Kapitel 3

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lateinisch: Silva;
Forest, Wood

Der sanfte Wind brachte die Baumkronen zum Rauschen und in der Luft waren schon die ersten Insekten unterwegs. Ich summte eine kleine Melodie und schwang den Korb an meiner Seite hin und her.
Der Flügelschlag des sich nährenden Raben wurde vom Säuseln des Windes übertönt, weshalb ich ihn erst bemerkte, als sich seine Krallen um meinen Schulter schlossen.
"Hallöchen, Abraxos", sagte ich leise um die Ruhe im Wald nicht zu stören und streichelte ihn sanft am Bauch. Ich hatte ihn etwa vor fünfzig Jahren im Wald gefunden. Obwohl, eigentlich hatte er mich gefunden, denn er war geradewegs in mich hinein geflogen. Seitdem wich er mir nicht mehr von der Seite. Abraxos krächzte leise und plusterte sein Gefieder auf.
Mein Blick fiel auf den Boden und ich musste lächeln. Dort lag ein roter Apfel.
Woher das Kleine Folk zu dieser Jahreszeit einen Apfel her hatte wusste ich nicht, dennoch hob ich ihn auf und betrachtete ihn kurz. Die Schale der Frucht glänzte in der nachmittags Sonne und verströmte einen herrlich süßen Duft.
Mit einem lauten Knacken biss ich ein Stück aus dem Apfel herraus. Der klebrige Saft lief mir über das Kinn und tropfte auf den Waldboden, der mit vertrockneten Tannennadeln nur so übersäht war.
Innerhalb weniger Minuten hatte ich, bis auf das Kern-  gehäuse, den gesamten Aofel aufgegessen und warf ihn über meine Schulter nach hinten weg. Zumindest war das mein Plan gewesen,  jedoch hatte ich Abraxos vergessen, der da nich saß und nun mit einem erbosten Kreischen in die Äste einer nahegelegenen Buche flog.
"Tschulige", sagte ich zerknirscht, griff in meine Rocktasche und zof ein paar geknackte Walnüsse heaus. Diese hielt ich Abraxos hin. Ich wollte es mir nicht auch noch mit meinem besten Freund verscherzen, wenn schon Holunder sauer auf mich war.
Der Rabe gab sich mit meiner Bestechung zufrieden und landete, mit wenigen Bewegungen seiner nachtschwarzen Schwingen, sanft auf meinem Unterarm. Dann begann er gierig, aber trotzdem vorsichtig, die Nüsse aus meiner Handfläche zu picken.
Als die meisten vertilgt waren, warf ich sie auf den Boden, denn ich musste mich beeilen. Abraxos flog dem Leckerbissen hinterher und fraß den Rest so schnell auf, dass ich kaum einmal mich umdrehen konnte, da saß er auch schon wieder auf meiner Schulter.
Ich grinste und setzte meinen Weg fort.

~☆~

Auf dem Markt war es laut und voll. Überall priesen Händler ihre Wahren an und Viehhändler boten Ziegen, Schweine und Hühner da, doch Obst- und Gemüseverkäufer sah ich nicht so viele. Es war noch zu früh, Ostara würde erst in wenigen Tagen gefeiert.
Abraxos war im Schutz der Bäume geblieben, er mochte Menschen nicht. Ich auch nicht. Ich hasste sie, mit jeder Faser meines Herzens. Sie waren der Grund, dass meine Mutter tot war. Ausgenommen wie ein Fisch hatten sie sie und zum Schluss verbrannt. Aber dafür hatte ich mich gerächt. Oh ja, und wie ich mich gerächt hatte...
Der Stand, an dem ich die fünf Mondsteine herbekam, war am anderen Ende des Markts. Ich seufzte (es ging schon wieder los!), packte den Korb fester, warf mir die Kapuze meines langen dunklen Mantels über den Kopf und lief mitten in das Getümmel.
Die verschiedensten Gerüche schlugen mir entgegen. Größtenteils Essenduft aber auch etwas modriges, fauliges. Dies kam wahrscheinlich aus der nicht vorhandenen Kanalisation. Ich hatte zwar noch nie eine gesehen, aber es war eine der neueren Erfindun- gen und ich hatte in so einige Bücher darüber etwas gelesen. Doch dieses Dorf war anscheinend nicht wichtig genug, als dass man Geld für dessen Sauberkeit ausgab.
Der Stand des Edelstein- Händlers war klein und schäbig. Er bestand aus Holz und es war ein Wunder, dass er noch nicht zusammen geklappt war. Die Seitengasse in der ich stand, glich mehr der Gosse, als einer Marktstraße. Vor den grauen Fassaden der Behausungen lag Unrat und in den Ecken verwesten tote Tierkörper. Der Gestank war nahezu unerträglich und ich musste den Reiz zu würgen unterdrücken. Ich konnte es Abraxos nicht verdenken, dass er lieber im Wald geblieben war, das hätte ich auch gemacht, wäre Morgen heute morgen nicht mit ihrer Einkaufsliste um die Ecke gekommen...
Der Händler war ein gedrungener Mann, der einen so krummen Rücken hatte, dass es erstaunlich war, dass sein Rückrad noch intakt war. Er hatte ein schwarzes Tuch unter den Steinen ausgebreitet, dass den Begriff "Unterlage" nicht verdiente. Ich trat an den Stand heran, immer darauf bedacht, das Tuch nicht zu berühren. Es konnte ja passieren, dass aus versehen ein paar Hautschüppchen oder ähnliches darauf hängen blieben und nur die Götter alleine wusste, was man damit alles anstellen konnte.
Der Händler schälte sich aus den Schatten der hinteren Ecke.
"Was kann ich für Euch tun", fragte er mit rauchiger Stimme.
"Fünf Mondsteine", antwortete ich knapp und zog die Kapuze tiefer über meine Augen.
Nach ein paar Augenblicken reichte er mir eine Tüte, von der ich gar nicht wissen wollte, aus was sie bestand. Ich wog sie leicht in meiner Handfäche und lies meine Magie unbemerkt in die Steine sickern, um zu überprüfen ob sie echt waren. Waren sie natürlich nicht. Ich lächelte leicht und schaute dem Mann direckt in das furchige Gesicht.
"Gib mir die echten", sagte ich mit knurrender Stimme.
Der Händler schaute mich verwirrt an, doch ich stieß nur ein Schnauben aus und warf den Beutel mit den Steinen so auf den Tisch, dass sie heraus kullerten. Und siehe da, kleine runde Kieselsteine.
"Ohh, da muss ich was verwechselt haben", stammelte er und sammelte schnell die Kiesel ein.
Von wegen eine Verwechslung! Das machte er wahrscheinlich bei jedem zweiten Kunden so. Armselig und lächerlich. Noch ein Grund mehr, warum ich die Menschen verabscheute. Sie zogen einen ab, wo sie nur konnten.
Der Händler kruschtelte ein bisschen hinter der Theke herum und überreichte mir ein kleines schwarzes samtiges Säckchen.
"Aufmachen", befahl ich.
Die Hände des Mannes zitterten leicht. Ich hatte meine Stimme gefährlich gesenkt.
In dem Beutel glitzerten mir fünf kleine Mondsteine entgegen.

~☆~

Als nächstes brauchte ich das Obsidiansalz, was ich schnell erledigt hatte, da es illegal war, dies zu erwerben. Dadurch wurde das Geschäft schnell abgewickelt.
Die zehn Bienenwachskerzen dauerten schon länger, weil es einen großen Andrang gab. Ich kaufte schließlich doch zwanzig Kerzen, für mich musste dabei ja auch etwas herausspringen. Danach trat ich den Rückweg in meinen großen sicheren Wald an.

Witchcraft     The Blood Witch's CurseWhere stories live. Discover now