Weihnachten 2000

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25. Dezember 2000 - Detroit

„Und glaubst du er freut sich?", flüsterte ich Proof zu, der genauso grinste, wie ich, und nur meinte: „Klar, ich mein wer würd sich da nicht drüber freuen?" 

Es war Weihnachten und inzwischen hatten wir schon alle Geschenke ausgepackt, aber Proof und ich hatten noch ein letztes Geschenk für Marshall gehabt, der jetzt kritisch die beiden Poster musterte, die wir ihm geschenkt hatten. „Wow, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, ich mein ich wollte schon immer ein Poster von Britney Spears und Christina Aguilera.", sagte er und bemühte sich ernst zu bleiben, aber einige Augenblicke brachen wir alle in Gelächter aus.

„Soll das ne Anspielung auf die MTV Awards sein, wo Marshall  gesagt hat, dass er den Award zwischen seine Britney Spears und Christina Aguilera Poster stellt?", fragte Kim neugierig. „Ja, eigentlich wollte ich's ihm ja schon zum Geburtstag schenken, aber da musste ich ja arbeiten.", ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln, es war nicht übertrieben, dass ich die letzten Monate beinahe ausnahmslos in der Arbeit verbracht hatte.

Dann schaute ich wieder zu Kim. Wirklich freuen sie zu sehen, tat ich mich nicht, aber ich konnte es ihr kaum verübeln, dass sie Weihnachten mit ihrer Tochter Hailie feiern wollte, über die Marshall inzwischen quasi alleine das Sorgerecht hatte und die auch noch heute Geburtstag hatte. 

Marshalls jüngerer Bruder Nathan war ebenfalls heute da  und ich hatte auch Hailies Cousine Alaina kennengelernt, die zwei Jahre älter war und die inzwischen immer mehr Zeit hier bei ihrem Onkel Marshall verbrachte, weil ihre Eltern schon seit Jahren ein Alkoholproblem hatten und sich immer schlechter um ihre Tochter kümmern konnten.

Und tatsächlich verlief Weihnachten  friedlich und ohne Familiendrama, was bei der Familie Mathers echt schon an ein Wunder grenzte. Kim ging am Abend wieder nach Hause und der Rest von uns würde noch mindestens bis Silvester hierbleiben, um gemeinsam ins neue Jahr zu starten. 

Am nächsten Tag frühstückten wir also alle gemeinsam und jeder erzählte einfach aus seinem Leben: „Hast du eigentlich schon mitbekommen, dass die ganzen Häuser in der Runyon Street noch diesen Winter abgerissen werden?", fragte Marshall mich plötzlich. Überrascht sah ich ihn an: „Ne, wusste ich nicht." „Hätte dir die Stadt nicht eigentlich Bescheid geben müssen, immerhin gehört das Haus von deinem Onkel, dass auch betroffen ist, ja jetzt dir.", mischte sich Proof in das Gespräch ein. „Ja eigentlich schon, aber die hatten wahrscheinlich weder meine Adresse noch meine Telefonnummer und mal ganz ehrlich, die Verwaltung von Detroit hat sich noch nie besonders sorgfältig um so was gekümmert. Vor allem dann nicht, wenn es um die direkte Nachbarschaft zur 8 Mile geht."

„Willst du noch irgendwas aus dem Haus holen? Wenn ja, könnt ich heute Nachmittag mit dir hinfahren.", bot Marshall an. Ich überlegte kurz, eigentlich hatte ich nicht wirklich Lust nochmal zu diesem trostlosen Ort zu fahren, an dem mein Onkel und mein Cousin  vor inzwischen zehn Jahren ermordet wurden, aber ich wollte zumindest noch ein paar Erinnerungen vor der Entsorgung retten. 

Und so stieg ich am frühen Nachmittag gemeinsam mit Marshall ins Auto und wir fuhren in Richtung 8 Mile Road. Gespannt schaute ich aus dem Fenster, es war inzwischen schon mehr als zehn Jahre her, dass ich diese Gegend Detroits gesehen hatte. Ich hatte es nicht wirklich vermisst. Ziemlich schnell erreichten wir die  Runyon Street und das Haus, indem ich jahrelang mit meinem Onkel und meinem Cousin gelebt hatte.

Das Haus war in einem noch schlechteren Zustand, wie damals im Sommer 1999 als ich es nochmal besucht hatte. Graffiti zierte inzwischen die gesamte Fassade und man hatte wohl mehrmals versucht die Türe einzutreten, war aber anscheinend immer daran gescheitert. 

You're Never Over - Eminem StoryTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon