One bed between us

٧

"Warum hast du dich angezogen?", fragt Aladin als ich frisch geduscht und voll bekleidet das Bad verlasse. Ist der dumm oder sowas?!?

"Wieso wohl?", antworte ich während ich mich auf mein Bett setzte und versuche ihm nicht in die Augen zu gucken. Man ist das peinlich... der hatte mich gestern einfach halb nackt im Arm.

"Bist du dumm? Wir haben das gestern nicht ohne Grund durchgezogen."  „Junge, bist du auf den Kopf gefallen oder warum bist du so dumm wie Bernd das Brot?", frage ich genervt. Ich setze mich auf das Bett und greife nach meinem Ipad.

Ich hab noch so viel Unterrichtsstoff nachzuholen, dass ich heulen könnte.

Gekonnt ignoriere ich die weiteren Einwände Aladdins indem ich mir meine Kopfhörer auf die Ohren setze und den ApplePen aus der Hülle nehme um mit meinen Hausarbeiten zu beginnen.

Hin und wieder blicke ich zu meinem Mann (boa ist das komisch zu sagen) rüber, der es nach einiger Zeit aufgibt mich anzusprechen und nun an seiner hübschen Nase hinunter in ein Buch schaut.

Konzentriert folgen seine braunen Augen den Zeilen, während sich eine Falte zwischen seine Augenbrauen legte und seine Nase sich leicht kräuselt. Das sieht mega süß aus. Ihm würde es bestimmt nicht gefallen das zu hören...

Ich mein ja nur, "Männer" wollen hören, dass sie heiß und sexy sind, stark und groß. Nicht süß. Aber er ist es, er ist süß.

Und eigentlich sollte ich mir verbieten auf so eine Art und Weise über ihn nachzudenken, wenn man bedenkt, dass unsere Ehe rein zweckerfüllender Natur ist, aber in den Augen von Allah ist sie dies gewiss nicht.

Auch wenn wir nichts für einander empfinden (er zumindest nicht, ich weiß nicht, was ich fühle) finde ich nicht, dass unsere Ehe keinen Wert hat. Denn eine Ehe ist und bleibt eine Ehe...

Das ist so krass. Ich bin eine verheiratete Frau. Mit 16.

Immerhin werde ich jetzt nicht sterben ohne irgendwann mal geheiratet zu haben.

Als ich gegen Nachmittag fertig mit meinen Aufgaben bin lege ich das Ipad wieder auf meinen Nachttisch und blicke nochmal zu Aladdin rüber, der mich anscheinend schon etwas länger angesehen hat. Seine Augen bleiben an meinen hängen und wir bieten uns einige Augenblicke ein Blickduell, bis ich irgendwann verlegen meine Augen senke, nur um ihm sofort danach wieder in seine Augen zu gucken.

Der einzige Unterschied nun ist, dass er breit grinst und meine Wangen rot sind. Ich wüsste gerne, was er gerade denkt. Meine Finger- und Zehenspitzen fangen an zu kribbeln und diesen Gefühl breitet sich super schnell in meinem gesamten Körper aus, nur mein Bauch blieb aus. Dieser wurde einfach nur warm. Und mein Herz? Das schlägt gerade so schnell, als wenn es von einer Horde Löwen gejagt werden würde.

Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ich 40° Fieber, weshalb ich mit großer Wahrscheinlichkeit aussehe wie eine Tomate.

Irgendwann wird mir das alles zu viel. Warum fühle ich so viel? Ich kenne ihn doch garnicht!

Ich wende den Blick ab, schwinge meine Beine aus dem Bett und greife meinen Infusionsrolli. Mit schnellen Schritten, in Entchenpantoffeln, verlasse ich das Zimmer, schließe die Tür hinter mir und atme einmal schwer aus. Mir war vorher überhaupt nicht aufgefallen, dass ich die Luft angehalten habe.

Fühlt sich so verliebt sein an?
Ich denke schon.
Aber ich kenne ihn doch garnicht.
Aber er ist so süß.
Und aggressiv... manchmal.

Manchmal weiß ich echt nicht, was ich denken soll.

Was ist, wenn er nicht so denkt wie ich? Dann blamiere ich mich doch bestimmt nur und er hat mich vorhin nicht angegrinst sondern ausgelacht.

Maaaan, was mache ich denn jetzt nur? Ich weiß doch überhaupt nicht, wie sich verliebt sein anfühlt und ob ich mich hier nur in irgendwas hineinsteigere.

Ich bin so naiv, dass ich schon solche Gedanken habe obwohl nichtmal etwas erwähnenswertes zwischen uns passiert ist.

Ich laufe langsam auf den Fahrstuhl zu. Jetzt wo das ganze Adrenalin aus meinem Körper raus ist spüre ich wieder meine Schwäche. Das ist so ätzend.

Da ich mich dann doch zu schwach fühle um aufs Dach zu gehen setze ich mich in den Gemeinschaftsraum. Es ist schon komisch, dass so viele in meinem Alter todkrank sind. Vor allem bei den ganz jungen ergibt es irgendwie keinen Sinn...

Ich mein ja nur, so eine unschuldige und kleine Seele hat sowas doch nicht verdient. Meine Mama hat mir einmal erzählt, dass die meisten Kinder krank sind oder krank werden, da Gott weiß, dass sie ansonsten kein guter Muslim geworden wären und das er das nur zulässt, damit er diesen Menschen unter Gerechtigkeit das Paradis schenken kann.

Und ich finde, dass das eine sehr schöne Sichtweise auf mein Umfeld hat. Man kann Allahs Güte ganz schnell vergessen, wenn man in einer Situation wie meiner ist, aber ich versuche an genau diesem Punkt festzuhalten um meinen Iman nicht zu verlieren.

Denn ich habe gelernt, dass es nichts wichtigeres gibt als mit allem was man tut Gott zu dienen. Und jede Entscheidung die man trifft unserem Schöpfer zu widmen.

Ich schaue mich in dem Raum um und mein Blick bleibt an der kleinen Rika hängen, die im Arm ihrer Mutter Greta liegt.

Rika müsste jetzt um die sieben Monate alt sein. Sie wurde mit einem Tumor im linken Lungenflügel geboren. Auch wenn der Tumor heute nicht mehr in ihrer Brust schlummert ist es noch zu gefährlich für den kleinen Engel nachhause zu fahren.

Ich kenne fast niemanden der so süß ist wie dieses kleine Mädchen.

Kaum habe ich sie im Blick stehe ich von meinem Sessel auf und laufe auf Rika und Greta zu.

„Hallo meine süße Maus, wie geht es uns denn heute?", frage ich und streichle das Baby mit meinem Zeigefinger über die Wange.

„Heute geht es uns schon viel besser nicht wahr? Die Nacht war ein bisschen unruhig, aber dass sollte von einem gesunden Baby auch zu erwarten sein. Und außerdem meinten die Ärzte das wir bestimmt schon ganz bald hier weg dürfen.", schildert mir Greta Rikas Lage und kitzelt dabei ihre Tochter immer mal wieder.

Ich setze mich für einen Augenblick zu der kleinen Familie bevor ich mich auf den Weg zurück ins Zimmer mache, da bald das Mittagessen ansteht.