Kapitel 10

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Chin up
princess or
the crown slips.


Der metallische Geschmack nach Blut war in meinem Mund, als ich aufwachte. Mühsam öffnete ich meine Augen und richtete mich langsam auf. Ein Stöhnen entwich meiner Kehle, kurz gefolgt von einem kleinen Schrei. Wenige Zentimeter über meinem Nasenspitze blickten zwei große Augen auf mich herunter. Wie vom Blitz getroffen sahs ich senkrecht im Bett und... warte mal... Bett? Warum ein Bett? Mein Blick fand die vielen vergoldeten und mit Prokat besetzten Details in dem Zimmer. Ich war immer noch im Schloss! Langsam fiel mir auch die letzte Nacht wieder ein und meine Hand wanderte zu meinem Nacken. Nur die leichte Wölbung und das schmerzhafte Pochen zeugten noch von dem Obsidian, der jetzt unter meiner Haut ruhte. Mir entfuhr ein Fluch, der mit einem Luftschnappen von der Frau quittiert wurde, die immer noch am Bett stand und mich mit großen Augen anblickte. Ich schnaupte nur. Von ihr ging keine Gefahr, dies hatte ich schnell bemerkt. Sie hatte einen weißen Rock und eine weiße Bluse an, die braunen Haare hochgesteckt. Mistrauisch beäugte ich sie.
"Wie heißt du?"
"A-Anna", sagte sie und ihr ganzer Körper zitterte so heftig, dass ich Angst hatte, sie könnte auseinander brechen.
"Also gut, Anna", ich sah sie bedeutungsschwer an, "sag mir, wo bekomme ich ein Bad und sauber Kleider her?"
Wenn ich schon hier war, konnte ich mir auch gleich alle Vorteile heraus nehmen, die ein Palastleben zu bieten hatte. Ich war nämlich so dreckig, dass ich damit dem besten Schweinestall Konkurrenz machte. Meine Kleidung war zerrissen und verrußt und von meinen Haaren wollte ich erst gar nicht anfangen. Ich warf einen Blick auf meine Hände und schnalzte missbilligend mit der Zunge. Ein dicke Erdschicht hatte sich unter meinen Fingernägel zusammengetragen und meine Knöchel waren aufgerissen und blutig. Na wunderbar!
"H-Hier entlang", nuschelte Anna, drehte sich um und lief zur Tür hinaus.
Ein Zischen entfuhr mir, als ich aufstand und dabei jeden einzelnen Knochen spürte. Ich humpelte Anna hinter her, die mich schließlich in ein großes Badezimmer führte.
In den Boden war eine Badewanne eingelassen, in der mindestens fünfzehn Menschen zusammen baden konnten. Der Schaum war so hoch, dass ich nicht auf den Grund des Beckens schauen konnte, und das gefiel mir gar nicht. Wasser war mir noch nie sonderlich vertrauenswürdig vorgekommen.
Der Boden war mit blauen Fliesen bedeckt und an einer Wand stand ein großer goldener Kosmetiktisch, auf dem eine solche große Menge an Fläschchen, Tiegelchen und Döschen standen, dass ich mich fragte, wie man so viele unterschiedliche Cremes und Perfüms brauchten konnte.
"S-Soll ich bl-leiben u-und beim W-Waschen de-der Ha-Haare helfen", stotterte Anna und blickte schüchtern an mir vorbei.
"Nein", sagte ich nur und Anna verließ ohne ein weiteres Wort das Badezimmer.
Langsam ließ ich die Luft aus meinen Lungen entweichen und drehte mich einmal um mich selbst.
Die Wände waren mit blauem und goldenem Stuck verziert und an der Decke prangte das große Gemälde mehrerer Meerjungfrauen. Ich warf einen blick in den gewaltigen Spiegel und verdrehte die Augen. Ich war noch dreckiger, als ich angenommen hatte und meine Haare hingen stränig auf meine Hüften herab.
Vorsichtig, darauf bedacht, mich nicht zu sehr zu bewegen, schälte ich mich aus meinen Klamotten. Kurz bedauerte ich meinen Rock, doch schnell verwarf ich den Gedanken. Zu Hause hate ich zig von denen im Schrank hängen. Zu Hause... ich seufzte und dachte an Abraxos und Holunder, aber was sollte ich schon groß machen? Außerdem waren die beiden daran gewöhnt, sich alleine zu versorgen. Sie würden das schon überleben.
Als auch meine Unterwäsche neben mir auf einem Haufen lag, ging ich zur Badewanne und setzte mich an den Rand. Sanft lies ich meine Beine in das Wasser gleiten, gefolgt von meinem Körper.
Ich stönte wohlig auf und schwamm mit langen Zügen in die Mitte des Beckens. Es war nicht so, als ob ich nicht den Boden erreicht hätte, aber das Schwimmen tat gut und entspannte. Ich holte tief Luft und tauchte unter.
Alles war wie in Watte gepackt unter Wasser und die Zeit schien still zu stehen. Ich fühlte mich schwerelos und atmete die Luft aus, sodass sie in schillernden Blasen nach oben stiegen. Ich schwamm nach unten an den Grund und legte mich auf den Rücken, öffnete die Augen und blickte empor zu der Wasseroberfläche.
Ich merkte wie mir die Luft ausging und mit einem kräftigen Stoß durchbrach ich das Wasser.
Ich strich mir die nassen Haare aus den Gesicht und sah am Rand des Beckens verschiedene Seife für Körper und Haare stehen. Ich wählte eines, das nach Flieder und Schneeglöckchen duftete.
Nachdem ich mich gewaschen hatte und der gröbste Dreck weg war, machte ich noch das gesamte Körperöl leer und stieg dann aus dem Becken.
Die Handtücher, die mir zur Verfügung standen, waren so weich, dass ich mich erst nicht richtig traute, mich damit abzutrocknen. Das überwand ich aber schnell und stapfte letzendlich mit einem Tuch auf dem Kopf und eines um den Körper in das angrenzenden Schlafzimmer. Dort stand immer noch Anna und legte ein paar Kämme und Spangen auf einem Frisiertisch zurecht.
Sie wies mir an mich vor dem Tisch auf einen Hocker zu setzen und nahm mir das Tuch von den Haaren. Dann band sie diese hoch und führte mich zu einem monströsen Kleiderschrank.
Mit Staunen betrachtete ich die Vielzahl an Kleider, die dort aufgereiht waren. Es gab violette, grüne, blaue, rote, gelbe. Kleider aus Tüll und Seide oder Baumwolle und Stickereien , mit Diamanten und Perlen besetzt oder mit kunstvollen Mustern und Symbolen. Ich konnte mich gar nicht satt sehen.

"W-Welches m-möchte die L-Lady d-denn a-anziehen", fragte Anna, noch immer vor dem Tischchen stehend.

"Um das zu entscheiden brauch ich schon eine ganze Weile. Außerdem würde ich gerne den Anlass erfahren."
"Die L-Lady wird h-heute A-Arbend mir dem K-König, der K-Königin und den P-Prinzen s-speisen."
Ich sagte nichts, sondern zog nur eine Augenbraue hoch. Der König konnte mich mal hinten rum. Ich würde ihm zeigen, was er sich da ins Haus geholt hatte!
Nein, nein, damit musste ich bis zum richtigen Moment warten, heute würde ich noch auf die nette und verängstigte Hexe aus dem Wald machen. Aber dann, oh, dann würden sie sich wünschen, mich in Ruhe gelassen zu haben!
Ein Lächeln lag auf meinen Lippen als ich mich wieder den Kleidern widmete. Ein dunkel grünes mit goldenen Stickerein darauf schien mir passend.
"Ich werde das hier anziehen", sagte ich entschieden. Anna nickte und lief mit gesenktem Kopf an mit vorbei. So schnell sie konnte, brachte sie wieder einen großen Abstand zwischen uns. Ich grinste. Sie hatte Angst vor mir und wie!
Auf dem Bett lag feine Unterwäsche und ich lies das Handtuch fallen und schlüpfte rasch hinein. Dann ging ich zu Anna hinüber.
Das Kleid passte wie angegossen, bis ich merkte, dass Anna sich an der Schnürung der Korsage zu schaffen machte und mir die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Erschrocken schnappte ich nach Sauerstoff, beugte mich nach vorne und faste mit der Hand an die Brust. Bei den Götter, wie sollte da denn noch Essen und viel schlimmer, wie sollten da denn noch ein paar Drinks reinpassen?
Alles schien verschnürt zu sein, denn das Ziehen an meinem Rücken hatte nachgelassen. Ich richtete mich wieder auf und setzte mich auf den Hocker vor dem Frisiertisch. Mit geschickten Fingern schnitt und lockte Anna meine Haare. Dann band sie sie zu einer Hochsteck- frisur nach oben und lies anschließend noch ein paar Haarnadeln in meinen Locken verschwinden. Sie puderte meine Wangen und malte meine Lippen in einem leichten Rosa an, dann durfte ich aufstehen und mich im Spiegel begutachten.
Was ich sah, gefiel mir äußerst gut. Meine Haare fielen mir in sanften Locken auf die nackten Schultern und auf meinem Kopf thronte ein kleines goldenes Diadem. Das Kleid hatte lange Ärmel die weit ausliefen und fast den Boden berührten. Mein Ausschnitt gab nicht viel von meinen Brüsten preis, dennoch waren sie gut zu erahnen. Um meinen Hals lag eine filigrane Kette mit einem kleinen Vogel daran, der die Flügel ausbreitete. Das Kleid war von einem dunklen Grün und auf dem Mieder waren kleine Schwalben eingestickt. Der Rock wurde von einem goldenen Gürtel um meiner Taille vom oberen Teil getrennt. Nach unten hin fiel das Kleid leicht zu Boden, ohne Reifrock oder sonstiges,  nur eine Lage Tüll.
Ich lächelte, als Anna kleine Absatzschuhe vor mich stellte und ich hineinschlüpfte. Jetzt war es perfekt.
Ich hob den Kopf und grinste meinem Spiegelbild an. Dann machte ich mich auf den Weg, um den König zu treffen.

Witchcraft     The Blood Witch's CurseWhere stories live. Discover now