Kapitel 3

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POV: MARIAN

Langsam wird es immer ernster, schon bald werden wir mit den Übungen zum Gauntlet beginnen. Bisher habe ich mich eigentlich recht gut geschlagen, zumindest wenn man meine akademischen Leistungen verdrängt. Aus akademischer Sicht bin ich nicht zu gebrauchen, jedenfalls sagen mir das die Lehrer.

Heute ist wieder Sparring angesagt und vielleicht ist heute der Tag gekommen an dem ich Sawyer mit meinen Taktiken beeindrucken kann. Zwar gewinne ich nicht jeden Kampf, aber im Gegensatz zu anderen aus meiner Staffel – insbesondere Orenga aus Sau - bin ich echt Klasse. Tschuldigung Sa-Uh, oder so. Jedenfalls, ist heute sicher der Tag gekommen an dem ich Sawyer die Kinnlade mit meiner Bomb Ass Performance herunterreißen und in den Bann ziehen werde. Es warten nur noch wenige ruhige Minuten auf ihn, bevor der mir vollständig verfallen wird.

Ich stehe bereits in der Nähe unserer Matte und betrachte Orengas schlappen Körper, der von zwei mir unbekannten Kadetten mitgenommen und zur Krankenstation gebracht wird. Die Silberhaarige erhebt sich von der eben noch erschlafften Orenga beanspruchten Matte und steckt sich einen ihrer mittlerweile vielen Dolche in die Halterung an ihrem Bein. Sie marschiert von der Matte hinunter, als wäre dies nicht der kürzeste Kampf unserer Geschichte gewesen und gesellt sich zu ihren Freunden, darunter auch Sawyer.

Professor Emetterio sieht auf sein zerknittertes Blatt. ,,Marian und Moruka auf die Matte", spricht er in neutralem Ton und sieht zu uns beiden hinüber. Moruka beachtet ihn gar nicht, sondern funkelt mir böse zu und ballt die Fäuste. Ihre Nasenflügel blähen sich krankhaft auf, während sie in großen bedrohlichen Schritten auf die Matte stolziert. Körperlich scheint sie mir überlegen zu sein. Ihre Statur gleicht einem Zuchthengst, markante Muskeln, breites Kreuz und bedrohliche Stärke. Ihr völlig übertreibender Hass mir gegenüber, der sich in den letzten Wochen aus mir unerklärlichen Gründen noch weiter verhärtete hatte, scheint meine Karten weiterhin deutlich zu schwächen. Doch ich wäre nicht Marian Hoodehn, wenn ich nicht mit ihr fertig werden würde. Ich imitiere ihren finsteren Blick und folge ihr auf die Matte, die Fäuste bereits nach vorne genommen und gehen in Position.

,,Das ist dein Ende, Hoodehn", stammelt Moruka und ich kann sehen wie sich Schaum aus ihren Mundwinkeln hervorpresst. ,,Träum weiter", ist das einzige was ich hervorbringe, bevor das Biest auf mich zugehastet kommt und ich mit einer flinken Bewegung ausweiche. Moruka mag mir vielleicht Körperlich überlegen sein, doch ich verwette meine morgendlichen Apfelstücke darauf, dass sie nur halb so schnell ist wie ich.

Mit einer gekonnten Drehung um die eigene Achse und einem erstklassischem Hüpfer weiche ich auch ihrem zweitem Schlag aus. Ich schlittere auf die Matte zu und wirbele meine Beine im Halbkreis, wobei ich Moruka zu Boden reiße. Ihr entweicht ein dumpfer Schrei, der ihrem Aufprall sehr ähnlich kommt. Ihr massiver Köper gräbt sich in die Matte hinein und setzt sie für einige Sekunden lahm. Doch sie erhebt sich wieder und zieht einen ihrer zwei Dolche und kommt auf mich zu. Mit einer Hand am Boden schleudere ich mich herum und treffe sie mit meinem rechten Fuß im Gesicht. Ihr Dolch fliegt ihr aus der Hand und sticht direkt neben mir in die Matte ein. Moruka ist bewusstlos. ,,Thorsten, Trilas, bringt sie zur Krankenstation", höre ich Emetterio rufen, doch ich habe nur Augen für Sawyer, der mir keine Sekunde zu gesehen haben muss, denn weder seine Kinnlade hängt ihm zu Boden, noch scheint er von mir besessen zu sein. Ich erhebe mich stolz, ziehe dabei den Dolch aus der Matte, schiebe ihn mir zwischen die Brüste und stelle mich zurück zu meiner Staffel. ,,Wer kann der kann", lobe ich mich selbst und fahre mir über die Schulter. 

POV: ORENGA

Mein Plan ging nicht auf. Letzte Woche wollte ich beim Sparring jedem zeigen, wie sehr das poppige Feuer in mir loderte, aber alles woran ich mich erinnern kann, sind die silbernen Haare des kleinen Mädchens vor mir. Danach wurde alles schwarz. Ich hatte am Anfang geglaubt, dass ich gegen dieses zierliche Mädchen 100 Prozent ankommen würde, aber dann...

Nicht schlimm, Orenga! Diese Woche kannst du es allen beweisen. Außerdem sind diese Woche die Kadetten aus dem dritten Jahr auch beim Sparring dabei. Ich würde Xaden wieder sehen. Verträumt sah ich in die Ferne und bemerkte gar nicht, wie die anderen erneut über mich sprachen.

„Ich habe sie am ersten Tag schon kennengelernt. Beim Viadukt. Die ist behindert, das kann ich euch verraten", flüsterte Quinn zu einem Mädchen mit pinken Haaren namens Imogen.

„Quinn hat recht", entgegnete ein Junge, dessen Name mir immer noch unbekannt war.

Mein Kopf arbeitete auf Hochtouren. Wie konnte ich poppiger werden? Wie nur? Wie?

„Orenga, du bist dran. Ab auf die Matte mit dir", ertönte die Stimme von Emetterio.

Mit geradem Rücken und erhobenem Kopf stand ich auf und sah ihm direkt in die Augen.

„Ich möchte meinen Gegner selbst aussuchen." Das war der Plan des Jahrhunderts. So würde jeder von mir überzeugt sein. Schwärmerisch schaute ich vor mich hin.

„Nein!", antwortet Emetterio. Ich lächelte ihn an.

„Vielen Dank. Ich wähle Garrick." Der beste Freund von Xaden. So würde er auf mich aufmerksam. So würde ich poppig sein. Ich kicherte wieder los und sah nicht, wie der Emetterio mich entgeisterte ansah.

„Ich habe gesagt nein!" Mein Lachen blieb mir in der Kehle stecken. Nein? Ich durfte nicht gegen Garrick kämpfen. Traurig sah ich zu Garrick rüber. Er blickte mir fassungslos entgegen, so als würde er einen Clown vor sich haben, aber meine Gedanken kreisten so wild, dass ich nichts wahrnahm.

„Thorsten, nimm sie mit auf die Matte. Das dürfte nicht allzu lange dauern", gab Emetterio seufzend von sich. Ich sollte gegen Thorsten kämpfen?

„Jetzt gibt es Rache", entgegnete er mit einem bösen Lächeln. Er rannte brüllend auf mich zu und ich duckte mich schnell weg. Verwirrt boxte er in die Luft und bemerkte, dass ich hinter ihm stand. Zaghaft trat ich ihm in den Hintern und er fiel mit dem Kopf voran auf die Matte. Plötzlich wurde es ganz ruhig. Alle sahen zu dem regungslosen Thorsten. Die Stille zog sich und keiner konnte es fassen, dass ich gewonnen hatte. Ein lautes Klatschen ertönte durch die ganze Halle. Xaden kam klatschend zu mir.

„Das war ziemlich wild", sagte er ehrfürchtig. Wild? Er fand mich wild? Nicht Poppig? Sofort traten mir Tränen in die Augen. Ich hätte einfach gegen Garrick kämpfen sollen! Dann hätte er gesehen, wie poppig ich wäre.

Die anderen sahen mich immer noch fassungslos an.

„Garrick!", rief ich aus dem nichts und ging zu ihm. Ich packte ihn am Kragen und sah ihn flehend an.

„Wir müssen kämpfen Garrick!", heulte ich.

„Ich muss gar nichts du verrückte Sau!" Die Tränen liefen mir übers Gesicht.

„Sa-uh. Ich komme aus Sa-uh!" Garrick sah hilfesuchen zum Professor.

„Marian, wie wäre es, wenn du Orenga hinaus an die frische Luft begleitest?", versuchte Emetterio einzugreifen.

„Alles klar, Prof. Dann zeige ich ihnen meine Moves nachher. Habe mir neue ausgedacht seit letzter Woche."

„Ja, darauf freuen wir uns schon, Marian", antwortete Emetterio gelangweilt und erschöpft.

„Na komm, du Hintern versohlende Orenga aus Sau!"

„P-p-p-poppig. S-s-s-a-uh", schluchzte ich leise, wobei mir die Spucke aus dem Mund flog als ich mehrmals den Buchstaben P stotterte.

„Ja, ja, alles gut. Lass es raus."

Fourth Wing: Marian und OrengaWhere stories live. Discover now