Kapitel 1

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Only a monster
can deal with another
monster

Die Sonne brach sich auf der Oberfläche des schmalen Baches und malte helle Lichtpunke auf die Bäume um ihn herum. Der sanfte Wind brachte die Blätter und die darin aufgehängten Windspiele zum Klimpern. Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Der erste um genau zu sein. Der Winter, der dieses Jahr besonders hart gewesen war, hatte mit seine Klauen aus Eis und Schnee endlich von dem Land abgelassen. Wobei ich sagen musste, dass es mir ziemlich egal war, was mit dem Land der Menschen passierte, so lange mein Wald keinen Schaden davontrug. Eigentlich war es nicht richtig mein Wald, ich nannte ihn nur so. Es war ein schöner Wald. Dunkelgrün, voller Leben, groß und dicht. So groß und dicht, dass ich mich manchmal fragte, ob er überhaupt ein Ende hatte...
Der warme Dampf meines Kräutertees stieg mir in die Nase, als ich die tanzenden Glasscherben an der Weide mir gegenüber beobachtete. Ich trank einen Schluck und seufzte wohlig auf. Holunder, meine schwarze Katze, sprang mir auf den Schoß und machte es sich dort gemütlich. Langsam fuhr ich ihr über das seidige Fell und spürte die Vibration auf meinem Bein, die von ihrem Schnurren ausging. Ich lächelte leicht und nahm noch einen Schluck des Tees. Eine sanfte Brise blies mir durch die blonden langen Haare und wirbelte über das Wasser des Bächleins. Kleine Wellen schlugen an das Ufer und benätzten das Gras. Ich schloss meine Augen, als mir erneut ein Windstoß über das Gesicht streichelte und hörte den Vögeln beim Singen zu. Langsam sog ich die kühle Waldluft in meine Lunge und kuschelt mich tiefer in die Kissen meines Schaukelstuhls. Die Holzbalken meiner Verander unter mir knarrte ein wenig, als wollte sie meinem Wohlbefinden zustimmen. Auch der jetzt kaltgewordene Tee teilte wohl ihre Ansicht, denn er erwärmt sich wieder. Kleine weiße Wölkchen kamen jetzt wieder aus der Tasse. Himmel, wie ich Magie liebte! Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen ohne sie zu leben.
Ein leises Lächel stahl sich auf meine Lippen und ich schloss meine Augen wieder (wann hatte ich diese geöffnet?). Nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen. Ich hörte, dass jemand kam. Ich hörte es daran, wie der Wind sich veränderte, er wurde leiser und legte sich, als ob er sich verstecken würde. Ich hörte es auch daran, dass die Vögel, die eben noch voller Elan gesungen hatten, jetzt ganz verstummten. Und ich wusste auch wer da kam. Es konnte nur eine Person sein. Eine Person vor der selbst die Natur Angst hatte. Sicher nicht die ganze Kraft der Natur, nein, die Urnatur war so viel mächtiger, als alle Hexen der Welt zusammen. Aber der Wind und die Vögel waren zu zart beseitet, zu leicht zu brechen, um einer ehemaligen Knochenhexe trotzen zu können.
Mit einem Seufzen stand ich auf und hob dabei Holunder, die immernoch auf meinem Schoß saß, hoch. Diese murrte leise, als ich sie auf dem Boden absetzte und meinen Rock glatt strich. Es war mein lieblings Rock. Er war aus vielen verschiedenen Vierecken zusammengenäht worden. Es hatte mich Tage und Wochen gebraucht ihn zu machen, aber dafür sah das Ergebnis um so schöner aus.
Mit sicherem Tritt sprang ich von der Verander und lief um mein kleines Häuschen herum. An meinen nackten Waden kitzelte mich das hochgewachsene Gras. Meine Füße steckten, wie immer, in meinen grau, grün, braun geringelten Stricksocken, diese wiederum in meinen braunen Lederstifelletten, die man vorne schnüren musste.
Als ich um die Ecke bog, bestätigte sich meine Annahme, wen ich hier antreffen würde. Es war Morgan, meine Cousine. Morgan war die Abkürzung für Morrigan. Meine Tante hatte sie nach einer unserer Vorfahren benannt, wohingegen meine Mutter eine weniger gute Wahl getroffen zuhaben schien...
"Celeste, da bist du endlich! Willst du, dass ich hier Wurzeln schlage oder was", murrte Morgan zur Begrüßung.
"Ja, es freut mich auch dich zusehen", sagte ich betont langsam und lehnte mich, wenige Schritte von ihr entfernt, an die kühle Hauswand.
"Entschuldige Cousinchen, aber ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", sagte sie und schüttelte dabei den Kopf, was ihre langen schwarzen Haare in der Sonne glänzen lies, "denn, wenn du es nicht vergessen hast, weißt du, dass heute Arbend das Neumond Ritual stattfindet."
Ich verdrehte genervt die Augen.
"Ich habe es nicht vergessen", sagte ich und murmelte leise, "wie könnte ich."
"Was hast du gesagt, Süße?"
"Nichts, was dich zu interessieren braucht", meinte ich nur und fragte dann, "Morgan, warum bist du hier. Du weißt ganz genau, dass ich noch nie irgendwelche Lobrituale oder sonstigen Quatsch für Hekate gemacht habe!"
Morgan zog resigniert die Augenbrauen hoch und schnalzte mit der Zunge. Hekate war, wenn man den Märchen Glauben schenkete, die Mutter aller Hexen, deswegen fand meine Cousine es nicht ganz so toll, wie ich über sie sprach. Als ehemalige Knochenhexen hatte Morgan früher sogar Menschenofer für Hekate dargebracht. Das war zum Glück lange vorbei. Wobei mir das Wohl der Menschen nicht sonderlich am Herzen lag.
"Was wir da machen ist kein Quatsch. Wir ehren unsere Heilige Mutter, das solltest du auch mal machen!"
"Wenn du nur hier bist, um mich zu überreden, da mit zumachen, dann kannst du auch versuchen alle Bäume in diesem Wald aufeinmal auszugraben. Das wäre genauso sinnlos!"
"Schon gut, schon gut", Morgan hob ihre Hände, "deswegen bin ich nicht hier."
"Ach", ich zog eine Augenbraue hoch, "was willst du dann?"
"Wir wollten dich bitten, etwas aus den Dorf zu besorgen. "
"Nein!"
"Bitte!"
"Nein!"
"Bitte Celeste!"
"Auf gar keinen Fall!"
"Warum denn nicht?"
Ich schnaupte. Sie fragte mich allen Ernstes, warum denn nicht? Als läge das nicht auf der Hand!
"Ich habe seit hundert Jahren keinen Fuß mehr in irgendein Dorf gesetzt", wetterte ich los. Hundert Jahre. Seit meine Mutter tot war... ich verdrängte diesen Gedanken, "und das wird sich auch in den nächsten hundert Jahren nicht ändern!"
"Muss ich dir etwa drohen", knurrte Morgan und machte einen Schritt auf mich zu. Ich schnaupte nochmal. Bitte, wem wollte sie hier etwas vor machen? Doch die Herausforderung nahm ich gerne an.
"Versuch's doch", sagte ich und ein böses Grinsen umspielte meinen Mundwinkel.
Wenige Sekunden verbrachten wir damit, uns gegenseitig nieder zu starren, bis Morgan frustriert aufstöhnte.
Gut so! Dann war sie schneller wieder weg.
"Bitte, wie haben dich so viele Jahre in Ruhe gelassen, jetzt kannst du auch etwas für uns tun!"
Bei den Götter, war die denn gar nicht loszuwerden?
"Celeste, ich werde hier so lange stehen, bis du endlich ja sagst."
Ich schloss kurz die Augen und warf dann mit einem entnervten Seufzter die Arme in die Luft.
"Na schön! Aber", drohend hielt ich ihr meinen Zeigefinger unter die Nase, "nicht du oder irgendeine Hexe aus deinem Zirkel werden mich für die nächsten tausend Jahre belästigen. Hast du mich verstanden?!"
Morgan nickte und ein irres Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Witchcraft     The Blood Witch's CurseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt