Kapitel 6

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Silence is a true friend
who never betrays.
- Confucius

Der beißende Geruch nach Rauch ließ mich aus meinem kleine Nickerchen aufschrecken. Es war immernoch dunkel, immernoch die selbe Nacht. Doch der Rauch, der über den Baumwipfeln tanzte, war anders, gefährlicher. Er stieg in einer grauen Säule in den Nachthimmel hinauf und verschluckte das Funkeln der Sterne. Meine Lider wollten sich schon wieder senken, als ich realisierte, was da wirklich über den Baumkronen schwebte. Das war der Rauch eines Feuers, eines großen Feuers. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und warf dabei meinen Schaukelstuhl um. Holunder flog von meinem Schoß und fauchte erschrocken auf. Ich stieß einen vulgären Fluch aus und riss die Gartentür meiner Hütte auf. Als ich den ersten Schritt in die warme Dunkelheit machte, stolperte ich erstmal über den Aufschlag des großen Teppichs und fiel der Länge nach hin.
"Verfluchte Götter", zischte ich und rappelte mich wieder auf. Ich hastete durch das Durcheinander und gelangte schließlich in die Diele. Ich fingerte hektisch an der Schnürung meiner Schuhe herum und zog gleichzeitig meinen Mantel an.
Ich riss die Tür auf, stürmte die wenigen Stufen hinab und sprintete in die Finsternis des Waldes.

~☆~

Mein Atem ging stoßweise und bildete kleine Wölkchen in der Luft. Meine Lunge schmerzte und die Kälte schnitt mir in die Wangen. Meine Haare klebten an meiner Schläfe und meine Oberschenkel brannten. Mein Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig, doch ich musste weiter. Ich musste sehen, was da los war. Mein einziger Gedanke war, dass es hoffentlich kein Waldbrand war. Ich konnte mir auch nicht erklären, wie der hätte zustande gekommen sein, aber bei den Menschen würde ich bestimmt eine Antwort finde, wenn es soweit war.
Einen Moment lang passte ich nicht auf und übersah dabei eine vorwitzige Wurzel, die aus dem Waldboden ragte. Mit einem Schrei ging ich zu Boden. Aus Reflex rollte ich mich über die rechte Schulter ab, blieb dann aber einfach auf dem Rücken liegen und konnte einen Moment die Sterne über mir betrachten. Nein, nein, nein, ich musste weiter, schneller. Ich konnte mich jetzt nicht mit so etwas aufhalten, meine Reflexe waren gut, aber nicht mehr trainiert, nicht mehr so trainier wie vor neunzig Jahren noch. Ich musste mich auf meine Magie verlassen können. Ich schickte meine Kraft vorraus, damit sie die Umgebung abtasten konnte. Ich konzentrierte mich, ein Telepotier-Zauber hätte mir wenig gebracht, da musste man erst ein paar Gegenstände zusammen such, um überhaupt nur damit anzufangen. Laufen war die einzig schlüssig Möglichkeit.
Ich rannte weiter und duckte mich gerade noch rechtzeitig, als vor mir ein Ast auftauchte. Der Wind rauschte über mir in den Bäumen und Blätter peitschten mir ins Gesicht. Einzelne Haarstränen lösten sich aus dem Knoten an meinem Hinterkopf und mein Rock verfing sich in dem ein oder anderen Strauch.
Ich roch den Regen noch bevor er kam. Es war ein guter Geruch, nach feuchter Erde und neuem Leben, normalerweise hätte ich mich auch darüber gefreut und es genossen, doch ich musste weiter, hin zu dem Feuer. Hoffentlich öffnete der Himmel die Schleusen weit, damit das Feuer ausging oder zumindest eingedämmt wurde. Ich hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gefasst, da schüttete es auch schon los.
Der Regen prasselte auf die Erde, die Bäume, die Blätter und mich. Nach wenigen Sekunden schon war ich total durchnässt und der Schlamm, der vom Boden aufspritzte, blieb an meinen nackten Beinen kleben. Meine Fingerspitzen wurden langsam taub und meine Nase begann zu laufen. Aber ich musste weiter, schneller.

~☆~

Und dann stand ich vor dem Feuer. Der Regenduft wurde durch stickigen Rauch ersetzt und ich muste husten. Dann riss ich die Augen weit auf, das Feuer war riesig, doch keineswegs eines natürlichen Ursprungs. Um die Flammen bewegten sich nämlich dunkle  Schemen. Dies war ein Hexenfeuer! In mir stieg kochende Wut auf und vertrieb sogar die Taubheit aus meinen Fingern. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und biss die Zähne aufeinander. Mit großen Schritten stapfte ich auf die Gestalten zu. Was fiel denen ein! Das war mein Wald und sie konnten nicht einfach so Rituale hier durchgeführen! Ich hatte Morgan zwar die Zutaten besorgt, was aber nicht hieß, dass sich hier irgendwelche Hexen breit machen durften! Mit einer Handbewegung wollte ich ein Stück Holz zum Erlischen bringen, doch die Flammen flackerten nur kurz. Was war den jetzt los? Ich hielt mir meine Hand vor Augen und starrte dann wieder zu dem Feuer. Plötzlich lösten zwei Silhouette aus den Reihen der tanzenden Hexen und kamen auf mich zu. Es waren... nein, das konnte nicht sein! Es waren Morgan und ihre Mutter Roxanne! Den, denen ich noch geholfen hatte! Ich holte einmal tief die Luft ein, lockerte meine Fäuste und stürmte auf meine Tante und meine Cousine zu.
"Was zum Teufel macht ihr hier?!"
"Na na na, da wird Hekate aber sauer, wenn du ihren Stiefbruder mit ins Spiel bringst", lachte Roxanne und warf ihren Kopf in den Nacken.
"Hör auf zu lachen und verschwindet! Und macht das Feuer aus, was auch immer ihr damit gemacht habt!"
"Du solltest doch wissen, dass man Knochen, die man angezündet hat, nicht mehr auslöschen kann, bis sie nieder gebrannt sind", sagte Morgan in aller Seelenruhe. Da war es mit meiner Selbstbeherschung vollends vorbei.
"Warte mal, KNOCHEN? Das sind Knochen? Ist das ein Knochenfeuer? Macht das aus, ist mir egal wie, aber verschwindet!"
"Ich hab dir doch gerade erklärt, dass...", setzte Morgan an doch ich ließ sie nicht ausreden: "Und ich hab dir erklärt, dass du das ausmachst und gehst!"
Roxanne lachte wieder.
"Süße, ein Knochenfeuer kann man nicht bezwingen. Einmal entfacht, brennt es für die Ewigkeit", sagte sie und schloss dabei genießerisch die Augen. (Natürlich nicht die Ewigkeit, aber dennoch zu lange.) Sie sog die Energie der verbrennenden Knochen ein, was illegal war. Das ganze war illegal! In meinem Wald! Erst jetzt bemerkte ich, dass die beiden Knochenhexen sich  in Bewegung gesetzt hatten. Sie umkreisten mich langsam und fokussierten meine Augen mit ihren. Das Feuer brannte heller und der Wind rauschte lauter. In der Ferne hörte man Donnergrollen. Eine Gänsehaut kroch über meine Arme und breitete sich an meinem gesamten Körper aus. Sie murmelten leise etwas vor sich hin und mit einem Mal waren ihre Augen so schwarz wie der Himmel über uns. Ich blinzelte gegen die ansteigende Müdigkeit an, konnte aber nichts dagegen tun, als meine Beine unter mir nachgaben und ich in das feuchte Gas sank. Sie verfluchten mich! Ich wusste nichts, dass mir helfen könnte. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ein dichter Nebel legte sich über meine Gedanken und sperrte sie ein. Roxanne und Morgan hatte jetzt ihre Hände erhoben und sprachen einen lateinische Spruch in einem gefährlichen Singsang. Dazu bewegten sie sich im Kreis um mich herum. Als ich mich ein letztes mal gegen den Fluch aufbäumte und die Augen aufschlug, erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf etwa zwanzig berittene Soldaten, die im Schutze des Waldes auf uns zu kamen.
Dann fielen meine Lider zu.

Witchcraft     The Blood Witch's CurseWhere stories live. Discover now