira zu. »Bist du wach?«

Erneut versuchte ich die Augen zu öffnen und mich dieses Mal an das Licht zu gewöhnen. Akira tauchte vor mir auf. »Wie fühlst du dich?«, wollte sie wissen.
Ich wollte mich aufsetzen und aus Gewohnheit meinen rechten Arm zum Hochstemmen verwenden, allerdings konnte ich diesen überhaupt nicht bewegen. Von den Schmerzen, die das auslöste mal abgesehen.
Verwirrt schaute ich, was mit meinem Arm los war und sah, dass dieser bis zum Oberarm eingegipst war. Dann fiel mir wieder ein, was passiert war.

Akiras Unfall beim Training, mein Sturz beim Springen, der Rettungsdienst, der mich gefunden hat.

Schräg hinter mir gab etwas einen warnenden Ton von sich.

Das war wirklich kein Traum. Alles war wirklich passiert und ich lag wirklich im Krankenhaus.

»Hast du Schmerzen?«, fragte mich jemand anderes. Jules. Hinter ihm standen Mom, Dad und zwei Personen in weißen Kitteln.

Panisch wollte ich von der Liege springen, was von Akira verhindert wurde, die beide Arme um mich legte und mich da hielt, wo ich war. »Halt Stopp. Ich bin bei dir. Dir wird nichts passieren«, versicherte sie mir.

Meine Muskeln waren bis aufs äußerste angespannt. Anders konnte ich die Panik nicht kanalisieren, wenn ich nicht völlig unbedacht handeln wollte.

»Dir ist ja schon aufgefallen, dass dein rechter Arm ordentlich eingegipst ist. Das liegt daran, dass du dir beide Knochen im Unterarm gebrochen hast«, klärte Jules mich auf. »H-heilt das so wieder ab?«, wollte ich wissen. Niemand sagte was. Jules schaute etwas nachdenklich an mir vorbei. Dann gab er ein Seufzten von sich. Akiras Griff um mich verstärkte sich noch einmal. Das sagte mir, dass ich etwas zu hören bekommen sollte, was ich nicht hören wollte.

»Der Bruch, den du dir zugezogen hast, ist verschoben gewesen«, begann einer der Weißkittel zu sprechen. Er hatte sich neben Jules gestellt. »Zwar haben wir ihn gerichtet, sodass die Bruchenden wieder so liegen, wie sie sollen, aber es kann trotz Gips passieren, dass es sich wieder verschiebt. Aus diesem Grund muss das in einer Operation fixiert werden«, setzte er seine Erklärung fort.

Augenblicklich wurde mir eiskalt.

Eine Operation? Nein! Nicht mit mir.

Hektisch schüttelte ich den Kopf. Aufspringen und wegrennen, wie es die Kurzschlussaktion von mir wollte, funktionierte wegen Akira nicht.

»Wenn sich die Bruchenden wieder verschieben, kann es passieren, dass Nerven, Sehnen, oder Blutgefäße verletzt werden. Das wollen wir nicht und das willst du auch nicht. Hab ich recht?«, erklärte mir der Arzt, auf dessen Namensschild Dr. Med. Levin Kühnert stand. Sagen tat ich nichts. Immer und immer wieder flog mir dieses eine Wort durch den Kopf: Operation.

Wie erstarrt schaute ich auf meine Beine.

»Da es Wochenende ist und dein Fall kein Notfall ist, wird die OP am Montagmorgen durchgeführt. Bis da darfst du wieder nachhause«, gab er mir den Tag bekannt, an dem ich operiert werden sollte.

Montag. Das waren zwei Tage bis da.
Immerhin durfte ich nach Hause. Das erleichterte mich etwas.

»Mit deinen Eltern ist bereits alles besprochen. Willst du auch erklärt bekommen, was in der OP gemacht wird?«, fragte er. Verneinend schüttelte ich den Kopf. Wenn ich wüsste, was auf mich wartete, hatte meine Panik noch mehr worauf sie aufbauen konnte.
»Okay. Deine Werte sind gut, bis auf die Herzfrequenz, aber das liegt an der Aufregung bei dir. Jules wird dich jetzt von den Kabeln befreien und dann darfst du gehen. Wir sehen uns am Montag«. Er lächelte mich an. Erwidern tat ich es nicht, sondern senkte meinen Blick wieder.

Schritte entfernten sich.
Wie angekündigt befreite Jules mich von den Kabeln. Auch der Zugang wurde mir gezogen.

»Versuch Mal vorsichtig aufzustehen«, forderte Jules mich auf. Akira ließ mich los, ich rutschte an den Rand der Liege und setzte beide Füße auf den Boden. Kein Schwindel. Lediglich kurz nach dem Aufstehen wurde mir etwas schummerig.

»Gehts?«, kam es fragend von Akira, worauf ich nickte.

Unser Grüppchen machte sich gemeinsam auf den Weg zum Auto. Akira, ich und Jules stiegen hinten ein, Mom und Dad vorne.

Auf der gesamten Fahrt nach Hause sagte ich kein Wort.

Zu Hause angekommen verzog ich mich direkt aufs Zimmer und ließ mich auf meinem Bett nieder. Das Kopfkissen zog ich an mich und versenkte dort mein Gesicht.

Zum wiederholten Mal an diesem Tag liefen die Tränen.
Die Angst vor Montag war enorm.

»Wieso war ich auch so dumm und hab trainiert, obwohl ich wissen sollte, dass ich dafür einen freien Kopf brauche? Maaaaaan! Ich bin dumm, blöd und total bescheuert!«, fluchte ich und boxte mit meiner linken Hand in das Kissen.

Vertieft in meinem Loch aus Angst, Wut und Panik, bekam ich kaum mit, das jemand in mein Zimmer kam und sich zu mir legte.

Die andere Person bemerkte ich erst, als meine Gedanken sich etwas beruhigten. Sie gab mir Sicherheit, wie bereits häufiger in der Vergangenheit, wenn es mir nicht gut ging oder ich Angst vor etwas hatte. Akira war und ist mein Fels in der Brandung.
Es bedarf keiner Worte von ihr, sondern nur ihre Anwesenheit.

Still lagen wir da. Bewegten uns kaum.

Erst nach dem Ruf zum Abendessen kam wieder leben in uns und wir setzen uns auf. Sie schaute mich an.

»Hast du noch Schmerzen?«, fragte sie leise. »Bisschen«, war meine Antwort, worauf sie nickte und wir nach unten ins Esszimmer gingen.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt