Kapitel 18

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Es war ihm surreal vorgekommen. Kaum waren sie zu Hause angekommen, waren sie übereinander hergefallen. Hungrige und gierig aufeinander. Es war seltsam, denn es fühlte sich bekannt an und er wusste, dass das der Richtigkeit entsprang. Er hatte es vermisst, auch wenn er das erst seit kurzen wieder wusste. Seine Finger fuhren über ihre helle Haut, bevor er seine Lippen gegen ihre Schulter drückte, nur um sich zu ihr zu beugen und sie auf den Mund zu küssen. Ihre Haut war immer noch erhitzt wie seine. Ihre Wangen rot.
„Ich habe das vermisst", murmelte er und sie legte ihre Hand in seinen Nacken.
„Ich auch."
Er lächelte sanft, bevor er erneut ihre Lippen in Beschlag nahm. Er hatte sie wieder. Seine Tori. Er verschränkte die Finger mit ihren.
„Ich kann mich an alles wieder erinnern", ließ er sie erneut wissen. „Ich weiß auch wieder, wann Aurora entstanden ist."
Ungeplant, aber sie war das perfekte Geschenk für ihn. Er liebte sein kleines Mädchen. Das hatte er schon, bevor er seine Erinnerungen wieder bekommen hatte.

„Wir haben damals fast nichts anders gemacht", flüsterte sie belegt und wurde dabei noch roter im Gesicht.
Sie sprach von der Zeit in Manor und sie hatte recht. Nachdem sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten, gab es kaum einen Tag, an dem sie nicht miteinander Sex hatten. Es war Ablenkung und Verbindung zueinander zugleich gewesen. Viel anders gab es damals nicht zu tun. Der Krieg war im vollen Gange. Er hatte kaum noch das Grundstück seiner Familie verlassen, nur wenn es ungeplante Aufträge gab. Die meiste Zeit war er mit Astoria zusammen gewesen. Er hob seine Hand und legte diese an ihre Wange, während er sie aufmerksam musterte. Wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er sie nicht getroffen hätte. Wenn sie nicht in Manor als Druckmittel festgehalten worden wäre. Er konnte sich das kaum vorstellen, so grausam war der Gedanke. Denn wenn sie nicht in Manor gewesen wäre, hätten sie nie zueinander gefunden. Es wäre zumindest unwahrscheinlich gewesen.

Und wie viel er verpasst hatte, weil er seine Erinnerungen verloren hatte. Er hatte so viel von der Schwangerschaft verpasst. Er hätte sie verlieren können und Aurora. Wenn ihr etwas zugestoßen wäre... Dieser Gedanke war kaum zu ertragen.
„Meinst du es ernst?", fragte sie leise und er rückte näher an sie ran, während sie beide seitlich zueinander lagen, nur das Laken zwischen ihren nackten Körpern. „Willst du wirklich in Frankreich bleiben?"
Er dachte darüber nach und atmete langsam ein und aus.
„Ich denke ja."
Ihre Stirn zog Falten.
„Du denkst? Das hört sich nicht gerade überzeugt an."
Er lächelte schwach.
„Ich habe mich zuvor nie damit auseinandergesetzt, Astoria. Aber ich glaube, dein Onkel und meine Mutter haben recht. Hier kann ich, und vor allem wir, ein relativ normales Leben führen." Neu anfangen, gemeinsam. „Ich weiß noch nicht ganz genau, was passieren wird oder was ich tun werde, wenn ich hierbleibe. Aber Hektor hatte einige gute Ideen. Ich denke, es wird gut werden."
Für sie alle.

„Und deine Mutter will hierbleiben?", fragte Astoria nachdenklich und er zuckte mit den Schultern.
„Nun wir sind ihre Familie. Mein Vater ist tot." Es war seltsam, dies immer noch auszusprechen. „Sie hat zwar jetzt wieder Kontakt zu Andromeda, aber im Grunde sind wir wohl mehr ihre Familie, als meine Tante."
„Verstehe", murmelte sie.
Der Kontakt zu Andromeda war holprig gewesen. Ob es daran lag, dass die beiden Schwestern auf verschiedene Seiten gestanden waren, der Meidung des Kontaktes der letzten Jahre oder der Tatsache, dass Dracos Cousine und dessen Mann von Todessern getötet worden waren, konnte er nicht sagen. Vermutlich war es eine Mischung aus all diesen Dingen.
„Sie ist froh bei Aurora zu sein und bei dir", nuschelte er und drückte seine Lippen gegen ihr Schlüsselbein.
„Wir haben uns schon damals gut in Manor verstanden", warf sie ein und er nickte stumm.
Das wusste er. Weswegen Narzissa sie damals nicht allein gehen lassen wollte, aus Sorge um Astoria und das ungeborene Kind.

„Und sie versteht sich seltsam gut mit deinem Onkel", fügte er augenrollend hinzu und Astoria grinste.
„Was dir nicht gefällt."
„Ich fürchte, dass das irgendwann zu mehr führen könnte."
„Und wäre das so schlimm? Willst du, dass deine Mutter bis an ihr Lebensende allein bleibt?"
Er seufzte frustriert, während er sich auf den Rücken legte und sah Astoria an, die zu ihm aufrückte und sich mit ihren Armen auf seiner Brust abstützte.
„Ich weiß es nicht. Es ist eine komische Vorstellung, sich meine Mutter mit einem anderen Mann vorzustellen."
Und dann noch mit Hektor Greengrass.
„Du kannst ihn immer noch nicht leiden."
„Er kann mich nicht leiden", verbesserte Draco sie und sie schüttelte milde lächelnd den Kopf.
„Er hat nichts gegen dich. Ja, er war damals in England misstrauisch. Aber er weiß, dass du im Grunde ein guter Kerl bist."
„Ein guter Kerl?", wiederholte er amüsiert und sie grinste.
„Ja, ein guter Kerl. Und er weiß, dass ich dich liebe und dass du mich liebst." Sie wurde rot. „Wenn es denn noch so ist", wisperte sie und er griff ihr unters Kinn.
„Immer. Du warst es von Beginn an, Tori und wirst es für immer bleiben. Mein Herz gehört dir schon lange." Auch, wenn er es vergessen hatte. „Für immer, Tori", flüsterte er belegt und schloss die Augen als sie sich vorbeugte und ihn sanft küsste.



Er wachte am frühen Morgen vor Astoria auf und ließ sie schlafen, während er sich duschte und anzog, um nach unten zu gehen und blieb vor der Küche angewurzelt stehen, als dort Hektor mit einem fremden Mann stand.
„Ah ja. Da ist der Kandidat, von dem ich gesprochen habe." Was zur Hölle ging jetzt schon wieder vor. „Draco, das ist Monsieur Rousseau Morel. Er ist im Ministerium tätig." Im Ministerium? Was hatte Hektor jetzt schon wieder vor? „Er wird uns helfen, damit du hier in Frankreich bleiben kannst."
Der Mann gab Draco die Hand, der nur perplex zwischen den beiden Älteren hin und her sah.
„Ich verstehe nicht..."
„Er wird uns helfen, damit du eine Aufenthaltsgenehmigung bekommst", erklärte Hektor. „Er hat mir damals auch geholfen, damit Astoria und Aurora bleiben können."

„Kriegen sie denn das hin?", hakte Draco irritiert nach.
Er hatte das noch nicht alles durchdacht, konnte sich aber vorstellen, dass dies nicht so leicht sein würde, besonders mit seiner Vorgeschichte.
„Nun, für ihre Mutter dürfte es leichter sein. Aber ich denke, wenn sie hier eine Ausbildung oder ein Studium anfangen, dürfte das kein Problem sein. Nach drei Jahren können sie dann im Ministerium einen dauerhaften Aufenthalt beantragen."
Er nickte, wie in Trance, bevor er sich räusperte.
„Das bedeutet, ich... ich brauche eine Arbeitsstelle."
Der fremde Mann nickte.
„Ja, so ist es. Aber wie Hektor mir gesagt hat, haben sie schon einige Ideen." Er? Er hatte gar nichts. Hektor hatte diese. Er wollte nur einfach bei Astoria und seiner Tochter bleiben. „Ich mache auf jeden Fall die Unterlagen fertig", meinte der Mann und Hektor bedankte sich bei ihm und verabschiedete sich, während Draco wie ein Trottel in der Küche stand.

„Das hört sich doch gut an", meinte Hektor als Morel weg war und Draco sah Astorias Onkel irritiert an.
„Ich habe noch keine Stelle."
„Nun, dass ist nicht wirklich ein Problem. Ich habe dir gesagt, dass ich dir dabei helfen kann." Er wusste noch gar nicht, was er wirklich machen wollte. „Wenn du dir nicht sicher bist, kannst du ja erst einmal reinschnuppern."
Er lachte lustlos auf.
„Bei dir hört sich das so leicht an."
„Es ist sicher nicht einfach. Aber es ist auch keine große Hexenkunst." Er klopfte Draco auf die Schulter. „Du hast schon ganz andere Sachen überstanden. Du packst auch das."
Das hoffte Draco.






Sie hasste es, wenn etwas nicht funktionierte, wie sie wollte, gerade an so einem Tag. Astoria kam sich gestresst vor, obwohl der Stress schon längst vorbei war. Es war nur heute Morgen furchtbar anstrengend gewesen. Draco war schon vor sieben Uhr zur Bank aufgebrochen, so wie die restlichen zehn Tage. Er absolvierte dort ein Praktikum und es schien im recht gut zugefallen. Er hatte sich sogar schon mit einigen, vermutlich zukünftigen Kollegen angefreundet. Und Astoria freute sich für ihn, allerdings wäre sie heute auch für Hilfe dankbar gewesen. Hektor und Narzissa waren immer noch in England, um einige Dinge zu regeln, bezüglich Narzissas Antrag für die Aufenthaltsgenehmigung und Astoria hatte sich heute Morgen allein mit Aurora rumschlagen müssen.

Sie liebte ihr kleines Mädchen, aber heute war Aurora mehr als trotzig und anstrengend gewesen. Zuerst wollte sie nicht frühstücken und sich dann nicht anziehen. Dann wollte sie das Draco das machte, aber der war gar nicht mehr dagewesen. Astoria war beinahe am Ende mit ihren Nerven gewesen, besonders weil sie heute um neun Uhr eine Prüfung gehabt hatte. Schlussendlich hatte sich Aurora doch anziehen lassen und ihre trotzige Stimmung war verflogen, als sie den Kindergarten betreten hatten. Und obwohl Astoria noch mindestens drei Stunden hatte, bis sie Aurora wieder abholen musste, wollte sie versuchen noch vorher einzukaufen und schrieb jetzt den Einkaufszettel. Sie hatte eigentlich gehofft, dass die Anspannung nach der Prüfung nachlassen würde, aber sie war immer noch da. Vielleicht weil sie das Gefühl hatte, dass einige Aufgaben nicht gut gelaufen waren. Sie fragte sich, ob sie im Fall zwei lieber eine Fristverlängerung beantragen hätte sollen und ob der dritte Fall richtig und stichfest begründet war.

Sie schüttelte den Kopf, während sie über der Küchenzeile lehnte und versuchte die Einkaufsliste zu ergänzen. Sie musste aufhören, darüber nachzudenken. Sie konnte es ohnehin nicht mehr ändern. Durchfallen würde sie nicht, aber vielleicht eine nicht zu gute Note bekommen. Sie fluchte auf, als es klingelte, nur um zu der Tür zu gehen und diese zu öffnen und zu Eis zu gefrieren.
„Du", brachte sie tonlos hervor und die Brünette vor ihr wirkte unsicher.
„Hallo Astoria."
Es hörte sich falsch an.
„Was willst du hier, Parkinson?", fragte Astoria eisiger und ihre Finger krallten sich in die Tür.
„Ich..." Parkinson schien rot zu werden. „Darf ich hereinkommen?"
„Wozu?"
Die Ältere seufzte.
„Astoria, ich würde gerne mit dir reden und... können wir nicht einfach hineingehen, statt hier zu reden?"

Astoria zögerte. Sie würde am liebsten die Tür vor dieser Frau zuschlagen. Die Frau, die sie als Lügnerin bezeichnet hatte. Die nicht nur ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte, sondern auch das von Astorias Tochter und Schwiegermutter. Doch sie trat zur Seite und ließ Pansy eintreten, die sich staunend umsah, während Astoria die Tür schloss und das Wohnzimmer ansteuerte.
„Hübsch hast du es hier", sprach Pansy und trat an ein Regal, nur um dort ein Foto von Aurora zu begutachten, das gut zwei Monate vor Dracos Auftauchen gemacht wurde. „Sie sieht Draco so ähnlich", murmelte Parkinson und Astoria verschränkte die Hände vor der Brust.
„Sag was du willst, Parkinson und dann verschwinde."
Aus ihrem Leben, und zwar am besten für immer.

„Kann ich mich setzten?"
Astoria zuckte die Schultern.
„Tu, was immer du willst, Pansy."
Sie würde sich auf gar keinen Fall zu diesem Bist setzen.
„Ich... du bist wütend und das zu Recht."
Astoria schnaubte.
„Hast du etwas anderes erwartet?"
„Astoria...", fing sie mit gesenktem Blick an und Astoria platzte.
„Du hast alles gewusst. Du hast gewusst, dass ich schwanger bin von Draco. Du hast gewusst, dass er mich, das Kind in meinem Leib und seine Mutter nachholen wollte, du hinterhältige Schlange."
„Ich weiß", schluckte sie hart.
„Und als wäre das nicht schlimm genug, dass du ihn angegriffen hast, hast du mich als verrückte Lügnerin dargestellt und überall Zweifel gesät, wo es nur ging."
„Ich weiß", wiederholte sich Parkinson.

„Und statt ihm zu helfen, wolltest du sogar die Behandlung verhindern."
Sie schüttelte hastig den Kopf.
„Nein. Nein, das stimmt so nicht. Ich hatte nur Angst... Hat er dir gesagt, was für Risiken diese Behandlung birgt?"
Hatte er nicht, aber das spielte in diesem Augenblick für Astoria auch keine Rolle.
„Du hättest ihm einfach die Wahrheit sagen können. Uns allen."
Was sie nicht getan hatte.
„Ich weiß", wiederholte die Ältere erneut nur etwas lauter und ihre Augen glänzten verräterisch dabei. „Und ich weiß, dass ich das nie wieder gutmachen kann. Aber es tut mir wirklich leid, Astoria. Es tut mir so... so leid. Ich war so wütend auf dich."
„Auf mich?", wiederholte Astoria spitz. „Ich habe dir in deinem ganzen Leben noch nie etwas getan, Parkinson."
„Das weiß ich mittlerweile auch", erwiderte Pansy schwer. „Aber damals, hatte ich das Gefühl gehabt, dass du mir Draco wegnimmst und dass du ihn nicht verdienst."

Astoria atmete genervt auf und verschränkte demonstrativ die Hände.
„Mittlerweile weiß ich auch, dass das unsinnig war."
„Und das ist dir eben eingefallen und deshalb bist du direkt nach Frankreich geflohnetzt?", sprach Astoria sarkastisch und Parkinson schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich habe mit Blaise geredet." Astoria biss sich auf die Zunge. Draco hatte auch mit Blaise gesprochen, vor ungefähr einer Woche. „Er hat mich die letzten Wochen besucht, weißt du", sprach Parkinson weiter. Davon hatte Blaise aber nichts Draco erzählt. „Und mir sind zwei Dinge klar geworden."
Astorias Brauen wanderten nach oben.
„Und die wären?"
Pansy blickte sie direkt an.
„Erstens, dass Draco mich zwar schon immer gemocht hat, aber nie mehr als eine gute Freundin oder Schwester."
Was er ständig betont hatte.
„Und zweitens?"
„Dass man gegen wahre Liebe nicht ankommt und er liebt dich."
Sie lächelte gequält.
„Im Grunde hat er das sogar getan, als er seine Erinnerungen nicht hatte."
„Die du zerstört hast."
Sie nickte schwer.
„Ja. Aber er hatte immer das Gefühl, dass da irgendetwas zwischen euch ist. Irgendetwas... da ist, was er dir zuordnen kann und ich glaube mittlerweile, dass das die Gefühle zu dir waren."

Astoria rollte genervt mit den Augen.
„Was willst du hier eigentlich, Pansy?"
Denn das, was sie sagte, war nichts Neues. Sie stand von dem Sofa auf.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen." Astoria wollte widersprechen, doch Parkinson war schneller. „Du musst dazu jetzt nichts sagen. Du musst mir nicht einmal verzeihen. Ich wollte das dir einfach sagen. Dir sagen, dass es mir wirklich leidtut und ich einen Riesenfehler gemacht habe."
Astorias Kiefer spannte sich an. Sie sagte nichts. Parkinson griff in ihre Handtasche und reichte ihr einen Brief.
„Was ist das?"
„Für Draco."
„Er ist nicht da."
Die Ältere lächelte gequält.
„Ich weiß. Ich glaube nicht, dass er mich momentan sehen will. Aber ich wollte mich nochmal auch bei ihm entschuldigen und vielleicht... vielleicht können wir irgendwann die ganze Sache hinter uns lassen." Diese Option sah Astoria momentan nicht. Sie nahm zögernd den Brief entgegen und Pansy lächelte dankend. „Ich danke dir, Astoria und es tut mir wirklich leid."
Sie nickte stumm und Pansy ging an ihr vorbei. Astoria starrte für Minuten weiterhin auf den Brief, während sie die Haustür ins Schloss fallen hörte. Am liebsten würde sie ihn verbrennen. Was sie nicht tat. Sie stellte den Brief ins Regal, angelehnt an eines der Fotos. Sollte Draco Pansys Brief ruhig lesen. Von ihr aus, konnte Draco ihr auch gerne verzeihen, sie würde das auf gar keinen Fall vergessen oder vergeben und selbst, wenn sie das zu einem schlechten Menschen machte. Sie hatte zu viel erlebt und verloren, als einfach darüber hinwegzusehen.

VergissmeinnichtWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu