Kapitel 26

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„Was war los?" Ava konnte nicht fassen was sie alles verpasst hatte während sie oben mit irgendeinem Kerl namens Ethan war. Ihre Haare waren ganz zerzaust und ihr Lippenstift war ab. Was sie wohl mit ihm da oben getrieben hatte?
„Dieser Kerl nimmt sich auch Sachen heraus? Gehts noch?" schimpfte sie, musste aber bei dem Anblick des grauen Pullovers schmunzeln.
„Halt bloß die Klappe." warnte ich sie, vergrub meine Hände in den Ärmeln und schlürfte an meiner Wasserflasche. „Du lässt dich viel zu schnell um den Finger wickeln. Der muss ja bloß mit dem Finger schnippen und du verzeihst ihm."
„Ava." murmelte ich, stützte meinen Kopf auf meine Hand und beobachtete Reece vom Wohnzimmer aus, wie er wieder mit dieser rothaarigen Tusse flirtete, dessen Namen ich mittlerweile wusste. Lana Jaxon. Um ehrlich zu sein sah sie wunderschön aus, mir gefiel nur nicht wie nah sie ihm war.
„Pass auf, dass du nicht gleich das Haus mit deinem Blick abfackelst."
„Wieso hängen die bei jeder Feier miteinander ab?" stammelte ich vor mich hin, doch Ava musste es gehört haben. „Weil Lana total in ihn verschossen ist."
„Weiß er das?"
Schulterzuckend nahm sie mir die Wasserflasche aus der Hand, genehmigte sich einen Schluck und stellte sie wieder vor mich auf den Tisch.
„Und wenn schon. Hauptsache du hast dir heute auch jemanden gekrallt." lobte mich meine Freundin und sah dabei ziemlich müde aus, was wohl an der Uhrzeit liegen musste, da es schon nach drei Uhr morgens war. Die Party war trotz dessen noch im vollen Gange. „Das du dir gerade Nolan ausgesucht hast ist einfach herrlich."
Fragend schaute ich zu Ava." Was ist mit Nolan?"
Zum Glück wurde er von jemandem nach Hause gefahren und hoffte, dass Reece deswegen nicht in Schwierigkeiten geriet. Sie lehnte sich etwas zu mir herüber und flüsterte so leise wie es die Musik zu ließ. „Die beiden können sich schon seit der Grundschule nicht leiden. Angefangen hat es mit einem dämlichen Bild im Kunstunterricht bis hin zum Kampf um Football."
„Mir auch egal, es war absolut keine gute Idee gewesen Nolan zu küssen."
„Weil dein Kopf nein sagt und dein Herz ja."
„Was meinst du?"
Ihre blonden Haare fielen ihr über die Schulter als sie mir noch näherrückte, dass ihre Brüste mir schon beinahe im Gesicht hingen. „Du willst keinen Nolan oder sonst wen, du willst jemand ganz bestimmten. Ich kenne das Gefühl, wenn jede Zelle deines Körpers sich nach etwas sehnt, was niemals für dich bestimmt ist."
Ihre hellen Augen schauten in die betrunkene Masse, ich konnte nicht ausmachen wen sie anschaute, aber es schien ihr ziemlich ähnlich zu gehen. „Alles okay?"
„Ja, wollen wir hoch gehen?"
Nickend hievte ich mich vom Stuhl. „Ich bring Reece bloß seinen Pullover, dann komme ich."
Ihre Augen schienen mir etwas sagen zu wollen, doch am Ende entschied sie sich wohl dazu zu schweigen. „Wir sehen uns gleich oben."
„Bis gleich."
Erschöpft, müde und angetrunken schlenderte ich durch die Menge hindurch, war mir im ersten Moment unsicher ihn und Lana zu unterbrechen, aber da er es ja auch bei Nolan und mir getan hatte schien es mir nur fair. Sawyer hing tatsächlich an den Lippen von Libby, die beiden fraßen sich beinahe auf und von Phoenix war weit und breit keine Sicht. Unsicher gesellte ich mich zu den beiden, fühlte mich im ersten Moment wirklich mehr als unwohl, aber als Reece weicher Blick zu mir schwebte überkam mich ein ruhiges Gefühl. Lana, die mich mit einem Kopf überragte schien weniger erfreut, was ich einfach zu ignorieren versuchte. „Hey." begrüßte ich beide, schenkte Lana ein in Frieden kommendes Lächeln und widmete mich Reece. „Wir gehen jetzt schlafen und ich wollte dir deinen Pullover wiedergeben."
Seine Augen wanderten kurz zu Lana, dann wieder zu mir zurück. „Gibst du mir eine Sekunde."
„Ja klar." antwortete ich, wollte mich schon zum gehen wenden ehe Reece seinen Kopf schüttelte und in Lanas Richtung nickte. „Ich meinte dich Lana."
„Du kannst mich mal." keifte sie wie eine Furie, schubste ihn leicht beiseite und stapfte davon.
Das war wirklich nicht meine Intuition. „Ich wollte nicht, dass ihr euch jetzt streitet."
„Sie ist ständig so. Lana kriegt sich wieder ein."
Wir standen am Rande des Wohnzimmers, seine Augen waren leicht rot unterlaufen und glasig. „Hast du getrunken?"
„Ja."
„Als Sportler sollte man nicht trinken."
„Das sollte nicht deine Sorge sein Quincy." neckte er mich, wackelte mit seinem Becher vor meiner Nase herum und nahm provokative noch einen Schluck. So ein Idiot. „Kommst du nicht mit nach Hause?"
Mein Herz ging auf als er diese Worte aussprach. Nach Hause. Unser Zuhause. „Nein, sonst fliegt doch meine Tarnung auf."
Reece lachte laut auf, dabei sah er unfassbar gut aus. „Etwas vor Beverly geheim zu halten ist als würdest du versuchen die Frage des Lebens zu beantworten. Unmöglich, denn diese Frau weiß alles."
„Scheisse."
„Kopf hoch, du hast wenigstens noch die Ich-will-endlich-mein-Leben-leben-Karte."
„Und du nicht?" ich legte meinen Kopf leicht schräg und lächelte ihn an.
„Sie hat die Hoffnung aufgegeben." gab er Schulterzuckend zu und wollte noch einen Schluck trinken, aber ich hielt ihn dabei auf, indem ich den Becher aus seiner Hand riss.
„Reece übertreib nicht."
„Machst du dir etwa sorgen um mich?"
„Nein, aber du bist betrunken und musst noch nach Hause laufen."
„Als wäre es das erste Mal."
„Warte kurz hier, bin gleich wieder da." seufzte ich sorgsam, nahm den Becher von ihm sicherheitshalber mit und steuerte das Obergeschoss an. Auch wenn er schon ein erwachsener junger Mann war, konnte ich ihn unmöglich alleine nach Hause laufen lassen. Falls irgendwas passieren würde, könnte ich es mir nie verzeihen. Ava war schon in ihren blauen Pyjama gehüllt, abgeschminkt und bereit ins Bett zu fallen als ich sie vor ihrer Zimmertür abfing. Es war als könnte sie mit ihren Augen direkt in meine Seele schauen und schon genausten über meine nächsten Worte Bescheid wissen, denn sie nickte bloß einfühlsam und öffnete ihren Mund. „Ich hoffe du weißt worauf du dich einlässt."
„Ich bring ihn bloß nach Hause."
Ungläubig starrte sie zu mir, machte einen kleinen Schritt auf mich zu, nahm meine Hand in ihre und drückte sie sanft. „Kommt gut nach Hause, schreib mir wenn ihr angekommen seid."
„Mache ich. Gute Nacht." zum Abschied nahm ich sie kurz in den Arm, stapfte dann die Treppen herunter und musste feststellen, dass Reece nicht mehr an Ort und Stelle war, wie ich es ihm angewiesen hatte. Na super.
„Jo." Phoenix Bishop stand in der Haustür, im Mund eine Zigarette und sah lässig wie immer aus. „Na." lächelte ich ihn an und mir blieben die tiefen Augenringe in seinem Gesicht nicht unentdeckt. „Reece ist gegangen."
„Alleine?"
„Mit Lana."
„Mit Lana." wiederholte ich kühl. Gott ich war so dumm und naiv.
„Wo ist Blondie?" fragte er beiläufig und zog an seiner Zigarette.
Lachend wiederholte ich den Namen Blondie, weil ich nicht genau wusste wen er meinte.
„Ava."
„Sie ist schlafen gegangen."
Und dann wurde ich Zeuge eines sehr seltsamen und intensiven Moment zwischen Sawyer und einem dunkelhaarigen Mädchens, dass ich aus meinem Geschichtskurs kannte. Ich meine, dass ihr Name Savannah gewesen sein musste. Sie war mindestens zwei Köpfe kleiner als Sawyer, zierlicher und hatte die Schönheit einer Fee.
Seine Augen klebten regelrecht auf ihr, während sie zu ihm hinauf sah und etwas sagte, was ich wegen der Musik nicht verstand. Daraufhin machte sie auf dem Ansatz kehrt, stürmte an mir und Phoenix vorbei und sah sichtlich mitgenommen aus. Sawyer machte keine Anstalt ihr zu folgen. Wahrscheinlich hatte er ihr genauso was vor gemacht wie den anderen hundert Mädchen, die sich mehr erhofft hatten als nur das körperliche Interesse.
Und aus diesem Grund konnte ich sie nicht einfach so davon laufen lassen in der Dunkelheit. Irgendwie steckten wir ja auch in einer ähnlichen Situation. Wir beide wollten jemanden haben, der uns nicht wollte. Also schenkte ich Phoenix ein entschuldigendes Lächeln, konnte noch seine letzten Worte wahrnehmen. „Du kannst nicht jeden retten."
Meine Schuhe knirschten über den Kies, während ich Sienna hinterherlief, die sich schniefend über die Nase rieb. „Sienna warte."
Sie drehte sich erschrocken zu mir herum, war stehen geblieben und wischte sich peinlich berührt die Tränen vom Gesicht. „Ja?"
„Geht es dir gut?"
Dämliche frage angesichts der Tatsache, dass sie gerade geweint hatte.
Sie formte ein gequältes Lächeln, hob ihre Hände fragend und schüttelte dann ihren Kopf. Dieser Anblick brach mir fast das Herz. „Gott ich hab mich gerade so blamiert."
Nachdem sie die Worte gesprochen hatte, fing sie an wie eine verrückte zu lachen, laut, als hätte jemand ihr das witzigste auf der Welt erzählt. Wie sehr ich ihr Verhalten nachvollziehen konnte. Man überspielte die Trauer und Angst mit einem Lächeln, in der Hoffnung man würde auch die dazugehörigen Gefühle erwecken. Vergebens.
„Er hasst mich. Sawyer McKenna hasst mich."
Tränen kullerten diesmal über ihre Wange und sie ließ sich verzweifelt auf der Bordsteinkante nieder. „Wieso sollte er dich hassen?" hackte ich neugierig, aber vorsichtig nach und gesellte mich zu ihr auf den kalten Boden. Hoffentlich würden wir uns bei den Temperaturen keine Erkältung einfangen, denn selbst der Pullover von Reece kam nicht gegen die nächtliche Kälte an. Savannah vergrub ihren Kopf zwischen ihren Knien, umklammerte mit ihren Händen ihre schlanken Beine und sah aus wie ein Häufchen elend. Es musste schlimmer sein als ich annehmen konnte, wenn sie so am Boden zerstört war. „Ich hab ihm sein Herz gebrochen." murmelte sie, schaute dann zu mir auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, was dazu führte, dass ihre gesamte Schminke verwischte. Trotzdessen strahlte sie eine Schönheit aus, von der ich träumen konnte.
„Sawyer hat mal ein Herz besessen?" wollte ich sarkastisch wissen und zauberte Savannah ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Dann erinnerte ich mich an die Worte von Ava zurück, die sie bei der Benefizveranstaltung über Sawyer und Savannah erzählt hatte. Anscheinend war er ganz anders bevor er und Savannah sich getrennt hatten.
Nickend rieb sie sich ihre Hände. „Wir waren vor einem Jahr zusammen, unzertrennlich." Ihre Stimme stockte für einen Moment, als müsse sie sich fangen und sprach dann weiter. „Und dann war da dieser eine dumme Moment gewesen. Nimm niemals Drinks von fremden Typen an, was habe ich dumme getan?"
Leise antwortete ich ihr auf die Frage. „Du hast den Drink angenommen?"
Sie nickte. „Libby und ich waren auf dieser Studentenparty, von irgendeinem Typen von Libs und im nächsten Moment wache ich halb nackt auf dem Boden im ersten Stock auf."
Ihre Stimme verklang, mein Herz raste und mir tat Savannah einfach nur leid, weil ich genau wusste was ihre nächsten Worte sein würden.
Schniefend fuhr sie sich durch die Haare, schaute zu mir und schüttelte weinend den Kopf. „Da waren so viele Videos von mir. Man hat mein Gesicht nicht erkannt, aber jeder der mich besser kennt wusste sofort, dass ich es bin."
Sie zog ihr Top so hoch, bis man ihre erste Rippe sehen konnte, auf dem eine tätowierte Rose zu sehen war. „Sav." hauchte ich, zog sie sofort in eine Umarmung und strich über ihre Haare. „Das tut mir so leid."
Ich hatte damals von diesen Videos Wind bekommen, wusste aber nicht wer dieses arme Mädchen gewesen war, die unten ohne von einem Kerl gefilmt wurde. Das Video hat keinen Ton, aber ich wollte mir nicht vorstellen wie sehr sie darunter litt. „Hast du diesen Kerl angezeigt?"
Kopfschüttelnd entzog sie sich aus keiner Umarmung und wirkte gefasster als eben. „Du darfst das niemanden sagen Quinn! Sawyer denkt ich sei ihm fremdgegangen, wenn er weiß was wirklich passiert ist, dann..."Sie sprach nicht weiter.
„Wieso hast du ihm nie die Wahrheit erzählt?"
„Weil ich es nicht ertragen könnte. Ich will das einfach nur vergessen."
Es zerbrach mir das Herz, dass sie diejenige war, die nichts dafür konnte und sich dafür schämte was dieser Junge ihr angetan hatte. Natürlich würde ich niemandem davon erzählen, ich konnte mir ja nicht mal erklären, wieso sie es ausgerechnet mir erzählt hatte. „Versprich es."
„Ich werd niemandem etwas davon erzählen."
Sie richtete sich auf, strich ihre Jeans und das top glatt und schaute zu mir herunter. „Danke, dass du hinterhergekommen bist."
Ich stand nun ebenfalls auf und lächelte ihr sanft zu, wobei mir alles andere als zum Lächeln zumute war. „Kein Problem."
„Warte mal kurz, Libby und du wart mal befreundet?" lenkte ich das Thema etwas um und war ziemlich erschrocken über den Fakt, dass ihre damalige Freundin nun mit ihrem Freund angebandelt hatte. „Ach das war bloß eine Frage der Zeit, sie hat schon damals immer bei seinem Anblick gesabbert."
„Was für eine Freundin." kommentierte ich Verständnislos.
„Gehts dir besser?"
„Es tat wirklich gut mal mit der Wahrheit herauszurücken."
„Worum ging es eben bei euch?"
Savannah hackte sich bei mir ein und dann liefen wir einfach los, die Straße hinunter und ich genoss die langsam aufgehende Sonne am Ende des Horizonts.
„Als er mich gesehen hat, wollte er wissen wieso ich es wage auf seine Party zu kommen."
„Oh."
„Ich wünschte ich wäre niemals mit Libby mitgegangen."

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