Kapitel 1 - Licht aus

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Das hier war das finsterste und erbärmlichste Loch, in dem Keir je hatte sitzen müssen

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Das hier war das finsterste und erbärmlichste Loch, in dem Keir je hatte sitzen müssen. Und das sollte etwas heißen - denn als Straßenratte kannte er sich mit dreckigen Löchern aus. In der winzigen Kammer, in der er sich nicht einmal der Länge nach hinzulegen vermochte, hing der muffige Geruch von altem Holz, Staub und Seife.

Als ihn die Wachen des Königs aufgriffen und durch die Gänge schleiften, hoffte Keir auf den klammen, modrigen Kerker. Es mochte absurd klingen, doch für den Dieb hätte es keine bessere Möglichkeit zur Flucht geben können, denn die meisten Kerkergewölbe lagen unter Tage und waren damit feucht und nass.

Er hatte gehört, in manchen der Kammern gäbe es Pfützen und wenn es regnete, ständen einige der besonders elendigen Zellen sogar teilweise unter Wasser. Für gewöhnlich wurden diese Geschichten allerdings mit einem beklemmenden Tonfall in schummrigen Gassen von einem Gauner-Ohr zum anderen getragen. Ob es Abschreckung, nur Geschichten oder die Wahrheit sein mochte, konnte er nicht sagen. Keir hatte nie das Bedürfnis, einen Ausflug in die Kerker des Palastes zu unternehmen - so wie die meisten Banditen, die sich auf der Straße herumtrieben. Wenn es jedoch stimmte, klang es für ihn eher danach, als hätte man ihm genauso gut den Schlüsselbund zu seiner Zelle überreichen können.

Auch deshalb hatte er es noch gewagt, große Töne zu spucken und der schönen Prinzessin ein Zwinkern zuzuwerfen, während ihn die Wachen aus dem königlichen Gemach zerrten. Zugegeben - der Bruch hatte nicht ganz so funktioniert, wie er es geplant hatte. Eigentlich sollte die schöne Prinzessin zu der späten Stunde längst ihren Schönheitsschlaf halten und Keir wollte wie üblich vorgehen: sich das Wertvollste schnappen, das die reichen Schnösel herumliegen ließen - und eh nicht wirklich vermissten - und danach so schnell wieder verschwinden, wie er eingestiegen war. Aber dann war das Prinzesschen noch wach gewesen, hatte ihn damit überrumpelt und zu seinem Unglück mit der verfluchten Bürste nach ihm geworfen.

Damit wäre er noch zurechtgekommen. Immerhin war sie nicht die erste hübsche Adelstochter, die ganz sicher dem öden Leben im Schloss und den ach so edlen Herrschaften müde gewesen und deshalb seinem unglaublichen Charme verfallen wäre. Der berühmt-berüchtigte Schurke, der durch die Spiegel zu gehen vermochte ... Verboten und ruchlos. Das Verbotene hatte doch die jungen Damen stets dazu gebracht, sich ein wenig hektischer Luft zuzufächeln.
Obwohl sie vor aufmerksamen Augen empört die Nasen kräuselten, sanken sie spielerisch einfach in der Nacht in seine Arme. Bis die tugendhaften Ladies schließlich die Wachen riefen, war er längst durch den nächsten Spiegel verschwunden. Um einiges an Beute und den einen oder anderen Kuss reicher. Diesmal aber zersprang seine Pforte direkt vor seinen Augen in Tausende von Scherben. Wäre sein Unglück dort geendet, hätte er damit leben können.

Doch dann waren die Wachen schneller in dem Raum, als er 'Ups' sagen konnte - und trugen noch nicht einmal die blanken Rüstungen, sondern darüber verdammte Wappenröcke. Damit war eine Flucht unmöglich. Der Kampf war kurz und es dauerte nicht lange, da hatten die königlichen Wachen ihn in klirrende Ketten gelegt. Aber Keir wäre nicht Keir, wenn er selbst in dieser Situation noch Optimismus besessen hätte. In dem Glauben, nun in den gefürchteten Kerker geworfen zu werden, hatte er deshalb noch gut Lachen. Doch er beging den Fehler, den König und seine Berater zu unterschätzen. Denn statt des Kerkers landete er HIER.

Nicht in den Kerkern, wo sich feuchte, glänzende Wände oder Pfützen finden ließen ... Nein. Die gerissenen Bastarde waren sich seiner Fähigkeiten sehr bewusst gewesen und hatten ihn in eine verdammte BESENKAMMER eingesperrt! Zwischen Eimern, stinkenden Besen und Bürsten!

Sein Magen knurrte und krampfte in inzwischen ziemlich regelmäßigen Abständen so laut, dass er kaum noch vermochte, seine eigenen Gedanken darunter zu hören. Der Dieb wusste nicht genau, wie lange er in der verfluchten Kammer eingesperrt war, doch gemessen an seiner trockenen Zunge und den spröden Lippen, konnte es inzwischen der zweite Tag sein. Der hämmernde Schmerz in seinem Kopf hatte ohne Wasser stetig zugenommen ... und die Bastarde waren clever genug, ihm keines zu bringen.

Stöhnend fuhr Keir sich mit der Hand über das Gesicht und versuchte den Schwindel zu vertreiben, der ihm trotz der schummrigen Finsternis die Welt vor den Augen verdrehte. Hier war einfach nichts, durch das er entkommen konnte. Der Eimer, den er nach anstrengender Suche hatte ertasten können, war aus Holz und auch sonst lag hier nichts herum, das ihm von Nutzen sein konnte. Keine glatte Oberfläche, keine Flüssigkeiten. In dieser elendigen Dunkelheit, die ihn kaum die Hand vor Augen erkennen ließ, hätte ihm das sowieso wenig gebracht.

Plötzlich jedoch drang ein anderer Klang durch seine abgestumpften Sinne. Keir kniff die Augen zusammen und versuchte das Rauschen in seinen Ohren von den Klängen zu isolieren und sich zu konzentrieren. Irrte er sich ... oder hörte er das Klirren von Kettenhemden und Scharren von Stiefeln, die sich näherten?
„Hallo? Ist da jemand?", rief der Dieb und verzog aufgrund seiner ekelhaft kratzigen Stimme selbst das Gesicht. Normalerweise klang jene samtig und dunkel, gezeichnet von dem Akzent seiner Heimat im Süden, den er von seinen Eltern angenommen und nie abgelegt hatte. Orientierungslos tastete er sich durch das Dunkel nach vorn, dorthin, wo die Tür aus Holz ihm den Weg in die Freiheit versperrte.

„Hallo! Lasst mich raus!", krächzte er und schlug mit den Fäusten gegen das unnachgiebige Holz. Das dumpfe Pochen drang in die Dunkelheit seines Gefängnisses und brachte seinen Kopf erneut dazu zu rebellieren. Allein diese winzige Anstrengung ließ ihm schon die Beine schwach werden. „Oder gebt mir wenigstens etwas zu trinken!", forderte er heiser, als ein Flackern zu seinen Füßen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Endlich erkannte er mehr als bodenlose Finsternis - etwas Licht drang durch den Spalt und beleuchtete den kalten Stein zu seinen Füßen.

„Du bist ja immer noch so vorlaut, Abschaum", drang eine knurrende Stimme von der anderen Seite zu ihm, ehe ein Riegel knarzend zurückgezogen und die Tür unerwartet aufgerissen wurde. "Das wird dir gleich vergehen."

Der junge Dieb taumelte einen halben Schritt nach vorn, als er plötzlich den stützenden Halt verlor. Sein Kopf hob sich und er blinzelte gegen die tanzenden Lichter vor seinen Augen an, die sich an den Lichtschein der Fackeln zu gewöhnen versuchten. Sein dunkles Haar fiel ihm in Strähnen in die schnittigen jungen Züge und erschwerte ihm die Sicht. Er erkannte zwei... nein, drei Wachen. Einer hielt eine Fackel, deren Licht ihn blendete und nach den Tagen in der Dunkelheit in seinen Augen stach. Keir versuchte zu erkennen, wo genau er war oder ob es eine Gelegenheit gäbe, endlich zu entkommen. Doch so weit kam er nicht.

Das Letzte, das er sah, war ein gehässiges Grinsen auf den Lippen der Wache - und die Faust, die auf ihn zuflog und eine Sekunde später in sein Gesicht krachte. Sterne explodierten vor seinen Augen, dann gingen für Keir die Lichter aus und alles wurde schwarz.


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Der WinterdiebWhere stories live. Discover now