- Kapitel 1 -

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Lukes Sicht

Autos, Bäume, Häuser und Straßen zogen an uns vorbei.

Den Kopf hatte ich gegen meinen Arm gelehnt, der als Polster zwischen Fenster und meinem Kopf diente.

Das gelbe Ortseingangsschild mit der Aufschrift Münster hatten wir bereits hinter uns gelassen.

Immer und immer mehr verwandelte sich die zuvor ländliche Landschaft in eine Stadt.
Die Autobahn endete und wir fädelten uns in den Stadtverkehr ein.
Es ging durch die Innenstadt weiter, bis wir im richtigen Viertel ankamen.

Dad stellte das Auto in der freien Einfahrt ab. Ein weiteres Auto stand am Haus, das nicht uns gehörte.

»Da wären wir«, verkündete Dad und stieg mit Mom aus. Akira und ich taten es ihnen gleich. Mein Blick fixierte das Haus. Unser neues Zuhause. Die Fassade bestand aus Backstein, so wie die meisten Häuser in der Straße.

»Komisches Gefühl, oder?«, fragte Akira neben mir. Zustimmend brummte ich.
Wir folgten Mom und Dad nach drinnen.
Im Hausflur war es noch sehr kahl. Weiße Wände, hellbrauner Laminatboden.
Ich zog die Schuhe aus und stellte sie an den Rand.

»Na. Auch mal da?«, ertönte eine Stimme am anderen Ende des Flurs. »Ja. Es gab ein bisschen Stau. Das hat unser Ankommen etwas verzögert«, erklärte Mom. Mein Blick hob sich und wanderte zu Mom rüber, die jemanden umarmte.
»Danke nochmal für eure Hilfe«, bedankte sie sich bei der Person. »Ist doch klar. Euch helfe ich immer«, entgegnete die Person darauf.

Das Gesicht kam mir bekannt vor. Ein dazugehöriger Name wollte mir nicht einfallen.

»Weißt du, wer das ist?«, fragte ich flüsternd Akira. »Ich glaube Moms großer Bruder, also unser Onkel«, flüsterte sie mir ihre Antwort.
In meinem Kopf arbeitete es. Das innere Archiv wurde durchsucht, nach allen möglichen Infos zu dieser Person. Das Einzige, was diese Person bei mir auslöste, war ein Gefühl von Skepsis. Aber wieso?

Plötzlich traf mein Blick auf seinen. Hastig stand ich vom Boden auf und versuchte mein Gestarre zu vertuschen.

»Hey ihr beiden. Lange nicht gesehen«, grüßte er uns. »Hi«, erwiderte Akira und hob leicht die Hand. Ich sagte nichts. In meinem Hirn ratterte es immer noch.
»Wie geht es euch?«. »Gut soweit. Dir?«. Akira ließ sich auf den Smalltalk ein.

Irgendwas in meinem Kopf sagte mir, dass ich mich von ihm fernhalten sollte. Ohne triftigen Grund ergab es für mich keinen Sinn. Doch wieso sonst sollte ich so ein komisches Gefühl gehabt haben?

»Und bei dir, Luke? Bei dir auch alles klar?«, wandte er sich mir zu. »Alles gut«, war meine kurze Antwort. Nickend gab er sich damit zufrieden und ließ uns wieder in Frieden. »Lauren kümmert sich gerade um Kaffee. Den können wir wohl gebrauchen«. Mit den Worten verschwand Moms Bruder mit unseren Eltern in einem der Räume.

»Komm. Wir schauen uns erstmal oben um«, schlug Akira vor. Nickend folgte ich ihr die Stufen hoch. Oben gelangten wir in den nächsten Flur. Dort gingen pro Seite zwei Zimmer ab. Und am Ende des Ganges war noch eine Tür.

Wir bogen in die erste Tür links ein. Schlafzimmer. Nur das Bett stand, der Rest der Möbel lag in Einzelteilen am Rand und dazwischen standen ein paar Kartons.

»Was glaubst du, mein Zimmer oder dein Zimmer?«, stellte Akira mir die Frage. »Keine Ahnung. Anhand des Bettes lässt sich das nicht wirklich erschließen«, meinte ich und ging zu einem der Kartons und warf einen Blick hinein. Bücher. »Laut des Inhalts dieses Kartons ist es wohl dein Zimmer«. Sie schaute mit in den Karton. »Stimmt«, bestätigte sie.

Mit demselben Vorgehen erkundeten wir die anderen Zimmer. Darunter mein Zimmer, ein Gästezimmer, das Elternschlafzimmer und das Bad am Ende des Ganges.

Unten ging es weiter. Gästetoilette unmittelbar am Eingang. Küche, Esszimmer, Arbeitszimmer und zu guter Letzt das Wohnzimmer, in dem es sich die Erwachsenen bequem gemacht hatten.

Irgendwie wirkte der Raum komisch, wenn nur das Sofa stand und der TV irgendwo nicht angeschlossen in der Ecke stand.

»Habt ihr euch schon umgeschaut?«, kam die Frage von Dad. »Soweit ja. Sieht gut aus. Nur noch etwas kahl und durcheinander«, antwortete Akira. Ich stand, wie so oft, stumm daneben und ließ sie reden. »Das gibt sich mit den nächsten Tagen«. Akira nickte.

Mein Blick fiel auf eine mir komplett unbekannte Person in der Runde der Erwachsenen. Eine Frau, nicht viel älter als Mom, die neben Moms Bruder saß. »Ist das diese Lauren, von der unser Onkel eben kurz geredet hat?«.
Sein Name wollte mir immer noch nicht einfallen, obwohl ich mir sicher war, dass ich ihn kannte.

»Ihr kennt Lauren noch gar nicht. Hab ich recht? Sie ist meine Freundin«, war es Moms Bruder, der die Frau vorstellte. Immerhin ihren Namen wusste ich somit sicher.

»Wollt ihr euch dazu setzen oder habt ihr andere Pläne?«, erfragte Mom. »Ich gehe schauen, was ich in meinem Zimmer machen kann«, entschied ich mich. »Viel Spaß dabei«, kam es von Dad und ich verschwand nach oben in mein Zimmer.

Einmal atmete ich durch. Versuchte das komische, etwas beklemmende Gefühl in meiner Brust loszuwerden.

»Wahrscheinlich reime ich mir wieder was zusammen und mache mir unnötig Gedanken. Ich sollte meine Energie besser dafür verwenden, mein Zimmer etwas auf Vordermann zu bringen. Zumindest so weit ich das alleine schaffe«

Gedacht getan. Ran an die Kartons. Viel aufgebauter Stauraum stand mir noch nicht zur Verfügung. Einzig und allein die Schubladen meines Bettes könnte ich bereits belegen.

Eine der beiden Taschen, in denen meine Anziehsachen waren, zog ich zu mir. Ich warf einen Blick rein und fand meine Winterklamotten vor. Perfekt. Die fanden ihren Platz direkt in der ersten Schublade.
Ein Teil nach dem anderen wanderte aus der Tasche raus und in die Schublade.

Wie lange ich dafür brauchte, war mir unklar. Eine Uhr hatte ich noch nicht und auf mein Handy geschaut hatte ich bereits eine Weile nicht mehr.
Eine gefühlte Ewigkeit später war es geschafft und ich ließ mich auf dem noch unbezogenen Bett nieder. Die Augen hatte ich geschlossen.

»Es ist noch einiges zu tun bevor dieses Zimmer wirklich wohnlich aussieht«, ging es mir durch den Kopf.

Zum Glück waren noch Sommerferien. Es blieb also noch genug Zeit, bevor die Schule wieder anfing.

Die Schule .... Eine neue Schule mit neuen Mitschülern. Das war auch etwas, worum ich mir ein Gedanken machte. Doch noch war es eine Weile hin. Zu aller erst sollte der Umzug komplett erledigt werden.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt