»Zwischen fünf und sechs«, ordnete ich meine Anspannung auf dieser Skala ein.
»Und bei dir Akira?«, wandte er sich an meine Zwillingsschwester.
Verwirrt schaute sie zu dem Arzt rüber. »Wieso ich auch?«
»Du spielst mit dem Ärmel deiner umgebundenen Jacke«
Sie schaute zu ihrer freien Hand, die Tatsächliche einen der Ärmel der Sweatshirtjacke im Griff hatte.
»Drei …«, beantwortete sie Damiens Frage und er nickte.
»Woran liegt’s?«

Sie zuckte mit den Schultern.
Damien schien klar zu sein, woher meine Anspannung stammte. Bei Akira wusste er es nicht.

»Ich hab eine Frage …«, traute Akira sich von sich aus was zu sagen.
»Was ist deine Frage?«
»Mir ist nicht ganz klar, wie sie uns helfen wollen. Ja. Sie haben gesagt, dass wir erstmal zusammen reden, aber das erschließt sich mir nicht. Ich verstehe nicht, wie uns ein bisschen reden helfen kann. Also ist meine Frage, wie sie sich vorstellen uns helfen zu können?«

»Du hast schon recht. Reden alleine hilft nicht immer. Allerdings muss ich erstmal herausfinden, wo denn die Probleme liegen. Erst dann kann ich mir Gedanken darum machen, wie es weiter geht.
Zum Beispiel weiß ich, dass Lukes Angst den medizinischen Bereich betrifft. Insbesondere Personen mit medizinischem Hintergrund. Da eignet sich beispielsweise Konfrontation als Therapiemöglichkeit. Das kommt aber erst, wenn es so weit ist. Kein Stress. Bei dir fange ich gerade erst an herauszufinden, wo die Problematik liegt«, erklärte er.

Konfrontationstherapie? In welcher Form?

»Verstehe. Glaube ich …«, sagte Akira und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
Darauf musste Damien schmunzeln.

Mein Blick senkte ich wieder auf den gepflasterten Weg des Parks.

Mir ging das mit der möglichen Konfrontationstherapie nicht aus dem Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wie er das anstellen wollte, ohne mich zu überfordern.

Die unfreiwillige Konfrontation durch die ganzen Vorfälle der letzten Wochen waren mir bereits zu viel gewesen. Teilweise war es nur ein Verbandswechsel gewesen und trotzdem hatte die Panik mich gnadenlos überrannt.

Wie sollte das funktionieren?

Ich versuchte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte runter zu schlucken.

»Wieso hab ich mich nochmal dafür entschieden? Um was gegen die Angst zu tun? Wieso ist mir nicht in den Sinn gekommen, dass es unausweichlich zu Konfrontation kommen wird? Zu dem, was ich vermeiden will. Ich will die Panik nicht durchmachen müssen!«

Mein Innenleben begann sich zusammenzuziehen, wodurch es mir so vorkam, als hätten meine Lungen plötzlich weniger Kapazität für Luft. Da versuchte ich mit immer kürzeren Atemzügen gegenzuhalten.

Ich blieb stehen, was Akira bemerkte, da sie mich nach wie vor an der rechten Hand festhielt.

»Luke?«, kam es fragend von ihr, als sie meinen abrupten Stopp bemerkt hatte.

Die Linke hatte ich mir auf den Brustkorb gelegt. Ich spürte meinen Herzschlag im ganzen Körper und mir war heiß.

»Weg!«
»Nein. Ich kann nicht immer weglaufen!«
»Lauf verdammt nochmal!«

Ich kniff die Augen zusammen. Unterdrückte den Impuls wegzurennen.

Jemand stellte sich vor mich. Das erkannte ich dadurch, dass ich nicht mehr in direkten Sonnenschein stand, sondern im Schatten.

Eine Hand fand ihren Platz auf meiner rechten Schulter. Erschrocken schaute ich hoch. Direkt in die dunkelgrünen Augen von Damien.
»Erinnere dich an Samstag. Atme mit mir mit.«

Er hatte meine Aufmerksamkeit und ich atmete in dem Rhythmus, den er mir vorgab. Genauso wie er es bereits Samstag getan hatte.

Einatmen … Ausatmen … Einatmen … Ausatmen.

Das beklemmende Gefühl wurde mit jedem Durchgang ein wenig besser.

»Sehr gut machst du das«, lobte er mich, nahm seine Hand von meiner Schulter und machte zwei Schritte zurück, um mir mehr Freiraum zu geben.

»Möchtest du darüber reden, was der Auslöser war?«, bot Damien an.

Sollte ich? Sollte ich nicht?

Akira zog mich zu einer Bank in der Nähe. Auf dieser ließ ich mich nieder. Meine zittrigen Knie dankten es ihr.

Damien war uns gefolgt.

»War der Auslöser was, was ich gesagt habe?«, versuchte er durch Fragen der Ursache auf den Grund zu gehen.
Leicht nickte ich. Auf Fragen zu antworten, fiel mir einfacher, als es selbst auszusprechen.

»Das mit der Konfrontationstherapie? Ist es das?«

Wieder nickte ich. Viele Möglichkeiten gab es nicht, die der Auslöser gewesen sein konnten.

»Ich weiß nicht, was genau dir durch den Kopf gegangen ist, aber ich kann dir versichern, dass wir noch nicht an diesem Punkt sind. Eines kann ich dir versichern. Bei der Idee, die ich habe, hast du auch noch genug Kontrolle darüber, ob du dich bereit fühlst weiter in die Konfrontation zu gehen oder nicht. Wir müssen nichts überstürzen«, legte er seinen Plan mit der Konfrontationstherapie ein wenig offener. Nicht viel, aber die Tatsache, dass ich selbst Kontrolle darüber bekam, wozu ich bereit war und wozu nicht, nahm mir einen Teil meiner sorgen.

»Wir reden über dieses Thema genauer, wenn mein Plan wirklich handfest ist. Okay?«

Ich nickte und Akira zog mich in ihre Arme.

»Ich schlage vor, wir belassen für heute dabei. Wir machen nächste Woche Dienstag weiter.«

»Klingt gut«, sagte Akira darauf und stand mit mir von der Bank auf.

»Dann sage ich bis Dienstag und passt auf euch auf«, verabschiedete er sich von uns.

»Bis Dienstag. Und danke …«, erwiderte Akira die Verabschiedung.

»Nichts zu danken. Ich helfe gerne«, winkte Damien ab, dann trennten sich unsere Wege.

Akira und ich gingen zurück zum Auto.

»Schon fertig? Ihr wart gerade Mal eine halbe Stunde weg«, wunderte Mom sich über unser frühes auftauchen.

»Er hat früher Schluss gemacht, um uns nachdenken zu lassen bis zum nächsten Mal«, erklärte Akira und wir stiegen ein.

»Worüber sollt ihr nachdenken?«, hakte Mom nach.
»Über das, worüber wir geredet haben.«
Mom seufzte, schüttelte den Kopf und startete den Motor des Autos.

Ich fand es gut, dass Akira nicht die Wahrheit gesagt hatte. Schließlich ging es auch nur uns was an, worüber geredet wurde.

Das schien auch Mom zu akzeptieren, da sie nicht mehr nachfragte.

WKM - Angst vor ihnen Where stories live. Discover now