Kapitel 3

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Allgemeines Kreischen und Gelächter bricht aus, als sich die Ersten ausziehen, ihre Klamotten irgendwohin pfeffern und grölend auf das Seeufer losrennen.

Auden sieht mich mit riesengroßen kugelrunden Au­gen an.

»Jetzt schon? So früh waren die doch noch nie dran, oder?«, sagt sie panisch und verdeckt die Brust mit ihren Armen, obwohl sie sich nicht wie die anderen Mädchen in unserer Nähe den BH vom Leib reißt und kreischend zum See stürmt.

Zustimmend schüttle ich den Kopf. Dieses Jahr sind sie tatsächlich früh dran – oder wir sind einfach zu spät gekommen. Schließlich hat Jamie, bevor wir losgefah­ren sind, eine Ewigkeit gebraucht, um in seinen Um­zugskartons seinen Lieblingspulli zu finden.

»Machst du mit?«, frage ich Auden und blinzle sie flehentlich an. Suchend blickt sie sich um, vermutlich um meinen Bruder ausfindig zu machen. Doch ihre blauen Augen scheinen ihn in der angetrunkenen, split­ternackten Meute nicht zu entdecken. Nur wenige ste­ cken noch in ihren Klamotten: diejenigen, die kneifen und an die sich am Montag in der Schule jeder erinnern wird. Hier und heute fallen nicht die auf, die splitterfa­sernackt in den See hüpfen, sondern diejenigen, die es nicht tun. »Ich will nicht, dass uns in der Schule jeder auslacht, weil wir total prüde sind. Komm schon, nur fünf Minuten. Danach gehen wir sofort wieder raus und ziehen uns an.«

»Meine Eltern und die gesamte Kirchengemeinde werden mich töten, wenn das rauskommt«, stöhnt Au­den genervt und öffnet mit unbehaglichem Gesicht die Knöpfe ihres Kleides. »Aber ich lasse so was von meine Unterwäsche an. Sollen die mich ruhig als prüde und verklemmt bezeichnen.«

Ich grinse in mich hinein, während ich aufspringe und mich aus meinen Chucks, Jeans und T-Shirt schäle. Zugegeben, die Tatsache, dass ich jetzt nur noch meine Unterwäsche trage und so vor der gesamten Oberstufe stehe, bringt meinen Magen zum Flattern. Aber da es al­ le tun und es dunkel ist, ist das Ganze gar nicht mehr so schlimm. Ich darf nur nicht zu lange darüber nachden­ ken, was ich gerade tue.

»Ich hoffe, derjenige, der sich diese Tradition ausge­ dacht hat, schmort dafür irgendwann mal in der Hölle«, murrt Auden und schlüpft aus den Ärmeln ihres Klei­ des, das daraufhin in einer fließenden Bewegung auf den Boden gleitet. »Das ist Gruppenzwang.«

Ich grinse breiter, hebe den Kleiderhaufen mit mei­ nen Sachen auf und wende mich Auden zu. »Lass uns unsere Klamotten lieber hinter irgendeinem Busch ver­ stecken. Letztes Jahr haben ein paar Idioten Jamies Sa­ chen geklaut, während er im Wasser war. Ich wette, das war Reeve.«

»Du meinst letztes Jahr, als ich diese fiese Erkältung hatte?«, fragt Auden, nimmt ihr Blümchenkleid und folgt mir hinter einen knorrigen Baum. Jede von uns trägt noch ihre Unterwäsche, ansonsten nichts mehr. Im Hintergrund ist das Geräusch von spritzendem Was­ ser und Gelächter zu hören. Irgendetwas – oder irgend­ jemand – scheint laut platschend im See zu landen.

»Nö«, sage ich lachend. »Ich meine letztes Jahr, als du nur so getan hast, als wärst du krank.«

Eingeschnappt holt A aus und verpasst mir mit ihrer geballten Faust einen Knuff gegen den Oberarm. »Nur für fünf Minuten, ja?«

Zustimmend nicke ich und entledige mich meiner ro­ sa Unterwäsche. Auden und ich tauschen einen langen Blick miteinander aus. Im Halbdunkel und im Schutz der Bäume ist kaum etwas zu erkennen. Kritisch wird es nur, sollten wir direkt am Lagerfeuer vorbeilaufen. Auden verdeckt angespannt mit ihren Armen das Nö­ tigste und tritt nervös von einem Fuß auf den anderen. Das Einzige, das sie abgesehen von ihrer hautfarbenen Wäsche noch trägt, ist ihre filigrane Kreuzkette.

»Auf drei, ja?«, meine ich und halte ihr auffordernd die Hand hin. Mit peinlich berührter Miene nickt sie und nimmt zögerlich meine Hand. Sie sieht immer noch so aus, als wollte sie am liebsten im Erdboden versin­ ken. Mein besänftigendes Lächeln scheint sie auch nicht zu beruhigen. »Eins.«

When I Broke Up With Love (ehemals: Vielleicht morgen, Herz)Where stories live. Discover now