Kapitel 1

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+++Die Geschichte wurde von mir am 15.06.2021 auf FF.de veröffentlicht und dort am 08.03.2022 beendet+++



Remus Lupin hatte seit Dumbledores Tod vor fast vier Jahren viele Dinge gesehen, die er bis heute nicht richtig begriff. Grausame, schreckliche, aber auch bizarre Dinge. Zum Beispiel, wie vor fast einem halben Jahr Draco Malfoy zum Orden gestoßen ist. Diese Begebenheit war nicht nur bizarr gewesen, sondern auch unerklärlicherweise seltsam. Nicht nur, dass er sie alle verraten hätte können, da er den Standpunkt eines der Verstecke ausfindig gemacht hatte, er konnte aber mit keinem Wort erwähnen, wie er diesen Ort gefunden hatte. Selbst seine Begleitung, Pansy Parkinson hatte keine Ahnung. Er wusste gar nichts mehr als er zu sich gekommen war. Wie er es geschafft hatte, mit Miss Parkinson noch zu apparieren, war ihnen alle ein Rätsel und laut ihr wurden sie angegriffen. Mit welchem Fluch genau Draco getroffen wurde, war ihnen allen bis heute nicht klar. Fakt war nur, er hatte keine Ahnung wie er zum Orden gefunden hatte und hatte starke Erinnerungslücken bezüglich den letzten Jahren. Natürlich waren sie ihm gegenüber skeptisch gewesen, aber er hatte sich in den letzten Monate mehr als nur bewährt.

Seltsamer als das konnte es nicht werden. Zumindest war sich Remus darüber sicher gewesen bis zum heutigen Abend. Eigentlich war es eine normale Patrouille in der Winkelgasse. Das machten sie regelmäßig. Beschatteten Todesser. Sahen dem Treiben zu oder griffen ein. Es war immer sehr risikoreich und so auch heute Abend als die junge Frau ihnen praktisch in die Arme gelaufen war und um Hilfe gebeten hatte. Remus und George waren mit ihr appariert. Kaum hatten sie das Versteck des Ordens betreten und das Mädchen Draco gesehen, hatte sie sich auf ihn gestürzt, mit einem Schwall an Worten der Wiedererkennung und Freude, nur um verwirrt zu sein als dieser sich überfordert von ihr befreit hatte. Egal woher sie sich kannten, Draco konnte sich scheinbar nicht an sie erinnern und hatte sie alle Hilfe suchend angesehen, während die junge Frau einfach nur verzweifelt gewirkt hatte. Immer wieder seinen Namen gesagt hatte und verzweifelt wiederholt hatte, ob er sie denn nicht erkannte und was mit ihm los sei.

Charlie Weasley war es gewesen, der vorgeschlagen hatte die ganze Situation erst einmal in Ruhe zu klären und dem hatte Remus zugestimmt. Remus, Charlie und die beiden Zwillinge waren mit ihr in den Fuchsbau, wo Molly ihnen alle erst einmal eine Tasse Tee machte und Remus nun erklärte, wann Draco bei ihnen aufgetaucht war und wie. Was er seitdem hier tat, nachdem Remus nachgefragt hatte, wer sie war. Eine Greengrass. Astoria Greengrass, um genau zu sein. Sie war eine der Töchter des Politikers, der freiwillig nach einem Jahr der Machtherrschaft des Dunklen Lords zurückgetreten war und seitdem die Füße stillhielt. Keiner im Widerstand hatte es verstanden. Hatte Hyperion doch immer klare Stellung gegen den Dunklen Lord bezogen. Jetzt wurde es Remus klar. Sie hatten seine Tochter in der Gewalt gehabt. Seit fast drei Jahren war sie scheinbar in Manor gewesen. Unfassbar.

Sie schüttelte den Kopf als Remus endete, während sie um den großen Tisch saßen. Ihr braunes Haar wirkte zerzaust. Sie war furchtbar blass und ihre braunen Augen glänzten verräterisch als sie zu Remus aufsah, der ihr gegenübersaß.
„Er... er erinnert sich nicht?"
Remus seufzte, bevor er nickte.
„Ich fürchte, so ist es."
Sie schluckte sichtlich.
„An gar nichts?"
„Doch. Er weiß vieles vor Dumbledores Tod", mischte sich Charlie mit ruhiger Stimme ein. „Aber er hat viele Lücken danach. Er weiß nicht einmal, wie er hierhergekommen ist. Also zum Orden."
Sie senkte den Blick und fuhr sich über die Augen.
„Ein Freund hat ihm geholfen", wisperte sie schwer und sie tauschten kurz alle Blicke aus.
„Ein Freund?", hakte Remus vorsichtig nach. „Weißt du, wer dieser Freund ist?"
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein. Darüber hat er nicht gesprochen."

Molly räusperte sich und die vier Männer sahen auf.
„Ich denke, ihr könnt dieses Gespräch Morgen fortführen. Sie muss sich ausruhen."
„Mir geht es gut", versicherte die Brünette ihnen und Remus musterte sie besorgt.
„In welchem Monat bist du?"
Remus sah, wie sie ihre Hände auf ihren gewölbten Leib legte.
„Siebter Monat."
Molly trat näher an den Tisch. Sie war noch so jung und schon schwanger.
„Bist du sicher, Schätzchen? So weit siehst du noch gar nicht aus."
Sie nickte mit leicht gerötetem Kopf.
„Ganz sicher."
„Wer ist der Vater?", fragte George unverblümt und seine Mutter, die nicht weit von ihm stand, gab ihm eine auf den Hinterkopf.
„George."
„Was denn? Darf ich dich das nicht fragen?"
Molly ahnte vermutlich schlimmeres.
„Du musst darüber nicht reden, Liebes", meinte die Ältere sanft und funkelte George erneut böse an.
Sie kannten viele der Opfer der Todesser. Viele Überfälle auf junge Frauen. Astoria wirkte verwirrt und schüttelte den Kopf.
„Schon in Ordnung. Ich meine, es war nicht geplant." Sie lachte unsicher auf. „Niemand in dem Alter plant so etwas."
Sie war neunzehn.
„Also wer?", fragte George und wich seiner Mutter aus, in dem er einfach zwei Plätze weiter rutschte.

Astoria sah leicht überfordert in die Runde. Vermutlich kam sie sich gerade wie ein Tier im Zoo vor.
„Ähm... Draco."
Fred, der gerade etwas trank, prustete erschrocken los.
„Was?"
„Fred.", mahnte Molly ihn und Remus räusperte sich laut, um Ruhe in die kleine Runde zu bringen.
„Astoria.", redete er sie an und musterte sie aufmerksam.
„Hat Draco... irgendetwas getan, was du nicht wolltest oder..."
„Oh nein.", unterbrach sie ihn rasch.
„Ich..." Sie wurde wieder rot. „Er hatte die Aufgabe, mich zu überwachen, als man mich nach Manor brachte. Wir... wir haben uns besser kennengelernt und eins führte zum anderen." Ihr Gesicht glühte. „Irgendetwas muss mit dem Verhütungszauber schiefgelaufen sein.", mutmaßte sie. „Als wir es bemerkt haben, hat Draco gesagt, dass wir handeln müssen. Dass wir wegmüssen." Sie lachte unsicher auf. „Was leichter gesagt als getan war." Das konnte sich Remus bildhaft vorstellen. „Wir haben seine Mutter eingeweiht und als Draco die Information seines Freundes hatte, ist er aufgebrochen. Er wollte den Orden kontaktieren. Um Hilfe und Schutz bitten und uns spätestens am nächsten Tag nachholen. Doch... er kam nicht."

Nun, wie sollte er auch, ohne Erinnerung daran.
„Am dritten Tag wurde sein Verschwinden bemerkt. Wir dachten erst... er sei tod, doch es kam keine Meldung. Eine Woche später hat man ihn als Deserteur eingestuft oder als Gefangener des Ordens." Ersteres, aber solange die Todesser das nicht mit Sicherheit wussten, hatten sie einen gewissen Vorteil. „Narzissa hat gesagt, dass wir abwarten sollen. Das... Draco vielleicht mehr Zeit braucht." Sie lachte etwas falsch und fuhr sich an die Stirn. „Wir... haben meine Kleidung so angepasst, dass alles gut versteckt, war als... der Bauch wuchs. Aber... das ging nicht mehr und das ständig zurückziehen fiel auf. Narzissa wollte mich nicht gehen lassen, sie fand es für zu gefährlich. Aber ich habe ihr gesagt, dass wenn ich hierbliebe, genauso sterben werde. Die Tochter eines Verräters, schwanger von dem Mann, der sie eigentlich bewachen sollte und jetzt vermutlich zum Orden gelaufen war? Keine guten Karten. Ich musste dort weg."
„Verständlicherweise", stimmte Charlie hinzu.

Astoria wirkte verzweifelt.
„Kann man den gar nichts gegen diesen Gedächtnisverlust machen?"
„Wir wissen es nicht. Wir sind keine Heiler, Astoria", erwiderte Remus. „Wir haben einen Heiler, der sich immer wieder um uns kümmert und auf unserer Seite ist, aber er ist kein Spezialist von verlorenen Erinnerungen."
„Könnte man nicht ihre Erinnerungen, mit denen von Draco verknüpfen?", warf Fred nachdenklich ein.
„Davon würde ich abraten", meinte Charlie. „Das Gedächtnis hat so seine Eigenarten und Verletzungen, gerade magische, sind tückisch. Wir sollten lieber abwarten."
„Abwarten?", wiederholte Astoria aufgebracht und wirkte dabei den Tränen nah.
„Ich weiß, dass das schwer ist, Astoria. Aber wenn wir unüberlegt handeln, könnten wir Dracos Gedächtnis noch mehr schädigen." Und das wollte Remus sicher nicht.
Sie schien nachzudenken.
„Gut. Dann will ich zu meiner Familie."
„Unmöglich", sprach Charlie tonlos und sie schüttelte den Kopf.
„Wieso nicht? Warum kann ich nicht zu meiner Familie?"
„Weil sie unter Hausarrest stehen", antwortete George. „Tauchst du dort auf, haben die Todesser dich sofort."
Sie atmete schwer aus und fuhr sich wieder über die Augen und Wangen.
„Und was machen wir jetzt? Was soll ich tun?"

Sie schluchzte und Molly war mit wenigen Schritten bei ihr und legte ihr mütterlich den Arm um.
„Keine Sorge. Wir kümmern uns um dich. Du kommst jetzt mit mir erst einmal hoch und machst dich frisch, dann bringe ich dir etwas zu Essen und dann ruhst du dich aus. Wir bekommen das schon hin, Liebes."
Sie sahen den beiden Frauen nach und Fred atmete schwer aus.
„Heilige Scheiße, Malfoy wird Vater und weiß es nicht einmal. Wie verrückt ist das?"
„Auf einer Skala von eins bis zehn?", frage George. „Ich würde sagen, hundert."
Charlie stand auf.
„Lasst uns hier nicht herumstehen, sondern zurück zu den anderen, um mit Draco zu reden."
„Denkst du, es ist gut, so mit dem Drachen ins Schloss zu fallen?", fragte Remus nachdenklich und Charlie zuckte mit den Schultern.
„Wir werden es erst herauskriegen, wenn wir mit ihm gesprochen haben. Wer weiß, vielleicht löst das etwas in ihm aus. Ein Versuch ist es wert und wenn Astoria hierbleibt im Orden, werden wir nicht verhindern können, dass die Beiden sich irgendwann über den Weg laufen. Geschweige, dass er es wissen sollte. Das Baby kommt bald zur Welt. Sein Kind."
Charlie hatte recht. Natürlich hatte er das. Sie setzte sich in Bewegung bis auf Fred.
„Fred?", frage sein Zwillingsbruder und Fred blickte auf.
„Ähm... ich denke, ich bleibe hier."
Remus runzelte die Stirn und George wirkte überrascht.
„Bist du sicher?"
„Ja", antwortete dieser gelassen.


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