Kapitel 2

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Das Lagerfeuer findet wie immer am Green Lake statt – umringt von Bergen und hohen Bäumen. Die Wipfel verdecken das dunkelblaue Leuchten des Nachthimmels und der ersten Sterne fast vollständig und tauchen alles in tiefe Schatten.

Ich recke das Kinn, als Auden, Jamie und ich näher auf das lodernde Lagerfeuer zulaufen, das seinen Rauchgeruch überall in der Luft verteilt. Orangerote Funken stieben tanzend in Richtung Himmel und verur­ sachen ein Knacken, das unter der dröhnenden Musik aus einer Anlage kaum zu hören ist. Überall stehen Schüler der Maple High herum, die tanzen, sich unter­ halten oder sich einfach nur mit reingeschmuggeltem Bier betrinken. Die Stimmung ist ausgelassen, und das, obwohl übermorgen wieder die Hölle losbricht.

»Leute, sobald es später losgeht, verschwinde ich«, räumt Auden, die zwischen Jamie und mir hertrottet und seine Hand hält, mit gedämpfter Stimme ein und blickt sich um. Ihre Wangen werden allein schon bei dem Gedanken an das Ritual kreidebleich.

»Ach, komm schon«, sage ich. »Bis dahin ist es stockdunkel, und neunzig Prozent der Anwesenden sind – hoffentlich einschließlich meiner Wenigkeit – betrunken.« Manchmal verstehe ich echt nicht, wie man so verklemmt sein kann wie meine Freundin. An­ dererseits habe ich auch keine Ahnung, wie es ist, in einer streng katholischen Familie aufzuwachsen.

Auden holt tief Luft und schmiegt sich von der Seite enger an meinen Bruder. »Schön. Ich will das trotzdem nicht.«

»Es machen alle mit, Babe. Niemandem wird es auf­ fallen«, sagt Jamie und drückt ihr einen zarten Kuss auf die Schläfe.

Das, wogegen A sich gerade sträubt, ist die alljährli­ che Tradition, die an der Maple High immer am letzten Samstag der Sommerferien für alle Highschool-Schüler ab der Mittelstufe am See durchgeführt wird. Um Mit­ ternacht heißt es: Runter mit den Klamotten und rein in den See!

»Das ist doch gar nicht so schlimm«, sage ich und lächle Auden aufmunternd an.

Jamie schüttelt grinsend den Kopf, als Auden stur die Unterlippe zwischen die Zähne zieht. »Sagt der Schis­ ser, der letztes Jahr selbst nicht mitgemacht und sich lieber hinter den Büschen versteckt hat!«, feixt Jamie.

Empört schnappe ich nach Luft und verschränke die Arme vor der Brust. »Na und? Da war ich auch noch vergeben und davor ...«

»Dexter auf drei Uhr!«, unterbricht Auden mich plötzlich und rammt mir so heftig ihren Ellenbogen in die Rippen, dass ich wie ein kleines Kätzchen, dem je­ mand auf die Pfote getreten ist, aufquieke.

»Wenn man vom Teufel spricht«, schnaube ich und bleibe wie angewurzelt auf der Stelle stehen. Die Äste unter meinen Schuhsohlen knacken leise – so wie mein Herz, das gerade zersplittert. Im Schein des Feuers er­ kenne ich, wie eine Gruppe Jungs mit Bierflaschen oder blauen Pappbechern in den Händen am Seeufer ent­ langschlendert und immer näher in unsere Richtung kommt. Dexter geht rechts außen neben seinen beiden Freunden her, nippt an seinem Bier und fährt sich mit einer Hand und einem verwegenen Gesichtsausdruck durch das pechschwarze Haar.

Dexter ... mein Ex-Freund.

Obwohl unsere Trennung mittlerweile schon über ein halbes Jahr her ist, spüre ich immer noch den dumpfen Stich in der Brust, wenn ich ihn ansehe. Von innen bei­ ße ich mir so fest auf die Wange, dass es wehtut, und versuche, ruhig weiterzuatmen, ohne zu hyperventilie­ ren.

»Der Pisser«, knurrt Jamie und spannt all seine Mus­ keln an. Sein Blick ist hart und liegt auf Dexter, als wollte er ihn mit seinem Gesichtsausdruck töten.

»Ist es falsch, wenn ich mir gerade wünsche, dass er direkt auf das Feuer zuläuft und anfängt zu brennen?«, überlege ich laut und werfe einen Blick auf Jamie und Auden.

When I Broke Up With Love (ehemals: Vielleicht morgen, Herz)Where stories live. Discover now