- Kapitel 2 -

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Lukes Sicht

Das Klopfen an meiner Tür holte mich aus meinen Gedanken. Ich hörte wie die Tür sich öffnete. Ab da wusste ich, wer reingekommen war. Eine einzige Person hatte die Erlaubnis ohne meine Einwilligung in mein Zimmer zu kommen. Akira.

»Schläfst du?«, wurde ich leise gefragt. Als Antwort hob ich die Hand und zeigte einen Daumen nach unten.

Schritte näherten sich, dann senkte sich eine Seite meiner Matratze ab.
»Was hast du ausgeräumt?«. »Meine Winterklamotten«, murmelte ich.
»Ich hab übrigens wieder rausgefunden wie unser Onkel heißt«, sagte sie. »Jules. Erinnerst du dich noch an ihn?«.

Jules.

Mit einem Mal waren die Erinnerungen an ihn wieder da. Ruckartig setzte ich mich auf. Mein Puls hatte etwas an fahrt aufgenommen. »Notarzt. Deswegen hab ich in seiner Gegenwart dieses komische Gefühl«, teilte ich meine Erkenntnis. »Ja. Und seine Freundin ist Notfallsanitäterin. Sie arbeiten auf derselben Wache«, berichtet Akira die weiteren Informationen. »Na herrlich«, grummelte ich ironisch vor mich hin.

Akira legte mir eine Hand auf die Schulter. »Die tun dir nichts. Solange kein Notfall vorliegt werde ich sie von dir fernhalten«, versuchte Akira mir etwas Sicherheit zu geben. Leicht nickte ich und lehnte mich an sie.

Dieses Gespräch war vorerst beendet. Wir saßen schweigend auf meinem Bett und entspannten uns. Akira gelang das deutlich einfacher als mir.

»Wie spät ist es?«, fragte ich sie irgendwann. Sie schaute auf ihre Uhr am Handgelenk. »16:43 Uhr«. »Hab gedacht es ist schon später«. »Ich auch«. »Was machen wir denn den restlichen Tag? Ich meine ... Es gibt genug zu tun, aber ohne aufgebaute Möbel wird das Auspacken der Kartons schwierig«, meinte ich. »Da hast du recht. Leider habe ich keine Ahnung, wann unsere Möbel mit aufbauen dran sind. Unten wird gerade an der Küche gearbeitet«. Mir entkam ein Seufzen.

»Lass uns doch einfach was aufm Handy spielen«, schlug meine Zwillingsschwester vor. »Und was?«, wollte ich wissen. Sie nahm ihr Handy in die Hand und startete ein Spiel. Schiffe versenken. Eigentlich das Spiel, mit dem wir entscheiden, wer ungeliebte Haushaltsaufgaben übernimmt. »Ohne Einsatz?«. »Ja. Außer wir spielen darum, wer den ersten vollen Geschirrspüler ausräumt«, war ihr Vorschlag, den sie mir grinsend stellte. »Nah. Lass uns einfach zum Spaß spielen«, meinte ich und startete das Spiel auf meinem Handy. »Okay«. Damit war es entschieden und wir waren damit beschäftigt, die virtuellen Schiffe der jeweils anderen Person zu versenken.

Die Zeit verging, wir spielten Runde um Runde. Mal gewann ich, Mal Akira.

Das Klopfen der Tür riss uns aus unserer Konzentration.
»Ja?«, fragte Akira Richtung Tür. Langsam öffnete sich die Tür und Dad schaute rein. »Ich wollte fragen, was ihr zu essen haben wollt. Wir bestellen heute, weil wir zum Kochen noch nichts im Haus haben«, schilderte er sein Anliegen. »Hast du eine Karte, wo wir schauen können?«, wollte Akira wissen. »Klar«, antwortete er, kam zu uns ans Bett und gab Akira die Karte.

Zusammen schauten wir rein.

»Pizza, Schnitzel, Pasta, ... So viel Auswahl...«, dachte ich beim Überfliegen der Essensauswahl. Um meine Auswahl etwas einzugrenzen, beschränkte ich mich auf die Pizza Auswahl. Ich hatte Lust auf Pizza. »Ich nehme eine mittlere Salami Schinken Pizza«, teilte ich Dad meine Entscheidung mit. »Und ich nehme die normale Tunfisch-Pizza«, kam kurz nach meiner Akiras Entscheidung. Das nickte und nahm die Karte wieder entgegen. »Ich hole euch, wenn das Essen da ist«. »Sind Jules und Lauren noch da?«, fragte Akira ohne vorherigen Kontext dazu. »Ja. Die beiden bleiben bis nach dem Abendessen«.

Scheiße. Das bedeutete ich musste mit denen an einem Tisch sitzen. Ein kalter Schauer durchfuhr meinen Körper.

Nickend nahm Akira das zur Kenntnis und Dad verließ das Zimmer.

Mein Blick verharrte auf der Matratze. »Deine Gesichtsfarbe ist vergleichbar mit dem weiß der Matratze«, meinte meine Zwillingsschwester mit leicht gerunzelter Stirn. Hatte mir diese Nachricht so viel Farbe aus dem Gesicht gezogen?

»Ich bin bei dir. Keine Sorgen«. Sie zog mich in ihre Arme. Das beruhigte mich etwas.
Um mich mehr davon abzulenken, setzten wir unsere Partie Schiffe versenken fort.

Ungefähr eine halbe Stunde später wurden wir zum Essen geholt. Auf dem Weg nach unten wurde mir plötzlich eiskalt und ich konnte jeden Schlag meines Herzens deutlich in meiner Brust spüren. Akira lief vor mir. Aus dem Esszimmer könnte man bereits Stimmen vernehmen. Ebenso vereinzeltes quietschen der Styroporverpackungen des Essens.

Im Esszimmer stand bereits der Tisch. Ich setzte mich auf einen leeren Stuhl. Akira auf den neben mir. Gegenüber von mir saß Mom. Schräg zu meiner rechten die Freundin von Jules. Lauren.

Dad war noch dabei das Essen zu verteilen. Bis jeder sein Essen hatte, wurde gewartet.
In dieser Zeit musste ich bereits zwei Mal meine schweißnassen Hände an meiner Hose abwischen.

»Dann haben alle, was sie bestellt haben. Guten Appetit«, meinte Dad. Jeder am Tisch erwiderte das »Guten Appetit«, wobei ich es am leistesten sagte.

Während des Essens vermied ich den Blickkontakt mit Jules und Lauren. Ich konzentrierte mich vollkommen aufs Essen und darauf, dass ich mich nicht auffällig verhielt. Dabei war das Unterdrücken des Zitterns in meinen Händen eines der schwierigsten Sachen. Ein Vorteil für mich war, dass die Erwachsenen in Gespräche vertieft waren und niemand mir Beachtung schenkte.

Von meiner Pizza schaffte ich die Hälfte. Mehr bekam ich nicht runter. Aufgrund der Angst in mir hatte sich mein Magen gefühlt verkleinert. Normalerweise schaffte ich eine mittlere Pizza ohne Probleme.

Still saß ich nichts tuend am Tisch. Wartete darauf, dass der Rest zum Ende kam. Unruhig knibbelte ich unter dem Tisch an meinen Fingernägeln.

»Luke, gehts dir gut?«, wurde ich plötzlich gefragt. Erschrocken hob ich meinen Blick. Jules schaute mich an. »Du bist bisschen blass im Gesicht«. »Mir geht's gut«, versuchte ich ihn abzuwimmeln. Jules wollte wieder zum Reden ansetzen. Akira ging dazwischen: »Lass ihn in Ruhe«. Ihr Blick traff auf Jules. »Ich wollte nur sicher gehen, dass bei ihm alles okay ist«, rechtfertigte er. »Hast ja deine Antwort bekommen«, meinte sie darauf. »Akira. Ist gut jetzt«, ermahnte Mom meinen Zwilling. Akira ignorierte es und aß weiter.

Unbewusst hab ich mich in meinem Stuhl etwas runter sinken lassen.

Nach gefühlt einer Ewigkeit war jeder fertig und Mom begann den Tisch abzuräumen.

Das war der Zeitpunkt für mich wieder nach oben zu gehen. In mein Zimmer. Mein sicherer Hafen.

Geräuschvoll ausatmen ließ ich mich auf mein Bett fallen. Es war immer noch nicht bezogen. Das musste ich immer noch erledigen.

Unmotiviert stand ich wieder auf und suchte in dem Chaos meine Bettwäsche. Die fand ich auch und ich machte mich an die Arbeit mein Bett zu beziehen. Das nahm ein paar Minuten in Anspruch. Am Ende konnte ich mich auf ein bezogenes Bett fallen lassen. Bevor ich es merkte, döste ich ein.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt