٢

169 9 3
                                    

Als ich das nächste Mal mein Zimmer betrete sitzt nicht nur, wie erwartet, meine Mutter im Raum sondern zwei weitere Frauen, ein Mann und der Junge von vorhin leisten ihr Gesellschaft. Und das kurioseste an der ganzen Sache ist, dass meine Mutter sich mit ihnen unterhält und dem Jungen die Suppe vor die Nase hält, die eigentlich für mich gedacht war.

Und was das Ganze nochmal um Welten weirder macht ist die Tatsache, dass die Leute sich auf arabisch Unterhalten! ARABISCH! Dann muss meinen Mutter die ja kennen.

Wie es aussieht hat der Junge irgendeine Art von Krebs oder irgend einen Tumor.

Während sich die Erwachsenen lachend unterhalten schweigt der Junge und wirkt irgendwie bestürzt. Das muss der Junge sein, von dem mir Bianca vorhin erzählt hat.

Als ich mit schlürfenden Pantoffeln weiter ins Zimmer rolle und mit einem leisen „Salam Alaykum" an dem Bett, in dem der Junge saß vorbei lief, scheinen mich die werten Damen und Herren auch endlich mal zu bemerken.

Meine Mutter sitzt auf dem mit Folie überzogen Bett, welches zwischen meinem Bett und dem Bett des Jungen steht und lächelt mir zu. „Hallo meine Hübsche. Wie geht es dir heute?", fragt sie mich, während sie sich erhebt und auf mich zu kommt.

Währenddessen habe ich es mir schon wieder in meinem Bett gemütlich gemacht. Die letzten Tropfen meiner Chemo hängen noch auf meinem Infusionsständer und dementsprechend sehe aus und fühle ich mich auch.

Mr. Bubble, mein menschengroßer Teddy, liegt gemütlich neben mir und ich mache es mir an seiner Seite gemütlich. „Ganz ok, glaub ich", antworte ich meiner Mutter auf ihre Frage und sie gibt mir einen Kuss auf den Kopf, bevor sie sich die Infusion genauer anguckt. „Shu, glaubst du? Ich weiß dir geht es nicht so gut binti. (Was, meine Tochter)"

Sie setzt sich neben mich auf das Bett und ich fühle mich seltsam beobachtet. Das Gespräch der Anderen hat sich eingestellt und sie gucken mich mitleidig an. Wahrscheinlich sehe ich wieder so aus, als wäre ich grade aus dem Leichenschauhaus zurückgekommen. Mittlerweile kotzen mich diese mitleidigen Blicke nur noch an, da sie mir nichts bringen und mir nur das Gefühl vermitteln, dass ich nicht normal bin.

Ich bin ja auch nicht normal, aber man muss mir das ja nicht auch noch regelrecht in die Fresse sagen.

„Yallah Baba, stell dich doch mal vor.(Los „sowas wie" mein Sohn)", sagt der Mann zu seinem Sohn. Dieser bleibt jedoch stumm und blickt betrübt auf seine Finger hinunter. Bei genauerem hinsehen wird mir erst bewusst, wie attraktiv der Junge, dessen Namen ich immer noch nicht kenne, eigentlich ist.

Er hat eine schöne süße Stupsnase, die mit kleinen Sommersprossen verziert ist. Ebenfalls hat er auch rosige pralle Lippen und eine markante Kieferpartie auf der ein leichter Bartschatten zu sehen ist. Sein Haar ist tiefschwarz und sieht unglaublich weich aus. Seine Augenfarbe kann ich von hier aus nicht erkennen, aber es scheint etwas dunkles zu sein. Mir fällt wieder ein, dass seine Augen ja braun sind. Vorhin im Flur ist mir das aufgefallen.

Er sieht seinem Vater sehr ähnlich, finde ich.

Was mir auch direkt auffällt ist, dass die Frauen, die ebenfalls hier sind beide ebenfalls ein Hijab tragen, was darauf hinweist, dass sie Muslime zu sein scheinen. Ich mein heute ist ja kein Karneval.

Ich sollte aufhören zu versuchen lustig zu sein...

Stille herrscht die nächste Zeit über den Raum. Sehr sehr unangenehme Stille.

Als meine Mutter mich dann auch noch dazu auffordert mich vorzustellen, indem sie mich anstubst, verdrehe ich die Augen und kratze meinen ganzen Mut zusammen.

„Hallo. Ich bin Aleyna.", sage ich.

Der Junge schaut zu mir auf und lächelt schwach. Jetzt kann ich auch erkennen, wie blass er ist und wie tief seine Augenringe sind. Irgendwie tut er mir ja schon leid.

Ich glaube, gerade im Moment sehen wir uns ziemlich ähnlich. Immerhin sehen wir beide scheiße aus.

Bei dem Gedanken muss ich leicht grinsen, unterdrücke es jedoch.

Der muss ja sonst was von mir denken.

Ich schaue mich unsicher in dem Zimmer um.

Gegenüber von meinem Bett steht ein dunkelbrauner Schrank, der voll mit meinen Urlaubsfotos und Fotos von mir und meinen Freunden beklebt ist. Es kleben hin und wieder ein paar Notizen oder Eintrittskarten neben den Fotos und der Kunstefeu rundet das Gesamtbild, neben einer Lichterkette, ab. Neben dem Schrank steht ein kleines Bücherregal, welches ich mir hart erkämpfen musste.

Eigentlich ist sowas, aufgrund von irgend so einem Hygienegesetz, nicht erlaubt, aber Bianca konnte da etwas für mich organisieren.

Besagtes Regal ist mittlerweile von oben bis unten voll mit Büchern, in manchen Nischen stehen noch zusätzlich Kerzen, die ich nicht anmachen darf, oder eine Lichterkette liegt vor und auf den Büchern. Rechts neben dem Regal steht ein kleiner Tisch an der Wand, welcher mit drei Stühlen ausgestattet ist und rechts davon ist wiederum die große Fensterfront.

Gerade ist es draußen sehr schön hell. Am liebsten würde ich jetzt raus gehen und etwas mit meinen Freunden unternehmen, aber ich darf nicht. Zu hoch wäre die Gefahr, ich könne mir etwas einfangen.

„Aladin.", sagt der Junge. Aladin? Was hat Aladin jetzt mit der ganzen Situation zu tun? Ich muss ziemlich doff gucken, weil der Junge noch etwas sagt.

„Aladin. Das ist mein Name.", flüstert er.

Jetzt kann ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen und lache laut auf. Ich schlage nur die Hand auf den Mund, weil ich bemerke wie respektlos mein Verhalten war und schaue den Jungen entschuldigend an.

„Aladin? Wie von Disney?", frage ich.

„Jup, ganz genau wie der.", sagt Aladin und grinst schief. Aber auch nur so kurz, dass ich mir nichtmal mehr sicher bin, ob es wirklich passiert ist.

Wieder herrscht unangenehme Stille über den Raum, bis Bianca die Situation crashed um uns mitzuteilen, dass die Besucherzeit in wenigen Minuten vorbei sein wird.

Da morgen irgend so ein Feiertag ist sind die Besuchszeiten gekürzt, damit im Krankenhaus weniger Personal benötigt wird und die Menschen den Abend mit ihren Familien verbringen können.

Und ich werde wohl diesen Abend mit einem Jungen verbringen. Alleine mit ihm in diesem Zimmer schlafen und kann nichtmal mein Kopftuch abnehmen.

Kann man diese Fenster öffnen? Wenn ja, dann findet man mich morgen draußen auf dem Boden.

One bed between us Kde žijí příběhy. Začni objevovat