Faeya

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Serafyn stapfte durch den Schnee. Das hatte er ganz sicher nicht vermisst...
Asterin war überrascht gewesen, als sie im Hof gelandet waren und ihm erst einmal alles erzählt hatten. Wenn es ihn nich täuschte, dann hatte er sich sogar etwas darüber gefreut, zu hören, dass er und Nem Nachwuchs bekommen würden.

Das Dorf am Fuß des Berges war lebhaft wie immer. Menschen, Drachen und Halblinge verrichteten ihre Arbeit und Kinder spielten im Schnee. Als kleiner Junge war er hier öfter hergekommen um mit den anderen zu spielen, auch wenn sie meistens Angst vor ihm gehabt hatten. Serafyn war verunsichert darüber, ob die Menschenfrau die Nemesis aufgezogen hatte bereits dazu war mit ihnen zu reden.
Sein Vater klopfte an die Türe und es dauerte einige Momente bis schnelle Schritte zu hören waren und ihnen ein bekanntes Gesicht entgegenblickte. Es war Tristan, jener mit der Krücke, welcher die Stirn runzelte und wohl nach Nem suchte.

,,Dürfen wir reinkommen? Wir müssen mit deiner Mutter reden. Es geht um Nemesis.", erklärte sein Vater leise. Tristan zögerte kurz und nickte dann knapp, ehe er zur Seite trat und sie hereinbat.
Die Hütte, oder besser gesagt das Haus, war warm und gemütlich. Es mangelte ihnen an nichts. Dafür hatte Asterin gesorgt, für jeden in diesem Dorf.

,,Tris wer war....", die Frau brach mitten im Satz ab, als sie sie erblickte und runzelte die Stirn.
,,Wo ist Nem? Geht es ihm gut?", fragte die Menschenfrau und sah sie besorgt an. Natürlich musste es so aussehen, als ob etwas passiert war. Immerhin war Nemesis nicht da und sie machten nun auch keinen allzu freundlichen Eindruck.

,,Alles ist gut. Er richtet euch seine Grüße aus. Wir sind aus einem anderen Grund hier.", sein Vater warf ihm einen kurzen Blick zu.
,,Es geht um Nemesis' Mutter."
,,Faeya. Er weiß es also.", stellte sie fest und zeigte auf zwei Stühle.
,,Lass uns allein Tris, mit euch rede ich später.", wandte sich die Frau an ihren Sohn, welcher knapp nickte und davon humpelte.

,,Wie hat er es erfahren?"
,,Eine Freundin hatte die Vermutung und ein anderer Wyvern kannte seine Eltern und hat die Ähnlichkeit gesehen.", Serafyn nahm die dampfende Tasse Tee entgegen und streckte die Beine aus.
,,Ich hatte immer Angst es ihm zu sagen. Ich wollte nicht, dass er sich alleine fühlt. Faeya hat mir von den Drachen und Wyvern erzählt, deshalb hatte ich auch Angst um ihn.", erzählte sie und stellte sich selbst auch eine Tasse hin, ehe sie sich setzte und sich ein paar lose Haarsträhnen hinters Ohr strich.
,,Das liegt in der Vergangenheit. Ich weiß, dass der Krieg keine schöne Zeit war. Darum werde ich auch nicht zulassen, dass er sich wiederholt.", die Stimme seines Vater klang so ernst und sicher. Selbst Serafyn erkannte, dass der Drache neben ihm jedes einzelne Wort so meinte.

,,Und jetzt wollt ihr wissen wie Nem zu mir gekommen ist, richtig?"
Er und sein Vater nickten knapp.
,,Ich hoffe ihr habt etwas Zeit eingeplant.", lachte sie leise und warf sich eine Decke über.

,,Damals, als wir in das Dorf kamen, nachdem wir tatsächlich geflohen waren, wüteten immer noch Drachen überall. Offenbar auf der Suche nach jemandem. Sie hatten ein seltsames Wappen auf ihren Rüstungen, eine rote Schlange wenn ich mich recht erinnere. Sie kamen immer und immer wieder. Oft blieben sie sogar einige Tage.", sie nippte an ihrem Tee und stellte die Tasse wieder ab.
,,Da wir am Rand wohnten musste ich durch den Wald gehen um zu einem Bäcker oder Metzger zu kommen. Auf dem Weg ins Dorf bin ich ihr begegnet. Sie war schwach und unterkühlt. Und zu allem auch noch hochschwanger. Man hatte ihr die Flügel abgetrennt. Zuerst dachte ich, sie wäre ein Mensch. Ich habe ihr geholfen und sie ins Dorf zu einer Heilerin gebracht, die selbst ein Halbling war. Wir haben uns um sie gekümmert und uns mit ihr angefreundet. Auch wenn die Freundschaft nicht lange andauerte.", sie lächelte leicht, als sie in ihren Erinnerungen versankt und atmete dann tief durch.

,,Ich war zu diesem Zeitpunkt auch schwanger, mein Kind hätte jederzeit kommen können. Faeya bekam ihr Baby ein paar Tage vor mir. Ich glaube, sie wusste, dass sie nicht überleben würde und hat Nemesis nicht eine Sekunde lang aus den Armen gelegt. Sie hat jeden einzelnen Moment genossen. Als wir bemerkt hatten, dass Nem kleine Flügel hatte, erzählte sie uns wer sie war und vor allem was.", sie machte eine kurze Pause und schluckte schwer.
,,Mein Baby kam tot zur Welt. Der Hunger und all die anderen Strapazen waren schuld daran. Faeya starb noch am selben Abend. Also habe ich Nemesis aufgenommen. Meinem Mann habe ich erzählt ich sei von einem Drachen vergewaltigt worden. Er war so wütend, dass er den kleinen Nem am liebsten im nächsten Fluss ertränkt hätte. Es war als hätte das Schicksal es für mich und Faeya so vorgesehen.", sie stand auf und verschwand einen Moment lang in einem anderen Raum.

Faeya war also tatsächlich tot. Wie sollte er Nemesis das nur sagen, wo er ihm doch bereits Hoffnungen gemacht hatte?

Sie kam mit einem Stück Papier in der Hand zurück und reichte es ihm.
,,Faeya hat den für Nem geschrieben, bevor sie starb. Ich kann nicht lesen, darum konnte ich nie etwas damit anfangen. Ihr vielleicht schon. Ich hoffe ihr findet einen Hinweis auf seinen Vater. Ich hoffe er versteht, weshalb ich ihm die Wahrheit nie sagen konnte."

Serafyn überflog den Brief. Die Schrift war sauber und sehr gut lesbar, selbst für jemanden, der sich dabei schwer tat.

,,Ich bin mir sicher, dass er das versteht. Was weißt du über Wyvern?", Sera hatte das Bedürfnis ihr zu sagen, dass sie Großmutter werden würde, auch wenn das für einen Menschen vermutlich mehr Schock als Freude bedeutete.

,,Nicht besonders viel. Faeya hat mir nur sehr wenig erzählt, wieso?" antwortete die Frau und legte fragend den Kopf schief.
,,Das mag vielleicht verrückt klingen, aber Wyvern haben in ihrer natürlichen Form kein Geschlecht, daher können sie alle Nachwuchs bekommen. Ich dachte mir, als seine Ziehmutter, würdest du es sicher wissen wollen.", Serafyn machte eine kurze Pause um seine Worte etwas wirken zu lassen.

,,Das heißt...Nemesis könnte auch ein Kind bekommen?", verwirrt runzelte sie die Stirn.
,,Ja. Um genauer zu sein, erwarten wir bereits Nachwuchs."

Überrascht weiteten sich ihre Augen und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Serafyn konnte nicht genau sagen, ob sie sich freute oder entsetzt war.
,,Ist er deshalb nicht mitgekommen?"
Er nickte knapp und ließ seinen Blick wieder über den Brief wandern.

Mein kleiner Nemesis,

Ich bedauere, dass du bloß einen Brief von mir bekommst und niemals die Liebe deiner Mutter zu spüren bekommen wirst. Liebend gerne hätte ich dir dabei zugesehen, wie du aufwächst und das Laufen lernst. Ich hätte dir gerne dabei zugesehen, wie dein Vater dir das Fliegen beibringt. Leider wurde mir das alles verwehrt. Der Krieg ist zwar schon seit Jahren vorbei, dennoch sehnen sich die Drachen noch immer nach Rache an uns. Severin, dein Vater, weiß vermutlich nicht einmal von deiner Existenz. Er wird glauben, du seist mit mir gemeinsam gestorben. Aber...

Serafyns Aufmerksamkeit wurde von dem Brief zurück auf die Menschenfrau gelenkt. Er steckte das Papier weg und erhob sich, wie sein Vater.
Sie verabschiedeten sich rasch von ihr und verließen das Haus eilig. Die Mine seines Vaters verdunkelte sich augenblicklich, als sie durch die Türe traten.

,,Das Wappen, das sie erwähnt hatte, gehörte zu Circus' Familie."

DrachenblutWhere stories live. Discover now