Und die nächste Stadt

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12. September 1999 - Detroit
Gestern warn wir aus New York zurückgekommen und sobald wir die Haustüre aufgemacht hatten, war Hailie uns entgegengekommen und hatte ihren Dad begrüßt. Sie hatte ihn so vermisst und tatsächlich hatten sich Marshall und Kim zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder verstanden. Offenbar tat es ihnen ganz gut sich mal fünf Tage lang nicht zu sehnen.

Ich hatte gestern Abend noch mit Milena telefoniert, die immer noch bei ihren Eltern in Deutschland war und hatte dabei einiges erfahren. Bei unserem letzten Treffen hatte sie mir noch erzählt, dass sie selber   ihren ehemaligen Job gekündigt hatte, doch das stellte sich jetzt als Lüge heraus. Sie war, genau wie ich, gekündigt worden und war jetzt komplett pleite.

Unter Tränen hatte sie mir erzählt, dass sie vorerst in Deutschland bleiben würde, um da im Laden ihres Vaters mitzuhelfen.
Also musste ich meinen Plan ohne sie in die Tat umsetzen, denn in New York, zwischen all den Bürogebäuden und den reichen Geschäftsleuten, war mir klar geworden, dass das eigentlich meine Welt war. Ich genoss die Zeit hier in Detroit mit meinen ganzen alten Freunden und wollte auch weiterhin regelmäßig hier sein, aber ich wollte wieder einen Job. Und zwar nicht irgendeinen unterbezahlten Job hier in Detroit, sondern wieder etwas im Marketing oder im Vertrieb.

Die Stadt war klar. New York war zu groß und zu weit weg von meinen Freunden, aber Chicago war perfekt und so hatte ich noch gestern Abend begonnen Bewerbungen zu schreiben. Das gute an Chicago war, das es ziemlich viele Jobs gab, die aber auch alle hart umkämpft waren, trotzdem sah ich meine Chancen nicht so unglaublich schlecht.

Offensichtlich war die Entscheidung von meinem ehemaligen Chef, Herrn Grenmer, vom restlichen Vorstand stark kritisiert worden, das erzählte zumindest meine ehemalige Assistentin Johanna. Und er hatte auch damit gelogen, dass ich nicht alle meine eigentlichen Aufgaben übernommen hatte. Das war ein ziemlicher Boost für mein angekratztes Selbstbewusstsein und der restliche Vorstand hatte es möglich gemacht, dass meine Entlassung jetzt als Kündigung meinerseits galt, was mir definitiv half, wenn ich mich bei einem neuen Arbeitgeber bewerben wollte. Dazu kam ein ziemlich gute Arbeitszeugnis. Anscheinend war das Glück endlich wieder auf meiner Seite.

Während ich also eine weitere Bewerbung absendete, ertönte unten Geschrei und ich brauchte keine Sekunde, um zu wissen, dass es Kim und Marshall waren. Mein erster Gedanke war Hailie, sie war mir in den wenigen Wochen ans Herz gewachsen, doch zum Glück spielte sie in ihrem Zimmer und bekam nichts von dem Streit mit.

Ich konnte es mir jedoch nicht nehmen lassen, den Streit genauer mitzuverfolgen und ging langsam die Treppe hinunter in Richtung  Eingangsbereich, wo die beiden standen  und sich gegenseitig anschrien. Eigentlich ging mich das ja nichts an, aber als mein Name plötzlich erwähnt wurde, musste ich einfach die beiden belauschen. 

„Wann schmeißt du jetzt eigentlich mal deine verdammte Exfreundin aus unserem Haus?", schrie Kim sichtlich aufgebracht. „Gar nicht, sie kann sonst nirgends hin und ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich endlich mal wieder jemand treffe, der mich schon vor diesem  ganzen Scheiß hier kannte und außerdem sind wir seit neun Jahren nicht mehr zusammen, meinst du ernsthaft dass da noch irgendwas läuft?"

Marshall sagte die Wahrheit, trotzdem, irgendwo, ganz tief im meinem Herzen,  verletzte es mich doch ein bisschen. Schnell verdrängte ich diesen Gedanken wieder, er war verheiratet, hatte ein Kind und ich war erst vor ein paar Wochen meinen gewalttätigen Freund losgeworden. Eine neue Beziehung war das letzte was ich jetzt wollte. 

„Meinst du wirklich ich bin so dumm? Ich seh doch, wie diese dumme Tussi Dich den ganzen Tag anschaut und außerdem hast du mir immer noch  nicht erklärt, warum sie mit nach New York durfte und ich nicht!" und sobald sie geendet hatte nahm sie einen ihrer High Heels vom Schuhregal und  warf ihn auf Marshalls Gesicht, der den Schuh einfach fing und mit voller Wucht wieder in ihre Richtung warf. 

Der Schuh traf sie mitten in die Magengegend, doch noch bevor Marshall zu einer Erklärung ansetzen konnte, begann sie mit dem Schuh auf ihn einzuschlagen. „Ey, spinnst du jetzt komplett, du...". Er beendete den Satz  nicht. „Halt doch einfach dein dreckiges Maul, Lügner!", schrie Kim weiter und hieb mit dem Schuh weiter auf Marshall ein. 

„Ganz ehrlich, wenn hier jemand aus diesem Haus abhauen soll, dann bist du das,Kim!", erwiderte Marshall und schaffte es jetzt ihr den verdammten Schuh aus der Hand zu reißen. „Weist du was? Vielleicht verschwind ich echt von hier, aber dann kommt Hailie mit mir mit", drohte sie und warf währenddessen alles was gerade in ihrer Reichweite war, also größtenteils Schuhe, in Marshalls Richtung, verfehlte ihn aber immer. 

Kurz darauf stürmte sie aus dem Haus raus und Marshall begann das Chaos, das sie verursacht hatte, wegzuräumen. 

17. September 1999 - Detroit 

Kim und Marshall stritten nach wie vor fast jeden Tag, während ich auf erste Rückmeldungn zu meinen Bewerbungen wartete und weiterhin im Internet auf Jobsuche war.

Irgendwann ging ich in die Küche, um mir was zum Essen zu machen, wo ich jedoch einen fluchenden Marshall traf, der zur Zeit nur selten daheim war, was sowohl an Kim lag, als auch daran, dass er viel tun hatte, mit dem Label Shady Records, das er mit Paul Rosenberg gegründet hatte.

„Alles okay", fragte ich und gab währenddessen Wasser in einen Kochtopf und stellte ihn auf die Herdplatte. „Ich hab ne Anklage wegen Schadensersatz am Hals." „Schon wieder?", fragte ich skeptisch. „Ja, aber dieses Mal is es mein Mom. Die Alte will 10 Millionen von mir. Zehn! Das musst du dir mal vorstellen. Die spinnt jetzt komplett. Erst verkauft sie alles, was sie noch in ihrem Haus von mir gefunden hat und jetzt will die auch noch Geld von mir, weil ich sie angeblich in einem meiner Songs komplett falsch dargestellt hab."

Ich sagte dazu erstmal nichts, sondern schüttete nur die Nudeln ins kochende Wasser. „Die spinnt echt." stimmte ich ihm dann einfach zu. „Allerdings."

Kurz darauf saßen wir zu zweit am Tisch und aßen Nudeln mit irgendeiner Fertigsoße. Diese Gelegenheit nutzte ich um Marshall zu erzählen, dass ich mich für einige Jobs in Chicago beworben hatte. 

7. Oktober 1999 - Detroit 

Inzwischen war ich von fünf Arbeitgebern zu einem Vorstellungsgespräch in Chicago eingeladen worden und genau dafür packte ich jetzt meinen Koffer. Fast drei Monate war es inzwischen her, seitdem ich zum letzten Mal diese ganzen Blazer, Blusen und Anzugshosen getragen hatte und ich freute mich schon darauf, mich endlich wieder jeden Tag fürs Büro fertig zu machen. 

Großzügig wie immer lieh mir Marshall sein zweites Auto, einen Ford Mustang, um nach Chicago zu fahren. Dieses Auto war sein absolutes Heiligtum und ich konnte es kaum fassen, als er es mir lieh. 

Als alles im Auto verstaut war, umarmte ich erst Hailie und dann ihren Dad. „Viel Glück in Chicago, ich glaub an dich."  sagte er als Verabschieden. „Danke und danke für alles andere, was du in den letzten Wochen für mich getan hast." 

Ich stieg in das Auto und sah noch im Rückspiel, wie Hailie mir nachwinkte. Eigentlich war ich ja nicht der Fan von amerikanischen Autos, aber mit diesem Ford Mustang auf  den breiten Highways zu rasen, machte einfach Spaß und mir wurde klar, dass ich meinen alten Audi vermisste, den ich verkauft hatte, aber mit etwas Glück würde ich in nur wenigen Tagen einen Arbeitsvertrag unterschreiben und dann könnte ich mir vielleicht wieder einen Sportwagen leisten.

Nach gut vier Stunden Fahrt, breitete sich langsam die Skyline von Chicago vor mir aus, die vielleicht nicht ganz so imposant war, wie die von New York, aber trotzdem definitiv eine der beeindruckendsten in den USA. Eine neue Stadt, ein neuer Job ein neues Kapitel in meinem Leben. 

You're Never Over - Eminem StoryWhere stories live. Discover now