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Mit meinem fast fertig abgezählten Geldbündel in der Hand watschelt Simon Peters zum Bett und säuselt honigsüß: „Mein Täubchen ist aufgewacht!"

„Simon, meine Kohle!", ruf ich dem kleinen Dicken hinterher, der beschwingt das Podest besteigt, auf dem mein Bett steht.

„Jaja, gleich! Ladies first! Hast du denn keine Manieren?" Dabei dreht er sich nicht mal zu mir um, sondern hält seine dunklen, knopfartigen Augen auf dich gerichtet. „Hast du was Schönes geträumt, mein Täubchen?"

Du reibst dir die Augen und fragst mit einem Tonfall, der mich stutzen lässt: „Simon? Guten Morgen! Was machst du denn hier?"

Wie aufrichtig ist deine Freundlichkeit und wie tief hast du wirklich geschlafen?

„Ich wollte mich nach deinem Befinden erkundigen. Hat dich Viktor auch gut..." Er macht eine Pause und betont das letzte Wort umso deutlicher: „...behandelt?"

Ich bin Simons Spielchen gewohnt und sie langweilen mich. „Simon, sagtest du nicht, dass du es furchtbar eilig hast?"

„Du kriegst dein Geld. Nur die Ruhe, mein Bester!"

Ich verschränke die Arme vor der Brust und übe mich in Geduld - nicht meine größte Stärke.

„Wie nett", säuselst du, „dass du dich um mich sorgst, Simon. Abgesehen davon, dass mich Viktor wie eine Gefangene behandelt, geht es mir ausgezeichnet."

„Was hast du erwartet?", rufe ich von hinten. „Dass du und dein Verlobter mich abziehen könnt und ich dich einfach so gehen lasse?"

Simon dreht sich zu mir um und nickt eilfertig, dann wendet er sich wieder dir zu. „Da muss ich dem guten, alten Viktor beipflichten. Beim Spiel ist es wie beim Geschäft, mein Täubchen. Man stellt Regeln auf, damit sich alle daran halten. Liam schuldet Viktor viel Geld." Simon wedelt mit dem Geldpacken in seiner Hand. „Und darum solltest du Viktor deinen ganzen Respekt zollen, dass er dir seine Gastfreundschaft ohne weitere Gegenleistung gewährt hat."

„Ja, ich habe längst kapiert, wie wichtig euch eure Pokerregeln sind. Und ich versichere dir, ich bin mir inzwischen bewusst, auf was ich mich da eingelassen habe", antwortest du überraschend einsichtig. „Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Simon: Was macht ihr beiden hier für Geldgeschäfte in aller Herrgottsfrüh?"

Simon Peters setzt sich ans Fußende des Bettes und entblößt seine Zähne. „Ich hab euch frische Croissants vorbeigebracht. Lust auf Frühstücken, mein Täubchen?"

„Oh, wirklich?", entgegnest du zuckersüß. „Ich sterbe vor Hunger!"

„Viktor, sei doch so nett und bring uns mal die Brötchentüte rüber!", fordert er mich auf und fläzt seinen adipösen Leib quer übers Fußende. „Mein Täubchen und ich frühstücken heute im Bett!"

„Wolltest du nicht zur Schule?", frage ich dich genervt.

Du drehst den Kopf zur Fensterfront und blinzelst in die Morgensonne. „Hab mich für die Woche krank gemeldet."

„Oh, perfekt", Simon klatscht in die Hände, „dann wird dich niemand vermissen – außer Liam vielleicht."

„Ja, aber auch nur vielleicht", grummle ich.

„Lass Liam meine Sorge sein und bring mir lieber die Brötchentüte. Ich will jetzt mit meinem Täubchen im Bett frühstücken."

„Lass den Scheiß, Simon", herrsche ich ihn an. „Gib mir mein Geld und dann verschwindet einfach, ihr beiden!"

Du ziehst deine Beine an und legst dir die Decke wie ein Kleid um den Busen, während du mich mit vorwurfsvoller Miene fragst: „Was heißt hier ‚ihr beiden'? Schmeißt du mich etwa raus?"

Ich greif mir die Papiertüte von der Anrichte, während Simon dir zuckersüß erklärt: „Viktor und ich haben gerade ein Geschäft abgeschlossen zu unser aller Vorteil."

„Abgeschlossen ist es erst, wenn ich meine Kohle habe", sag ich gereizt und werfe in einem hohen Bogen die Tüte aufs Bett, die Croissants purzeln heraus. „Da habt ihr euer Frühstück! Jetzt her mit meiner Kohle - und dann raus mit euch!"

Ich bleibe am Fußende stehen und winke fordernd.

Du greifst dir eines der Croissants, beißt genüsslich hinein und krümelst mir das Bett voll. Du machst mich irre! Auf eine ganz andere Art macht mich deine aufgesetzte Arglosigkeit irre.

Ich sehe dir doch an, dass du längst begriffen hast, worum es hier die ganze Zeit geht. Was glaubst du zu gewinnen, indem du die Fakten verleugnest?

„Lässt du mich mal beißen", fragt Simon, beugt sich in deine Richtung und öffnet seinen Schnabel wie ein hungriges Kuckucksküken.

Du tust ihm den Gefallen und rupfst ein Stück von deinem Croissant und schiebst es ihm in den Mund. Simon kaut genüsslich auf dem Bissen herum, schließt dabei sogar die Augen und brummt wie ein honigschleckender Bär. Bist du wirklich so arglos, dass du dich auf sein Spiel einlässt?

Was soll's, das ist nicht mehr länger mein Problem. „Simon, entweder ich krieg auf der Stelle die Kohle, oder der Deal ist geplatzt!"

Kurz rollt er mit den Augen und grinst debil. Dann kapiert er aber doch, dass ich nicht scherze und hält mir mit den Worten „Stimmt so" das ganze Geldbündel hin.

Ich pflücke es aus seiner Hand und zähle es konzentriert ab.

„Und wofür ist das Geld jetzt?", fragst du, während du auf dem letzten Zipfel deines Croissants herum mümmelst. Dass du so tust, als hättest du es immer noch nicht geblickt, ist so scheinheilig.

Ich habe mein Geld abgezählt und stopfe es in meine Hosentasche. Die übrigen Scheine werfe ich vor Simon aufs Bett. „Spar dir dein Trinkgeld und halt dich an unseren Deal und schaff sie endlich hier raus!"

Simon seufzt melodramatisch, rafft die Scheine dann aber doch zusammen. Und er sammelt auch die restlichen Croissants wieder ein und steckt sie zurück in die Tüte und flötet bestens gelaunt: „Komm mein Täubchen, wir müssen los! Onkel Viktor schmeißt uns aus seiner Hütte."

„Dafür ist das Geld? Du hast mich an Simon verscherbelt?" Du wirfst mir einen vorwurfsvollen Blick zu, der sich aber sofort in einen nachsichtigen verwandelt. „Schade, ich werde dich ein bisschen vermissen." Dabei leckst du dir einen letzten Krümel von der Oberlippe.

„Ich muss mich nur schnell frisch machen und anziehen, dann können wir", flötest du fröhlich, rutschst aus dem Bett und schlenderst mit dem umgewickelten Bettlaken davon.

Wir sehen dir beide hinterher, wie du die Hüften absichtlich schwingen lässt, bis du in dem Schichtleiter-Büro verschwindest, das ich zu einem Bad umgebaut habe.

„Hatte schon Sorgen, ich müsste sie mit Gewalt hier rauszerren", grinst Simon und macht dann eine enttäuschte Miene. „Die Kleine kann einem auch jeden Spaß verderben!"

„Simon, reiß dich am Riemen!"

„Vielleicht lass ich mir gleich, wenn ich mit ihr allein bin, mal von ihr am Riemen reißen. Dir hat sie ja schon die Eier abgebissen. Hat sie die runtergeschluckt? Oder wo hat sie die hingespuckt?" Der kleine, dicke Spaßvogel sieht sich suchend auf dem Boden um.

„Simon, übertreib's nicht!"

Er klopft mir mit der flachen Hand gegen meine nackte Brust. „Locker bleiben, mein Bester. Sie ist nicht mehr dein Problem. Genauso wenig wie dieser Loser, der seine eigene Freundin verzockt."

„Sie ist seine Verlobte! Liam und Kyra werden heiraten. Behandle sie entsprechend!"

Simon lacht höhnisch. „Ach, werden sie das? Du Optimist!"

Ich drohe ihm mit einem Blick, den er zum Glück versteht, weil ich den Deal sonst vielleicht doch noch hätte platzen lassen.

„Beruhig dich, mein Bester! Was denkst du nur von mir? Ich bin doch kein Unmensch. Gönn mir doch den kleinen Spaß mit den beiden!"

Bad Beat - VerspieltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt