Drachenblut

Der Drachengrat

Nemesis erschauderte.

,,Bist du dir sicher?", der Wyvern sah sich um. Im dichten Nebel erkannte er rein gar nichts. Nem spürte wie der Körper des Drachen vibrierte, als dieser zustimmend knurrte.

Waren es vielleicht Cobalts Wachen? Oder die von Circus? Brie flog nun so tief, dass er beinahe den Boden berührte. Das Gestein sah aus wie schwarzes Pulver, dass zusammengepresst wurde. Nemesis hielt sich die Hand vor den unteren Teil seines Gesichtes als er hustete. Der Nebel, der eigentlich nur schwarzer Staub war, raubte ihm den Atem und brannte in seinem Hals.

,,Was sollen wir jetzt tun?", sobald sie nach oben an den Gipfel fliegen würden, würde man sie entdecken, falls das nicht schon geschehen war. Brie war erschöpft, er war ganz sicher nicht mehr dazu in der Lage sich verteidigen zu können gegen einen anderen Drachen ohne dabei Feuer zu speien.

,,Ich werde so nah wie möglich ran fliegen, den Weg nach oben wirst du ohne mich schaffen.", Bries Körper spannte sich an, als würde er seine restliche Kraft bündeln, ehe er mit einem kräftigen Flügelschlag in die Luft schoss.

Ein eisiger Schauer durchfuhr ihn, als er das Kreischen eines anderen Drachen hörte. Es schien von allen Seiten zu kommen. Waren es mehrere...? Nemesis atmete tief durch. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Er erkannte nun endlich die schwarze Spitze. Nem kniff die Augen zusammen um durch den Nebel hindurch besser sehen zu können. Nicht mehr weit und sie wären direkt am Fuß des Berges.

Der Wyvern richtete sich auf und zog die Knie an, bereit abzuspringen und zu fliegen, als ein fremder Drache Bries Seite rammte. Er hörte ein schmerzerfülltes Kreischen und erkannte nur kurz einen dunkelgrünen Drachen. Aus Reflex verwandelte er sich und breitete seine Schwingen aus.  Er wollte Brie zur Hilfe eilen, ihn nicht alleine hier lassen, aber dann würde er riskieren, nicht rechtzeitig zu den anderen Drachen zu gelangen. 

Widerwillig drehte Nem sich weg und flog mit kräftigen Flügelschlägen Richtung Himmel. Der dunkle Rauch und das schwarze Gestein verhinderten eine klare Sicht. Er musste aufpassen nicht gegen einen Felsen zu fliegen...

Er richtete den Blick nach vorne, Richtung Gipfel und verbannte jegliche Gedanken an Brie aus seinem Kopf. Tatsächlich wurde der Nebel etwas weniger je höher er flog. Er konnte beinahe frei atmen und sehen.

,,Fast geschafft.", dachte er und atmete tief durch. Die Luft wich jedoch aus seinen Lungen, als sich ein dunkelroter Schatten auf ihn stürzte und ihn mit dessen Körper gegen das Gestein schmetterte und an Ort und Stelle hielt. 

Circus. Der Drache war um einiges größer und kräftiger als er. Er erlaubte sich jedoch einen kurzen Triumph, als er erkannte, dass ein Auge nicht mehr intakt war. 

,,Ich hätte dich hier nicht erwartet.", Circus in seinen Gedanken zu hören war wie ein Gift, dass sich langsam in sein Bewusstsein fraß. Um ehrlich zu sein hatte er auhc nicht damit gerechnet ausgerechnet auf Circus zu treffen. Hatte Frey gelogen...? 

Nemesis versuchte sich zu bewegen und bemerkte erst jetzt, die Klaue die sich ein Stück weiter in sein Fleisch bohrte. Er knurrte schmerzerfüllt und schnaubte. Der Staub brannte in seiner Schnauze und in seinem Hals. 

,,So schlau scheinst du wohl doch nicht zu sein.", Circus legte den Kopf schief, sodass sein noch funktionierendes Auge ihn durchbohrte, und bleckte die Zähne. Nem rümpfte die Nase und schnappte nach dem Drachen. Ein amüsiertes Grollen verließ die Kehle des Roten. 

,,Was hältst du von einem kleinem Ausflug?", er spürte wie die Klaue sich von ihm löste. Circus klammerte sich an das unebene Gestein wie eine Spinne und für einen Moment fragte Nem sich ob der Drache irgendeine Gabe besaß, die ihm das ermöglichte. Wo war Serafyn? Cobalt? Oder Aspen und Azriel. Man musste doch sicher schon auf sie aufmerksam geworden sein. Bereits als Brie angegriffen worden war. Man musste sie doch gehört haben.

Die Kralle legte sich um seinen Kopf und drückte zu, ehe er mit ganzer Kraft erneut gegen das Gestein geschmettert wurde.

Es war seltsam kalt. Keine eisige Kälte, sondern eine nasse Kälte. Wie die Luft an einem See oder am Meer. Nein, nicht wie am Meer, die Luft dort war anders. Sie war frisch und salzig, nicht...modrig?

Ein metallisches Geräusch drang zu ihm durch, nur gedämpft, so als wäre es weit weg. Nemesis versuchte seine Gedanken zu sortieren um endlich einen klaren Gedanken fassen zu können. Er erinnerte sich an den Drachengrat und an Circus und dann...nichts. 

Endlich, nach einer Ewigkeit, war er dazu in der Lage seine Augen aufzuschlagen. Sein Kopf war schwer und pochte, als wäre er...auf einem Stein aufgeschlagen. 

Wie ein Blitz schossen die Erinnerungen zurück ins ein Bewusstsein und er war hell wach. Ruckartig richtete er sich auf und sah sich um. Es sah aus wie eine Zelle. Die Wände bestanden aus dunklem Gestein, wie das am Drachengrat, nur nicht so brüchig. 

,,Na sieh an wer endlich wach ist.", Circus lehnte an den Gitterstäben und grinste ihm entgegen. Wenn der Drache in seiner Menschenform vor ihm stand...dann musste auch er sich verwandelt haben. Wann? Er erinnerte sich nicht daran. Nemesis sah an sich herab und starrte glücklicher Weise auf eine verschlissene Decke die seinen nackten Körper verdeckte.

Dann fiel sein Blick auf den Blutfleck. Augenblicklich wanderte seine Hand an seine Seite. Er zuckte zusammen und atmete zischend aus. 

,,Ach ja, das. Das ist halb so schlimm.", Circus war seinem Blick gefolgt und zuckte mit den Schultern: ,,Der Rest aber, ist sehr hübsch anzusehen. Deine Schuppen haben wirklich eine einzigartige Färbung."

Angewidert verzog Nemesis das Gesicht und versuchte seine Flügel auszustrecken. Sie waren zusammengebunden worden. Der Gedanke, dass Circus ihn nackt gesehen hatte, jagte einen unangenehmen Schauer über seinen Rücken. 

Er öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, doch nur ein leises Krächzen kam hervor. Sein Hals brannte und war staubtrocken. 

,,Ach ja, die staubige Luft am Drachengrat. Wusstest du, dass du daran ersticken könntest? Sie ist gefährlich, sowohl für Drachen als auch Wyvern.", er hörte wieder dieses metallische Geräusch und fand nun endlich die Quelle. 

Circus stieß einen Becher gegen die Metallstäbe. 

,,Ich bin kein Folterknecht, Nemesis. Hol ihn dir.", er streckte seine Hand durch die Stäbe hindurch. 

Sein Hals schmerzte bei jedem Wort. Er schlang die Decke fest um sich und zog schützend die Beine an. Was jetzt? Niemand wusste wo er war. Keiner würde ihn hier vermuten. Wo war hier denn überhaupt?

Nemesis schnaubte und erhob sich langsam. Er griff vorsichtig nach dem Becher, darauf achtend, den Drachen nicht zu berühren. Circus umfasste jedoch sein Handgelenk und zog ihn grob an das Gitter heran. Eine Hand legte sich grob um seinen Hals und drückte zu. 

Circus' Gesicht kam seinem so nahe, dass er die Naht, die unter der Augenklappe hervorlugte genau sehen konnte. Nemesis versuchte sich aus dem Griff zu befreien, erntete dafür jedoch nur ein leises Lachen. Er spürte den Drang sich zu verwandeln und auch wie dieser unterdrückt wurde. Es war, als wäre er ein Gefangener in seinem eigenen Körper.

,,Ich warne dich nur ein einziges Mal: Verwechsle meine Geduld nicht mit Güte. Wir wissen beide, dass ich dir in vielerlei Hinsichten überlegen bin."

Es fühlte sich an als wäre eine Ewigkeit vergangen, als Circus ihn endlich losließ und er kraftlos zu Boden fiel. Nem fasste sich an den hals und rang nach Luft. Sein Blick wanderte zu dem verschütteten Becher.  

Der Drache lehnte sich wieder gegen die Stäbe: ,,Weißt du, diese Zelle scheint mittlerweile zu einem Familienerbstück geworden zu sein. Deine Mutter, dein Frey und jetzt du. Ihr habt euch alle dieselbe Zelle geteilt. Nur noch dein Vater fehlt. Ich bin schon gespannt darauf wie er reagieren wird, wenn ihn die frohe Botschaft erreicht, dass du hier bist."

Der Drache kniete sich vor ihn hin: ,,An deiner Stelle, würde ich hoffen, dass das schnell passiert. Der kleine Daemon vermisst seine Mutter sicher schon ganz schrecklich."