|K A P I T E L 4|

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Nayla

Die Schmerztabletten von Leandros wirken ziemlich schnell, weswegen ich duschen konnte, ohne wirkliche Schmerzen zu haben. Die Dusche tat mir wirklich gut, ich habe die letzten Jahre nie warm Duschen können. Zu teuer war es für mich. Leandros hat mir von sich eine schwarze Jogginghose gegeben und ein weißes T-Shirt, in dem ich förmlich verschwinde, da sie mir so groß sind. Unterwäsche hat er mir auch gegeben. Meine Haare habe ich in ein Handtuch gewickelt. Leandro sitz auf dem Bett, als ich aus dem Bad komme. „Möchtest du dich hinlegen?" Ich schüttle den Kopf, ich möchte hier weg, ums so länger ich hier bin, um so größer ist die Gefahr das er es erfährt. „Mein Bruder ist da, er möchte mit dir reden." Sein Bruder? Warum will er mit mir reden? Ist das überhaupt Leandros vor mir? Hat er vielleicht einen Zwilling? Der Mann vor mir erhebt sich vom Bett, ich gehe ein Schritt zurück. Ich vertraue ihm nicht, warum sollte ich auch? „Ich tue dir nicht, merk dir das." Er geht aus dem Zimmer, ich folge ihm. Der schwarzhaarige läuft die Treppe runter, von der Treppe aus, wenn man nach unten läuft, kann man den Rest des unteren Teils des Apartments perfekt sehen. Ich sehe einen Mann an der Kücheninsel sitzt, von hinten hat er gewisse Ähnlichkeit mit dem Mann vor mir, ist das Leandros oder der vor mir? Hat er vielleicht einen Zwillingsbruder?

„Τελείωσε." [Übersetzung: Sie ist fertig.] sagt der Schwarzhaarige vor mir zu dem Mann der an der Kücheninsel sitz, der Mann an der Kücheninsel dreht sich um. „Guten Tag, ich bin Eros. Der ältere Bruder von Leandros." Sie sind nicht die gleiche Person, das beruhigt mich irgendwie, aber warum will er dann mit mir reden? Ich kenne ihn gar nicht. „Komm, wir setzen uns auf die Couch, da können wir in Ruhe reden." Eros zeigt mit seiner Hand auf die Riesen große Couch, wo Leandros mich gestern versorgt hat. Die Bilder von gestern spielen sich vor mir ab, wie er meine Wunden gesäubert hat und so vorsichtig war, wie es ging, damit ich keine Schmerzen habe. Wir gehen zu dritt zur Couch und setzen uns hin. Eros links, Leandros rechts und ich in der Mitte. „Ich bin jetzt einfach mal so direkt. Leandros hat mir von gestern erzählt und von vorgestern. Wir wollen dir nichts Böses, wir wollen dir helfen. Du hast Angst, das kann ich verstehen, aber die brauchst du nicht. Wir wollen dir helfen. Dafür musst du uns aber sagen, was passiert ist." Man kann mir nicht mehr helfen, es geht einfach nicht, für mich gibt es keine Rettung mehr. Das habe ich vor Jahren schon akzeptiert. „Es ist nichts, wirklich. Ich bin halt tollpatschig und bin ausgerutscht bei dem Regen gestern." Ich kann besser lügen, doch heute bin ich einfach zu kaputt dafür. Kaputt vom Leben. „Camila, ich bin nicht dumm. Du bist weder bloß ausgerutscht noch hast du ausersehene vergessen zu bezahlen. Man kann keinen zwingen ihm die Wahrheit zu sagen, aber dir geht es schlecht. Du gehst daran kaputt." Ich weiß, würde ich am liebsten antworten, aber ich kann einfach nicht. Ich schweige, ich höre Leandros neben mir frustriert aufseufzen. „Πες της από πριν, έχω μια ιδέα" [Übersetzung: Erzähl ihr von früher, ich habe eine Idee.] Eros sagt irgendwas zu seinem Bruder, ich schaue zu Leandros, der anfängt was zu sagen. „Vor ein paar Jahren noch, waren wir arm, wir hatten nicht viel. Ich, meine Eltern und meine fünf Geschwister teilten uns eine kleine Wohnung. Wir Jungs teilten uns ein Zimmer, die Mädchen teilten sich ein Zimmer und unsere Eltern. Das Geld war knapp, wir teilten uns unsere Klamotten, die Mädchen trugen meist mit die Klamotten von uns Jungs. Irgendwann starb meine Großmutter und alles änderte sich. Sie hinterließ uns ein Erbe, ein Erbe, was groß genug war, um dort wegzukommen. Wir lebten in Griechenland und wir wollten in die USA. So viel hatten wir darüber gehört, also sind wir illegal eingewandert. Mit vielen anderen. Wir konnten uns ein kleines Haus kaufen, illegal, dort lebten wir. Doch der Anfang war hart, sehr hart. Wir haben als Geschwister beschlossen, dass es mehr im Leben gibt als das, wir haben jeden Tag hart gearbeitet, jeden Tag für unsere Träume geschuftet. Irgendwann konnten wir sogar dank harter Arbeit hier legal leben, bis heute. Wir haben uns ein Milliarden schweres Unternehmen aufgebaut, in der ganzen Welt haben wir Investoren, haben überall auf der Welt Immobilen und noch so vieles mehr." Leandros stoppt und sein Bruder redet weiter. „Was wir dir sagen wollen, egal wie hoffnungslos es scheint, es gibt immer ein Ausweg. Unser Ausweg war das Erbe, dein Ausweg sind wir, wenn du es zulässt." „Nicht für mich." Murmel ich vor mich hin, doch die zwei hören es. „Warum gibt es keinen Ausweg für dich?", fragt der Bruder von Leandros mich, ich öffne meinen Mund, doch schließe ihn gleich wieder.

Ich kann ihm einfach nichts sagen, es geht nicht. Es würde alles nur verschlimmern. Wenn er erfährt, dass ich mit anderen darüber rede, würde er mich einsperren und die beiden töten. „Άσε με μόνη μαζί της." [Übersetzung: Lass mich mit ihr alleine.] Eros erhebt sich, als Leandros was zu ihm sagt. Wieder mal verstehe ich die zwei nicht. Ist das Griechisch? Sie haben doch dort gelebt. Eros geht die Treppe nach oben, mit meinen Augen folge ich ihm. „Camila, du hast Angst. Das verstehe ich, doch du brauchst keine zu haben. Ich und mein Bruder, wir können dir helfen." „Ich möchte keine Hilfe, nicht von dir und auch nicht von deinem Bruder. Ich möchte nur nachhause." Meine Stimme klingt am Ende flehend, doch ich weiß nicht, wonach ich flehe. Den mein zu Hause existiert schon lange nicht, es ist mit dem Tod meiner Eltern gegangen. „Dein Zuhause? Wo es weder eine Heizung gibt noch Warmwasser. Wo jeder hinein kann, wie er will?" Nein, ich will in mein zu Hause, nicht in die Wohnung, in der ich derzeit lebe. Einfach nur nachhause möchte ich. „Antworte!" „Ich kann nicht, ich kann nicht. Für mich gibt es keine Hoffnung, keine Rettung. Akzeptiere es. Es ist mein Leben, ich möchte euch nicht mit hereinziehen und schuld sein, dass euer Leben zerstört wird." schreie ich ihn an, er soll aufhören. Er soll aufhören, sich in mein Leben einzumischen. Ich stehe von der Couch auf, gehe in Richtung Tür, doch werde von jemanden zurückgezogen. Ich knalle an eine harte Brust, an seine harte Brust. „Ich weiß, wir kennen uns nicht, doch bitte rede mit mir. Sag mir, warum unser Leben zerstört werden sollte?" Wieso sollte ich mit ihm reden? Damit ich ihn in Gefahr bringe, ich will nicht schuld an dem Tod von ihm sein. Ich will nicht schuld sein, dass sein Leben kaputtgeht. „Lass mich los, ich will gehen. Du darfst mich nicht einfach so festhalten." „Leandros, lass sie los", ertönt die Stimme von Eros, der auf der Treppe steht. Leandros lässt mich los. Lange überlege ich nicht und drehe mich um und gehe Richtung Fahrstuhl. Kurz bevor ich den Fahrstuhl erreiche, stoppe ich, Leandros Stimme hält mich auf. „Ich weiß nicht wovor oder wem du Angst hast, aber dir passiert nichts so lange ich leben. Ich kann dir helfen, dafür musst du hierbleiben. Egal wie hoffnungslos es scheint, ein Versuch ist es doch wert. Bleib hier, du musst mir nicht sofort sagen was los ist, bleib hier. Solange du hier bist, passiert dir nichts. Das verspreche ich dir. Nur gehe nicht zurück." Vielleicht hat er recht, ein Versucht ist es wert. Doch was ist, wenn damit alles zugrunde geht, wenn dann alles endgültig zerstört, ist? Sie sterben und ich dann schuld bin. Doch was, wenn nicht, wenn ich wieder frei leben kann, wieder glücklich sein kann? Ich sollte es riskieren, für meine Eltern, die nie gewollt hätten, dass ich so ein Leben, führen muss. Dafür endlich in Freiheit leben zu können. Auch wenn es mich mein Leben kosten könnte. Doch kann ich mit den Konsequenzen leben? „Ich bleibe. Nur verzeiht mir, wenn ich mit dieser Entscheidung alles zerstört." Ich kann dieses Leben nicht mehr führen, es zerstört mich von innen.

Die letzten sechs Jahre waren die Hölle und ich bekommen die Chance dieser Hölle zu entkommen, nach Jahren. Ich muss diese Chance ergreifen. Ich drehe mich zu den zwei um, Eros steht mittlerweile neben ihm. Leandros atmet hörbar erleichtert aus. Doch ich spüre nicht ein Funken Erleichterung.

„Du wirst damit nichts zerstöre. Wir holen deine Sachen, dann fahren wir wieder hier her und du ruhst dich aus. Hier bist du sicher. Deal?" fragt er, ich nicke, wenn ich erstmal hierbleibe, brauche ich auf jeden Fall Klamotten und die von Leandros kann ich nicht für immer tragen. Die Zwei Brüder begeben sich in Richtung Fahrstuhl, zu mir. Ich laufe die letzten Schritte auch zum Fahrstuhl, öffne sie und trete hinein. Die zwei folgen mir. Im Fahrstuhl drückt Leandros einen Knopf, Eros gibt mir einen Pullover mit den Worten: „Draußen ist es kühl." Wortlos greife ich nach dem Pullover und ziehe ihn an.

In der Tiefgarage angekommen laufen wir zu einem Auto, die zwei Jungs steigen vorne ein und ich hinten.

Im Wohnhaus, wo meine Wohnung ist, angekommen, laufen wir die paar Treppen nach oben. Vor meiner Wohnungstür angekommen stoppe ich. Sie steht offen. Sie war zu als ich das letzte Mal gegangen bin, das weiß ich. „Alles gut?", fragt mich Leandros, ich nicke und trete langsam ein. Vielleicht hat einer im Rausch seine Wohnung nur verwechselt und vergessen, die Tür zu, zu machen.

Doch ich liege falsch, mein Atem stockt, als ich eine große männliche Person in komplett schwarz auf meiner Couch sitzen sehe. Einer seiner Männer.
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Kapitel 4

Meinung?

𝑳𝒂 𝑬𝒔𝒑𝒆𝒓𝒂𝒏𝒛𝒂 𝒅𝒆 𝒍𝒂 𝒗𝒊𝒅𝒂Where stories live. Discover now