Kapitel 29

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Eben noch war ich voller Vorfreude mit Ava durch die Flure gesprungen, hatte ihr sogar versprochen auf mich und meine Gefühle aufzupassen, nur um dann vor dem Whirlpool zu stehen und dabei zusehen zu dürfen, wie Nessa und Reece bedingungslos in dem besagten Pool rummachten. Sie saß rittlings auf seinem Schoß, seine Hände um ihre Hüfte und dieses Bild würde wirklich unglaublich fantastisch aussehen, mit der Skyline von Aspen im Rücken, wären es nicht Reece und Nessa! Wie gern würde ich so auf seinem Schoß sitzen, meine Finger in seinem nassen Haar und seine Hände überall auf meiner Haut. Mein Körper brannte wie Feuer, pulsierte und sträubte sich mit aller Macht gegen diesen bitteren Beigeschmack.
Ich brauchte Alkohol, ganz dringend.
Arschloch. Was hatte ich mir auch wieder gedacht? Nur weil wir uns geküsst hatten, würde das nichts an unserer Abmachung ändern.
Mein Magen drehte sich, doch angesichts der Tatsache, dass Ava neben mir stand und ich ihr nicht zeigen wollte, wie es wirklich in mir drin aussah zuckte ich desinteressiert die Schultern. „Ich brauche noch einen Drink."
„Dito."
Also ließ ich Ava mit den beiden alleine, musste mein krampfendes Herz unter Kontrolle bringen und das Gefühl unterdrücken, nicht direkt loszukotzen.
Reece war ein scheiss Heuchler, ich sollte nicht mit anderen Kerlen in einem verdammten Spiel rumknutschen, aber er durfte mit anderen Frauen solche Dinge machen? „Er will dich nicht." hauchte eine säuselnde Stimme in meinem Inneren, der ich sofort den Mund verbot. 
Nicht mit mir!
In der Küche angelangt zerrte ich so lange an dem bescheuerten Kühlschrank bis er von selbst nachgab und sich öffnete. Auf der linken Seite standen haufenweise alkoholhaltige Getränke, ich nahm das erst Beste, was danach aussah zu schmecken, da auf dem Etikett eine Blaubeere abgebildet war und öffnete den Verschluss. Sekunden später setzte ich den Hals der Flasche an meine Lippen und gurgelte das Zeug herunter.
„Ganz langsam Baker."
Genervt knallte ich die Flasche auf den Küchentisch, drückte den Kühlschrank zu und funkelte Sawyer an, der nur in Badehose vor mir stand und den Körper einer verdammten griechischen Skulptur aufwies. Gott wieso mussten hier alle so verdammt gute Körper haben? Als wäre er der Grund für meine miese Laune blaffte ich ihn an. „ Wieso? Ich hab Lust mal so richtig abzufeiern."
Es war das erste Mal, dass Sawyers Augen mich mit diesem beunruhigenden Blick ansah, als wüsste er genau weshalb ich so schlecht gelaunt war. Bevor er seinen Mund öffnete stoppte ich ihn, hob die Hand mit der Flasche und schüttelte meinen Kopf. „Wenn du jetzt damit anfängst mir eine Standpauke zu halten, dann kannst du gleich wieder gehen. Entweder du trinkst jetzt mit mir und den anderen oder du hältst die Klappe."
Für eine Sekunde konnte ich es rattern sehen, wie er darüber nachdachte dagegen anzugehen oder meinen Worten nachzugeben, doch schlussendlich ließ er seine Schultern sinken, nahm mir die Flasche aus der Hand und trank ebenfalls einige Schlücke von dem viel zu süßen Zeug. Selbstsicher nickte ich grinsend, war wirklich erleichtert, dass er es so hinnahm und mich nicht davon überzeugen wollte, dass es nicht die beste Lösung war, sich in solchen Momenten die Kante zu geben, aber das wusste ich auch selber.
Ich öffnete die Bademantelschlaufen, ließ ihn von meinem Körper gleiten und schmiss den Bademantel in die Ecke und dabei sah Sawyer mir mit einem wissenden Lächeln die ganze Zeit zu. „Das machst du doch extra."
Verschmitzt spitze ich die Lippen und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht was du meinst."
„Lass das Quinn." flüsterte Sawyer, trat näher auf mich zu, stellte die Flasche neben mir auf den Tisch und kesselte mich so zwischen Küchenzeile und ihm ein. „Was denn?" säuselte ich leise und wollte nur, dass er mich auf andere Gedanken brachte. Ich wollte nicht mehr an Reece denken, ihn nicht mehr wollen. „Du wirst ihn nicht vergessen, indem du mit mir flirtest."
Seufzend legte ich meinen Kopf in den Nacken um in seine Onyxfarbenden Augen zu schauen. „Scheint als sprichst du aus Erfahrung."
„Außerdem bin ich sein bester Freund und dich zu küssen würde gegen den Kodex verstoßen."
Kodex? Verständnislos stieß ich ihn von mir, fing an verzweifelt zu lachen. „Was für ein Kodex Sawyer? Vor einigen Wochen schien es dir noch egal zu sein, ob du mich küsst oder nicht."
„Da wusste ich auch noch nicht was da zwischen dir und ihm ist."
Nun machte er mich wirklich wütend. „Was läuft denn da zwischen ihm und mir? Da ist gar nichts! Er küsst lieber Kendall oder Mérida."
„Zugegeben ist er ein totaler Trottel, denn er will sich einfach nicht eingestehen, dass du unter seine Haut gehst."
„Hör auf." bettelte ich traurig, wollte seinen Worten keinen Glauben schenken, denn ich wollte keine Hoffnung in mir tragen.
„Quinn wenn du eins uns eins zusammen zählst, würdest du wissen, was in ihm vor sich geht. Erst verprügelt er Nolan, weil er dir zu nah kommt, dann bietet er sich freiwillig für den Kuss an, damit Cooper seine Zunge nicht in deinen Hals steckt. Es ist doch mehr als offensichtlich."
Seufzend schüttelte ich meinen Kopf, diese Signale waren selbst mir nicht verborgen geblieben, aber ich wollte und konnte da nichts hineininterpretieren. Das würde zu sehr weh tun.
„Ich kann nicht auf jemanden warten, der nicht bereit dafür ist, der nicht weiß was er will Sawyer."
„Dann müssen wir es aus ihm rauslocken."
Er schaute einmal über meine Schulter, auf etwas hinter uns, packte mein Handgelenk und zog mich an seine Brust.
Verwirrt sah ich zu ihm. „Was tust du da Sawyer?"
„Dir beweisen, dass du ihm nicht egal bist und ihm auch."
Bevor ich noch etwas sagen konnte hob er mich hoch, setzte mich auf der Küchenzeile ab und stellte sich zwischen meine Beine. „Ich dachte du willst mich nicht mehr küssen." flüsterte ich.
„Ist ja nur für gute Zwecke also, Quinn Baker, darf ich dich nur noch dieses eine Mal küssen?"
Lachend legte ich meine Stirn an seine. „Du denkst er wird eifersüchtig, wenn ich dich küsse?"
„Ja."
Sawyer roch nach süßem Alkohol, Kiefernzapfen und Schnee.
„Okay, du darfst."
Ehe ich die Worte ausgesprochen hatte legte er ganz vorsichtig seine nach Blaubeere schmeckenden Lippen auf meine und sofort prickelte das vergangene Ereignis mit ihm auf dem Parkplatz auf. Diesmal war da keine pure Leidenschaft oder Explosion, denn da waren nur unsere Lippen, die sich vorsichtig liebkosten. Sanft, ohne Aufforderung zu mehr, ohne dieses bedingungslose Verlangen. Meine Finger gruben sich in sein Haar, meine Lippen bildeten sich leicht zu einem Lächeln, weil ich ihm niemals zugetraut hätte, sich so sehr um das Wohl von Reece und mir zu kümmern.
„Nicht lachen." murmelte er in den Kuss.
„Guckt überhaupt jemand?"
„Pscht."
Plötzlich grub er seine Hände in meine Oberschenkel, drückte seinen Körper näher an mich heran und dann wurden wir von einer Welle von Stimmen auseinandergerissen.
„Das wollte ich jetzt wirklich nicht sehen!" jammerte Ava angeekelt und auch Cooper stimmte mit einem „Hier gehts ja richtig ab." ein.
Und dann war da Reece, der uns beide mit undurchdringlicher Miene betrachtete, als würde er in seinem Kopf viele verschiedene Möglichkeiten durchgehen, wie das zustande kommen konnte. „Macht ruhig weiter." brummte er und stieß sich von der Tür ab und verschwand im Wohnzimmer.
Hat wohl alles andere als geklappt.
„Wir gehen schlafen. Gute Nacht."
Mit den Worten wandten sich Cooper und Ava ab und ließen nur noch Sawyer und mich zurück.
Angesichts Sawyers wissendem Lachen, was in seinem Gesicht prangte waren wir erfolgreich gewesen. „Der wäre am liebsten explodiert."
„Sah nicht so aus."
Ich sprang von der Küchenzeile herunter und schnappte mir meinen Bademantel.
„Vertrau mir."
„Das tue ich, aber nicht einmal du kannst in seinen Kopf schauen."
Darauf antwortete Sawyer nichts und ich hatte auch keine Lust mehr mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Müde und ernüchternd schlurfte ich die Treppen hinauf, dieses Drama zerfraß mich regelrecht von innen.
Meine Augen brannten, aber ich würde jetzt nicht wegen diesem Idioten anfangen zu weinen.
Ich stürmte in mein Zimmer, knallte die Tür viel zu doll zu und musste für einige Sekunden die Luft anhalten, damit mein Körper sich beruhigen konnte. Erst dann fiel mir auf, dass ein Mann vor dem Fenster stand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und in einer Jogginghose und Pullover steckte. Reece. Sein Körper wurde von dem Mond erhellt. So langsam hatte ich das Gefühl, dass auch der Mond süchtig nach Reece Schönheit war.
Was suchte er in meinem Zimmer? Ein Wunder, dass er nicht mit Nessa vögelte. „Was willst du?"zischte ich mit kühle in der Stimme.
Nun drehte er sich endlich zu mir herum. „Das war taktlos von mir, vor dir mit Nessa rumzumachen."
„Du kannst rummachen mit wem du willst." stöhnte ich entnervt und setzte mich auf mein Bett, mit dem Rücken zu ihm, damit er mein verzerrtes Gesicht nicht sehen konnte.
„Du anscheinend auch." gab er vorwurfsvoll zu, spielte dabei auf Sawyer und mich an, was mich schmunzeln ließ. Sawyer hatte wohl recht gehabt.
„Anscheinend."
„Ich verstehe immer noch nicht wieso du jetzt in meinem Zimmer bist. Kendall wartet." patzte ich zurück und schaute nun doch zu ihm.
„Kendall?"
Augenrollend stieß ich mich vom Bett und trat auf ihn zu. „Reece was willst du?"
„Keine Ahnung." flüsterte er ernst, spannte seinen Kiefer an und kam einen Schritt näher.
„Magst du ihn?"
Perplex blinzelte ich. „Wen?"
„Sawyer."
„Wa-ja, ich mag ihn als Freund und übrigens hast du mich das schon mal gefragt."
„Und wieso küsst du ihn dann, wenn er nur ein Freund ist?"
Aufgestachelt zog ich eine Augenbraue hoch, und wickelte den Bademantel noch enger um mich. „Du küsst doch ständig Frauen." verteidigte ich mich.
Er kam noch näher, doch ich weichte nicht zurück. „Das sind nicht meine Freunde."
„Bist du etwa eifersüchtig?" zog ich ihn scherzhaft auf, doch in dieser Frage steckte so viel mehr.
„Was willst du von mir hören Quinn. Ja?"
„Ich will das du endlich mal ehrlich bist. Ich hab das Gefühl, dass du es nämlich nicht bist. Weder zu mir, noch zu dir selbst."
Seine Mundwinkel zuckte. „Ich bin machtlos gegen das hier."
Er zeigte mit seinem Finger zwischen uns.
„Glaub mir Quinn, ich würde so gern mehr für dich sein, dir zeigen wer ich wirklich bin, aber das wäre verflucht egoistisch und das werde ich dir nicht zumuten."
Als er zu Ende gesprochen hatte trat er einen Schritt von mir, brachte eine große, kalte Lücke zwischen uns.
Kopfschüttelnd zog auch ich mich von ihm zurück. „Wieso überlässt du nicht mir die Entscheidung, ob ich mich darauf einlasse oder nicht?"
Ein kleiner Teil in mir wartete auf den Moment, in dem er mich auslachen würde, weil er mich wieder nur verarschte.
Mein Vertrauen ihm gegenüber ist an dem Tag zerbrochen, als er mich benutzt hatte um mir eine Lektion zu erteilen.
„Es ist besser so." gestand er ehrlich und bedauernswert.
„Wieso hast du mich dann vorhin geküsst?"
Er lachte verbittert auf. „Kannst du es dir nicht denken?"
Gereizte schüttelte ich meinen Kopf. „Nein Reece, kann ich mir nicht."
„Weil ich dir nicht dabei zugucken will, wie irgendein Kerl dir die Zunge in den Hals steckt."
„Du bist so ein Macho."
„Also darfst nur du mich küssen und kein anderer, aber du kannst jede Frau der Welt küssen?"
„Nein."
„So ist es aber. Du bist sauer, weil ich Sawyer geküsst habe, dabei hast du doch einen halben Porno mit Nessa gedreht."
„Dafür habe ich mich entschuldigt Quinn."
Leicht lächelnd legte ich meinen Kopf schief. „Und trotzdem hast du es getan."
Ich war es leid mich jedes Mal mit ihm im Kreis zu drehen. Wir eckten ständig aneinander, stritten und jedesmal wegen dem gleichen Zeug und kamen nie auf einen Punkt. „Merkst du nicht wie sinnlos das alles ist? Zwischen uns ist etwas, dass weißt du selber und wenn wir diesem Drang einmal nachgehen würden, einmal loslassen, dann war's das. Keiner fragt sich mehr wie es sein wird. Willst du dich die ganze Zeit fragen was wäre wenn oder willst du wissen wie es sich anfühlt?"
Meine Hände fanden die Enden des Bandes, welches meinen Bademantel zusammenhielt. Seine Augen wanderten über mein Gesicht, herunter zu meinen Händen. „Was meinst du?"
„Das wird eine einmalige Sache, danach wird dieses Gefühl weg sein."
Mein Herz zog sich fest zusammen, weil ich Angst hatte, dass es danach nicht vorbeigehen würde.
Mein Mantel fiel zu Boden und entblößte meinen Körper, der von einem schwarzen Bikini bedeckt wurde. „Nur dieses eine Mal."
„Nur dieses eine Mal." wiederholte Reece, nickte langsam, blieb aber an Ort und Stelle stehen.
Meine Beine bewegten sich automatisch in seine Richtung, bis ich nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt stand, so dass er aber immer noch einen guten Blick auf mich werfen konnte.
Im Hintergrund hörte man nur das pfeifen des Windes und die dicken Schneeflocken gegen das Fenster prasseln. Ich atmete einmal aus und wieder ein, nahm all meinen Mut zusammen und zog an dem dünnen Stoffträger, der mein Bikinioberteil zusammen hielt. In der nächsten Sekunde fiel es zu Boden und ich stand halb nackt vor Reece, der mich nicht aus den Augen ließ und dann als hätte ihn etwas wieder in die Realität gezogen, ließ er seine Schultern sinken.
Seufzend trat er einen Schritt zurück, griff nach dem am Boden liegenden Bademantel und hielt ihn mir vor meine unbedeckte Brust. Er schaute nicht einmal hin.
Mein Herz zerbrach in tausend Stücke. Ich hatte mich blamiert. Die Schamesröte stieg in mein Gesicht, ich wollte im Erdboden versinken, so peinlich war das.
„Süße Quincy, wie könnte ich dir jemals dein erstes Mal rauben? Du verdienst jemanden, der dich von ganzem Herzen liebt und es wert schätzt."
Ein aller letztes Mal kratzte ich die restliche Würde zusammen, die nur noch in Krümeln auf dem Boden lagen. „Ich will aber dich Reece. Ich will, dass du mein erstes Mal bist."
Wie tausend Pferde galoppierte mein Herz in meinem Brustkorb, sprang beinahe völlig durch meine Brust und mein Kopf wurde immer roter.
Auf seinen Lippen zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab. „Vielleicht willst du es jetzt, in diesem Moment, aber wenn du in zehn Jahren zurück schaust, dann wirst du das bereuen."
„Werd ich nicht."
Wie tief konnte man eigentlich sinken?
Ich bettelte Reece Campbell an, dass er mit mir Sex haben sollte.
Reece stöhnte auf, fuhr sich dann verzweifelt durch sein blondes Haare und sah mich aus halb geöffneten Augen an. Von dem sonst so selbstbewussten Jungen war keine Spur mehr und auch seine Mundwinkel zeigten nicht mehr nach oben. „Quinn."
Etwas an der Art und Weise wie er meinen Namen aussprach und mich mit gequälter Miene musterte signalisierte mir, dass er mit sich selbst am hadern war. Er führte einen innerlichen Kampf. Einige Sekunden verstrichen, in denen er einfach still vor mir stand, bis er meine Arme umfasste um mich so auf Abstand zu halten.
„Ich kann nicht."
Mit diesen Worten rauschte er an mir vorbei, ließ mich halb nackt in meinem viel zu großen Zimmer alleine.

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