»Wir gehen Hausaufgaben machen«, sagte Marius zu seinem Vater. »Vergiss deine Medikamente nicht«, erinnerte Chris seinen Sohn. »Ich nehme sie sofort«. Marius ging an den Hängeschrank, nahm da was raus. Zusätzlich nahm er noch zwei Becher und eine Flasche Wasser mit lassen und wir verschwanden auf sein Zimmer. Die Becher und die Flasche stellte er auf seinen Schreibtisch.

»Hast du was auf?«, fragte er und befüllt die beiden Becher mit Wasser. »Englisch. Vokabeln abschreiben und lernen«, zählte ich auf, was ich in Englisch zu tun hatte, während er seine Medikamente mit einem Schluck Wasser einnahm.
»Schreibt ihr auch bald einen Vokabeltest?«
»Übermorgen«
»Ich frag’ dich gleich ab, wenn ich mit meinen Englischhausaufgaben fertig bin, okay?«
Zustimmend nickte ich und holte mein Englischbuch aus dem Schulranzen.

Mit diesem setzte ich mich auf Marius Bett und begann die Vokabeln zu lernen. Meine Konzentration mit der im Hintergrund laufenden Angst aufrechtzuerhalten, ist nicht einfach. Trotzdem machte ich weiter.

Ungefähr eine halbe Stunde saßen wir an unseren jeweiligen Aufgaben, wonach Marius begann mich abzufragen.

Ab und an amüsierten wir uns darüber, dass wir beide bei manchen Vokabeln über die Aussprache unsicher waren.

Dafür, dass viele Vokabeln für ihn unbekannt waren, da er erst in Schuljahr fünf war statt wie ich in neun, kam er damit gut zurecht.

Okay. Vokabeln waren einfacher zu verstehen als Grammatik.

Sobald wir fertig waren, packten wir die Schulsachen wieder ein.

»Geschafft. Damit kann uns das Thema Schule zumindest nicht mehr stören!«, meinte Marius und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder.

»Was wollen wir machen? Ich hab ein paar Spiele da. Davon könnten wir was spielen. Vielleicht spielt Papa ja auch mit«, schlug er vor.

Der Vorschlag etwas gemeinsam zu spielen klang nicht schlecht. Die Ergänzung, dass sein Vater mitspielen sollte, war für mich nicht berauschend. Unhöflich wirken und seinen Vater ausschließen wollte ich auch nicht.

»Was überlegst du?«, bemerkte der jüngere von uns beiden meine gedankliche Abwesenheit.
»Ehm. Nichts. Ich finde deinen Vorschlag gut«, gab ich ihm schnell eine Antwort, in der Hoffnung, dass er nicht weiter nachhakte.
»Cool! Ich bin schnell Papa fragen, ob er mitmacht!« Er sprang auf und verschwand aus dem Zimmer.

»Versuch einfach keine Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen. Dann sollte es auch keine Probleme geben«, redete ich mir selbst ein und wartete auf Marius Rückkehr.

Lange darauf warten musste ich nicht und er kam mit einem leichten Grinsen wieder zurück. Anscheinend hatte Chris zugestimmt. Verdammt!

»Komm. Wir spielen in der Küche am Tisch«, gab er mir Bescheid und verschwand wieder.

Leise seufzend stand ich auf und folgte ihm in die Küche. Dort setzte ich mich auf den Platz, auf dem ich bereits beim Mittagessen saß.

»Worauf habt ihr Lust? Brettspiel oder Kartenspiel?«, wollte Chris von uns wissen.

Unsere Entscheidung fiel auf UNO.

»Wenn wir es auf der Wache nicht mehr spielen dürfen, dann aber hier«, kicherte Marius und Chris musste schmunzeln. Ich verstand nicht, was er damit sagen wollte. »Naja nicht ganz. Nur wenn Maik da ist, dürfen wir es nicht spielen. Er will ja nicht ständig verlieren«, verbesserte Chris ihn und begann damit, die Karten zu mischen.

Ich hielt mich raus. Was die Wache angeht, konnte ich schlecht mitreden, außerdem war mir nicht wirklich danach, mit Chris ein Gespräch zu führen.

Jeder bekam seine Karten auf die Hand und es ging los.

Marius fing an, danach war ich dran und zu guter Letzt kam Chris dran.

Die erste Runde gewann Marius, die zweite Chris und die dritte wieder Marius.

Immer wenn ich kurz vor einem Sieg stand, wurden mir die "+2" Karten und die "+4 mit Farbwahl" Karten vor die Nase gelegt. Alternativ noch die Aussetzen Karte.

Mir fiel schnell auf, dass die beiden sich Gedanken darüber machten, was sie legten, statt einfach zu versuchen, die Karten loszuwerden, was meine Taktik war.

Leider fand ich auch in den nachfolgenden Runden nicht heraus, wie man strategisch die Karten legen kann.

Meine Konzentration, die bereits zu einem Großteil verbraucht war, begann zu schwächeln. Damit einher ging eine verminderte Aufmerksamkeitsspanne und die Gedanken in meinem Kopf begannen mich zusätzlich abzulenken.

Das sorgte dafür, dass ich nicht mitbekam, wer was legte oder wann ich dran war.

»Bis jetzt ist alles gut gegangen. Trotzdem sollte ich wachsam bleiben. Nicht das doch noch was passiert!«

»Luke, du bist dran«, holte Chris mich aus meinen Gedanken. »Eh. Ja. Moment«, schreckte ich auf und legte etwas ab.

So oder so in der Art ging es zwei weitere Runden, wonach Chris das UNO Spiel zusammenpackte.

Marius war derweil aufgestanden und hat die Küche verlassen, um etwas zu holen.
Somit war ich mit seinem Vater alleine.

Keine Minute später kam er wieder und stellte die beiden Becher und die Flasche Wasser auf den Tisch.

Den grünen Becher hatte er sich bereits genommen, blieb für mich der blaue. Aus diesen trank ich etwas. Die Kohlensäure des Mineralwassers kitzelte mich im Hals.

»Was machen wir jetzt? Spielen wir noch was?«, fragte Marius. »Ich bezweifle, dass Luke noch die nötige Konzentration für etwas hat«, merkte Chris an und hatte recht. »Am besten ihr geht auf dein Zimmer und macht noch was zu zweit«, schlug er vor.

»Nagut. Dann machen wir das«, stimmte Marius zu und wir zogen uns in sein Zimmer zurück. Leise atmete ich aus und ließ einen Teil der Anspannung abfallen.

Marius kramte in seinem Regal. »Wenn wir nichts mehr spielen, dann kann ihr dir ja ein paar meiner Superhelden Comics zeigen«, grinste er und setzte sich mit einem Stapel an Comicheften auf sein Bett. Ich setzte mich neben ihn und er begann mir die verschiedenen Hefte zu zeigen.

WKM - Angst vor ihnen Where stories live. Discover now