Sehen und Hören -1-

163 21 12
                                    

I.

Es war eine alte Straße obwohl sie nicht so aussah. Für die Gegend war es eine gute Straße, gepflastert und mit einem Graben befestigt. Nur ein einsamer Reiter benutzte sie. Ein staubiger, grauer Mantel schützte ihn vor dem Wind der unablässig über die Grasebene wehte, nur einige Hügel, welche die Häuser der Hirten kennzeichneten, schufen Abwechslung. In der Ferne ragten die hohen Bäume eines Waldes auf.

„Na dann sind wir ja bald da." sagte der Reiter mit rauer Stimme.

„Wurde auch Zeit, nicht wahr?" diese Worte wurden zu dem Pferd des Mannes gesprochen, dessen Hals er dabei tätschelte.

Das Tier wieherte zustimmend, es war grau mit einem weißen Fleck auf Stirn und Schulter und ähnelte von der Farbe her seinen Herrn. Der Reiter holte einen zusammengefalteten Zettel hervor. Er faltete ihn auf. Er war sehr zerknittert, die Tinte bereits verblasst. Der Reiter musterte ihn, obwohl er das Blatt bereits auswendig kannte. Auf ihn stand: Das Dorf Holzplatz am Wald von Cyrk sucht einen Abenteurer, Kopfgeldjäger oder Zauberer zur Beseitigung einer Hexe. Belohnung: 50 Sovereign.

„Fünfzig Sovereign ist zwar nicht viel aber wir brauchen das Geld, nicht?"

Wieder wieherte das Pferd zustimmend. Der Reiter verlagerte sein Gewicht, bei der Bewegung blitzte sein Graues Kettenhemd unter dem dunklen Mantel auf. Der Reiter war ein Fomorer, ein Mitglied jener Zunft, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten die Menschen gegen Monster und Ihresgleichen zu schützen. Sie waren Söldner und nicht gerade billige. Doch sie waren Profis, verlässlich und effektiv und dafür zahlte man gerne die ein oder andere Münze mehr. Gleichzeitig waren sie wegen ihrer schmutzigen Arbeit recht unbeliebt und da sie die Runen beherrschten betrachtete vor allem das einfache Volk sie mit Misstrauen. Der Wind spielte weiterhin mit dem Haar des Mannes und das Pferd trabte weiterhin.

II.

Die Kinder klammerten sich an die Röcke ihrer Mütter, diese wiederum schauten ängstlich zu Boden, als der Schatten des Reiters auf sie fiel. Von den Männern wurde der Reiter böse angesehen, ihre Werkzeuge packten sie fester. Fremde bedeuteten selten Gutes, und Bewaffnete schon gar nicht.

Carne kümmerte sich nicht darum, er war schlimmeres gewohnt, die Leute pflegten ihn anzuspucken und mit Steinwürfen fortzujagen. Sein Pferd trottete durch den Schlamm der die Straße zwischen den niedrigen, strohgedeckten Holzhäusern bildete. Vor dem Haus des Bannwartes, gekennzeichnet durch ein, auf die Wand gezeichnetes, stilisiertes Schild, stieg er ab. Die Zügel schwang er um einen Pfosten des Zauns. Der Bannwart löffelte aus einer Holzschale eine dickflüssige Brühe, das Meiste tropfte in seinen verfilzten Bart. Als Carne eintrat blickte er auf, rülpste und schob die Schüssel weg. Wortlos bedeutete er Carne sich zu setzen, der blieb stehen.

„Es hat sich also jemand gefunden." begann der Bannwart. „Noch dazu ein Fomorer."

Carne nickte und legte den Steckbrief auf den zerkratzten Tisch. „Stimmt das mit der Hexe und der Belohnung?" fragte er.

Der Bannwart nahm einen tiefen Zug aus einem großen Krug und rülpste erneut. „Leider ja. Wir haben hier eine Hexe die uns allerlei Ungemach bereitet. Willst du auch ein Ale?"

„Ja danke."

Während der Bannwart aufstand und einen Krug von einem kleinen Fässchen zapfte, blickte Carne sich um. In einer Ecke befand sich eine Zelle, sie bestand nur aus den beiden Hauswänden und Holzstangen, die vom Alter fleckig waren. An der Wand lehnten die Waffen des Bannwarts und seiner Gehilfen, zwei rostige Speere, ein kurzer Bogen, der wahrscheinlich nichtmal genug Zugkraft besaß um ein fingerdickes Stück Holz zu durchschlagen, zwei primitive Keulen bestehend aus Ästen mit Wurzelenden, und zwei Holzfälleräxte, die aber blitzblank und in perfekten Zustand waren. In dem Raum befand sich außerdem noch die Truhe mit den persönlichen Habseligkeiten des Mannes, ein niedriges Bett auf dem ein Strohsack lag und natürlich der Tisch mit den zwei Schemeln. Der Bannwart reichte Carne den Krug. Der Fomorer nickte zum Dank und nahm einen Zug. Entgegen seiner Erwartungen, war das Ale durchaus gut, nicht zu sandig, ohne Brocken und durstlöschend.

Die Flamme in der FinsternisWhere stories live. Discover now