Kapitel 3 - Dünnes Eis

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Die Prinzessin lächelte

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Die Prinzessin lächelte. Es war ein hinreißendes und bezauberndes Lächeln, das normalerweise hoch über allen anderen stand. Weit entfernt von dem 'einfachem Pöbel' wie Keir es in ihren Augen war. Die blondgelockte Schönheit winkte normalerweise dem Gesinde von Kutschen und hohen Balkonen zu. Niemals fühlte man die Kluft zwischen Adel und Volk deutlicher, als in diesen Augenblicken. Viele sehnten sich nach einem Blick. Einer winzigen Sekunde ihrer Aufmerksamkeit. Jetzt war sie nur wenige Meter entfernt, erschien ihm aber so weit fort wie ein Stern am Himmel. Eine Distanz, die sie aufrechterhielt, allein damit, wie die Prinzessin ihr Kinn reckte und wie aufrecht sie auf diesem Stuhl saß.

„Warum erzählt Ihr mir diese Geschichten?", wiederholte Keir, als sie ihm auf seine Frage nicht antwortete.

„Man erzählt sich auch viele Geschichten über Euch, Spiegelwanderer", gab der König nun zurück und misstrauische Augen hafteten sich an den Dieb. Er zog die Arme hinter seinen Rücken und legte dort die Handteller ineinander, während er sich ihm langsam zuwandte.

„Gemunkel von einem Mann, der kein Spiegelbild besitzen soll. Der keine Pforten aus Holz oder Stein durchschreitet, sondern die Pfade der Ewigen und der durch Silber- und Spiegelflächen an andere Orte zu blicken vermag."
Der König legte das Haupt schräg und trat in gemächlichen Schritten näher an den Gefangenen. Das war er also... der legendäre König der Diebe. Der Spiegelwanderer. Das Wechselbalg. Spross des Untergangs. Dieser Mann besaß so viele Namen, wie sein Maler Farben. Das Volk war kreativ darin, seine Helden und Schrecken zu benennen. Aber wie viel davon entsprach am Ende der Wahrheit? Und was war nicht mehr, als blühende Fantasie, die aus Furcht, Bewunderung oder Unwissenheit keimte?

„Mein Hauptmann berichtete mir von einem Dieb, so flüchtig wie ein Schatten... der ihm und den Soldaten immer wieder durch die Finger schlüpft", fuhr er fort, als spräche er über eine Märchengestalt.

Der König richtete seinen Blick auf den Dieb, der kaum auf eigenen Beinen zu stehen vermochte. Er trug einen langen Mantel mit ausgeblichenen Ornamenten darauf - vermutlich war es einmal Eigentum eines Adligen gewesen. Ein breiter Gürtel aus Leder lag um seine Hüften und ein schmutziges Hemd aus dunkelblauem Leinen schlug unordentliche Falten. Alles andere war dem Dieb zur Sicherheit abgenommen worden.

Er wirkte nicht mehr so besonders, wie er dort vor ihm kniete. Sondern vielmehr wie ein einfacher junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig, den man genau so aus jeder beliebigen Ecke der Straßen hätte pflücken können. Das hieß... nicht ganz. Denn anders als alle, die ihn umgaben, von den Wachen bis hin zu seiner Majestät selbst und der Prinzessin, besaß dieser Mann eine fremde, auffallende Hautfarbe. Nicht hell wie der Schnee, der sie hier überall umgab... sondern sonnengeküsst, beinahe kupfern. Das Erkennungsmerkmal der Bewohner des Südreiches, wo es statt der weiten Wälder oder Berge vorrangig blaue Meere und Inseln gab. Dort betete man ebenso wie hier den Sonnenfürsten Emadan an. Doch die Reiche hätten nicht unterschiedlicher sein können.

„Oh bitte ... all diese Lobpreisungen sind schon beinahe zu viel der Ehre, Eure Majestät", krächzte der Dieb mit eindeutig zu wenig Respekt.

„Sind es denn alles nur Geschichten?"

Der WinterdiebWhere stories live. Discover now