Puzzleteile

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Wir sind wie zwei Puzzleteile, die man auf krampfhafte Art versucht, zu Einem zu vereinen. Man biegt die Ecken, quetscht die Konturen ineinander, bis man merkt, dass es nicht passen wird, egal, wie sehr man sich anstrengt. Wir werden nicht passen, nicht ohne kaputtzugehen.

Warum probierten wir es dann trotzdem?

Du bist das Puzzleteil, welches nach oben gehört. Das Puzzleteil, welches ein Stück des wilden Windes verkörpert. Du bist frei und leichter als eine Feder.

Ich bin das langsam fließende Wasser. Ich gehöre nach unten zum Fluss und bin gerade dabei, den Hang hinunterzustürzen. Wenn wir noch immer versuchen zusammenzupassen, dann werde ich dich mit meiner Schwere nur mit hinabziehen. Ich würde dir die Freiheit nehmen.

Doch du hattest nie vor, an etwas gebunden zu sein, für etwas Verantwortung zu übernehmen. Deine Wildheit und Unabhängigkeit waren dir schon immer wichtiger. Aber das ist keine Unabhängigkeit mehr, die du für mich fabrizierst. Nein, das ist Apathie. Du stellst dich stumm und leer. Leer von Emotionen, leer von dem Gefühl menschlich zu sein. Du bist nicht menschlich.

Ich das ozeanblaue Puzzleteil, welches droht, durch die stettige Penetration der seelischen Folter, durch dich, unterzugehen und an den beklemmenden Gefühlen zu ertrinken.

Du das hellblaue Puzzleteil, welches sich nicht drum scherrt, ob es passt, nein, du drängst dich gewalttätig rein. Wenn es dann nicht funktioniert, dann löst du dich lockerflockig los, denn du gehörst zum Wind. Du bist dauerhaft in Bewegung, machst niemals Rast. Für nichts und für niemanden. Nicht mal für mich.

Dennoch, irgendwann, wurdest du einmal langsamer, und es wurde windstiller. Du hattest mich gefunden. Mich, das damals noch harmonische Wasser. Ich war eins mit der Kontrolle und meinen Gefühle. Du hast all das ins Schwanken gebracht.

Du wolltest wissen, wie es ist wie ich zu sein. Ein Mal Halt zu machen, nicht emotionsdurchflutet zu sein, sondern auch mal ruhig zu sein, auch mal im Einklang mit sich selbst. Du hast dich neben mich gequetscht, als wäre da Platz, jedoch war da keiner. Du hast ihn dir also genommen. Du hast meine Kannten geglettet, meine Ränder gewellt und meine Mitte einmal gefaltet. Es schmerzte unfassbar, allerdings hielt ich es aus, damit du glücklich sein konntest. 

Danach warst du so wie ich, mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass du noch ganz warst im Gegensatz zu mir. 

Irgendwann, eine ganze Weile später, war es dir genug und du gingst wieder, hast mich noch ein Mal gefaltet, gewendet, verdreht uns schließlich als dein kaputtes Werk vollendet. Aber diesmal war es anders, es schmerzte mehr. Dieses Mal, hatte ich niemanden, der an meiner Seite sein würde.

Du hast die Verantwortung mal wieder links liegen lassen und bist stattdessen unbekümmert davon geweht. Du hast mich zurück gelassen, völlig zerbeult, komplett zerstört. Und vielleicht war es deine Absicht, vielleicht deine toxische Art, weil jetzt werde ich nie mehr passen. 

Um mich herum sind zu große Lücken. Du hast mich klein gemacht, unfähig selbst auszuwählen, ob ich dazugehören wollte oder nicht. Jetzt ist es egal. Ich habe keine Macht mehr darüber, die hattest ganz alleine du, und du hast sie missbraucht.

Ich fließe alleine den Abhang hinunter, weil du fort bist. Um mich herum ist viel zu viel Platz für Unharmonie, und sie hat mich erreicht. Die Unharmonie hat Teil von mir ergriffen. Bevor ich den Fall hinunterstürze, werde ich wohl eher an den überflutenden Emotionen zu Grunde gehen.

Und es war von Anfang an klar, wir haben nie gepasst.

Kleine TexteWhere stories live. Discover now