Kapitel 6

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Wednesday betrat das ehemalige Büro von Direktorin Weems. Mr. Moody folgte ihr. Für ihren Geschmack war er viel zu nah und sie lief automatisch schneller. Eine brutale und verwirrende Vision wäre jetzt wirklich zu viel des Guten, dachte sie sich.

Ihr Körper hatte sich wieder beruhigt, doch der Gedanke an Xavier hing an ihr, wie ein süßer Duft, der sie umnebelte. Sie wäre am liebsten zu ihm zurückgelaufen. Moody riss sie aus ihren Gedanken.

„Miss Addams… ihre Mitbewohnerin Enid Sinclair und auch ihre neue Wohnheim-Mutter Mrs. Ashton sind sehr in Sorge gewesen.“, er räusperte sich und musterte sie mit ernstem Blick, ihre nassen Haare und Kleidung. Wednesday blieb unbeeindruckt und schwieg. „Was haben sie um alles in der Welt gemacht … um diese Uhrzeit, bei diesem Wetter? Für Schüler ist es strengsten untersagt, nach 22 Uhr die Schule oder das Gelände zu verlassen!“, er wurde lauter, durchbohrte sie nahezu mit seinen Augen.

„Ich bin spazieren gegangen… mehr nicht… ich liebe die Nacht, dieses Wetter und die Kälte… ich kann nicht anders.“, Wednesday hatte das alles nicht geplant. In ihrem Kopf ging sie alle Ausreden und Motive durch, die ihr plausibel genug erschienen. „Spazieren?“, hakte er nach und ließ einen lauten Lacher von sich, „Das kann ich mir kaum vorstellen. Passen Sie auf! Ich habe bereits von ihnen gehört, von dem, was letztes Semester passiert ist, wie viele Male sie gegen die Regeln verstoßen haben… wenn sie irgendetwas im Schilde führen, dann warne ich sie! Unter meiner Führung wird es keine Gnade geben. Weems war viel zu nachsichtig mit ihnen… aus diesem Grund ist sie nun auch tot, aus diesem Grund wurde unsere Schule heimgesucht und aus diesem Grund sind sie auch immer noch hier willkommen. Doch ich versichere ihnen, ich besitze keine Samthandschuhe!“, seine Tirade nahm ein jähes Ende, als Wednesday ihn unterbrach. 

Die Wut kochte in ihr. Dieser Mann machte sie für alles verantwortlich: „Direktorin Weems hatte nur eines im Sinn, diese Schule zu retten und vor allem Übel zu beschützen. Genau wie ich. Wir waren nicht immer einer Meinung, sind die Dinge anders angegangen und hatten andere Prinzipien! Aber ich kann ihnen versichern, ohne mich wäre diese Schule nur noch ein Haufen Asche.“, ohne mit der Wimper zu zucken, sprudelte es nur so aus ihr heraus, „Sie hätten kein neues schickes Büro und keinen neuen Job. Der Anzug, den sie tragen. Der passt ihnen nicht, er ist entweder schon 20 Jahre alt oder sie mussten ihn sich borgen, da sie bis gestern mit Sicherheit noch in Jogginghose rumgelaufen sind.“ Mr. Moody fühlte sich ertappt und starrte sie nur an. Wednesday sprach einfach weiter: „Sie glauben, nun ist ihre Zeit gekommen, endlich ihren angestauten Frust an unschuldigen Schülern auslassen zu können. Doch glauben sie mir, ihre Samthandschuhe werden sie sich noch wünschen, denn wer sich mit mir anlegt, verbrennt sich die Finger!“ Völlig verdutzt ließ sie den Direktor einfach stehen und ging aus dem Zimmer. 

Sie hatte keine Angst davor, was passieren wird. Ob er sie verwarnt oder gar von der Schule schmeißt. Sie konnte nicht anders. Als er sie für Weems Tod verantwortlich gemacht hatte, war das ein Schritt zu weit. Ihre Grenze war überschritten und die Wut nahm das Steuer in die Hand. Für Wednesday war es ungewohnt. Wut konnte sie schon immer gekonnt herunterschlucken, genauso wie auch Trauer. Nevermore veränderte sie. Immer wieder lernte sie neue Seiten ihres Selbst kennen. Als sie zurücklief in Richtung Ophelia Hall, zierte ein schiefes Grinsen ihr Gesicht, wenn auch nur für eine Sekunde.

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Als sie am Zimmer ankam, öffnete Sie nur leise und vorsichtig die Tür. Sie ging langsam und ruhig hinein. Doch die Mühe hätte sie sich sparen können. Enid lief nervös und mit zerzausten Haaren im Raum auf und ab. 

„Wednesday Addams!!! Wo warst du?“, schrie Enid sie an. Wednesday bekam beinahe Angst, als sie ihre irren Augen sah. „Ich habe dich überall gesucht… wir hätten fast die Polizei gerufen!“, sie kam einige Schritte auf sie zu. „Ich war spazieren… im Wald.“, Wednesday wandte sich unbeeindruckt von ihr ab und ging in Richtung ihrer Koffer, die immer noch dort standen, wo Lurch sie abgestellt hatte. Enid konnte es nicht fassen und lief ihr nach: „Du warst spazieren? Bei dem Wetter? Nein nein … das glaube ich nicht. Ist irgendetwas passiert? Hattest du eine Vision?“ Nie hatte sie Enid so aufgewühlt gesehen. Sie schüttelte lediglich ihren Kopf und war dabei, einen ihrer Koffer zu öffnen. Sie war auf der Suche nach ihrem schwarzen Pyjama. 

Woe is me, my loveWhere stories live. Discover now