Wir kehren Heim

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Alica Lipps Erzählperspektive:

Heute schrieben wir bereitsden fünften Tag, den alle Betroffenen hier in England verbrachten. Sicherlich war mit dem Erwachen der Kollegin Sherbaz einiges leichter geworden, doch gleichwertig waren dort ebendem Dinge, die darüber nicht simpler, sondern vielmehr komplizierter geworden sind. Das beste Beispiel für das letztere waren wohl all diese Gespräche und Abstimmungen, die einem vom echten, helfenden Patientenkontakt weglotsten und vielmehr den Anschein erweckten, als hätte man sich einer bürokratischen Alltagsaufgabe verschrieben. Genau diesem bürokratischen Aufwand saß ich ebendem momentan gegenüber, obwohl ich eigentlich schon längst bei Frau Doktor Sherbaz und Herrn Doktor Ahlbeck gewesen sein wollte, um sie über die weitere Planungen zu informieren. Doch daraus wurde mitunter ebendem nichts, da all das, was so minutiös aufgestellt wurde, derzeitig in sich zusammengestürzt war. Der Transport und auch die Verlegung vom Erfurter Flughafen zurück ins JTK schienen derartig einfach nicht umsetzbar, so wie man es mir im Vorwege versprochen hatte. Beziehungsweise es stand anscheinend für den Rücktransport kein Flugzeug zur Verfügung. Wobei ich dieser Ausrede vielmehr keinen Glauben schenken konnte.

‚Verdammter Mist', murmelte ich vielmehr zu mir selbst, als dass ich damit irgendjemanden aus dem nahenden Umkreis ansprechen wollte. Doch einige Augenblicke später, wurde ich von einer mir mehr als bekannten Stimme, auf meine Herausstellung angesprochen. „Da lag ich augenscheinlich richtig mit meiner Annahme, dass meine Großartigkeit hier verbessert investiert ist, als es bei uns am JTK derzeitig der Fall ist.", kam es mit diesem rauen, wenn auch gleichzeitig ehrlichen und saften Ton von meinem Gegenüber. Matteo Moreau. Ob dieser wohlmöglich meine Rettung darstellen würde? Wobei dieser schnelle Gedanke, dass er sicherlich nicht in Absprache mit irgendwelchen Kollegen aus der Erfurter Klinik hier auftauchend war, mich nicht loslassen wollte. Denn ich erinnere mich noch mehr als deutlich an das Gespräch mir Professor Patzelt von vor zwei Tagen, in dem wir über die aktuelle und sicherlich auch fortwährende Personalknappheit sprachen, in dem stetig mitschwang, dass sowohl Herr Ahlbeck als auch ich, trotz jeglichem Verständnis für die gesamten Umstände, zurück im Dienst benötigt wurden. Denn sicherlich konnten die verbliebenen Kollegen einiges an Arbeitslast abfedern, doch auch deren Reserven waren irgendwann ausgeschöpft. Wenn sich herumsprechen sollte, dass nunmehr auch noch Matteo abgängig war, unwissend, wann der Kollege, der mit einer Arbeitsfähigkeit von zwei Vollzeitkräften ausgestattet war, zurückkehren würde, dann würde es am Klinikum sicherlich bald Mord und Totschlag geben. Wobei ich diese Umstände dann auch mehr als nur ein wenig nachvollziehen könnte.

„Was machst du denn hier?", konnte ich schließlich meine verwirrten Gedanken nicht mehr innehalten und stellte sie daher an mein Gegenüber. Matteo, der eigentlich nicht unbedingt als derjenige beschrieben werden kann, der großartiges Verständnis für zwischenmenschliches oder übergeordnetes anmeldete, überraschte dahingegen dieses Mal durch seine scheinbar doch umfassendere Planung und Absprachen über seiner Bestrebungen. „Freut mich ebenfalls dich auch mal wieder vis-a-vis zu sehen, Matteo. Nein wirklich? Du ich habe dich auch vermisst, Alica!", kam es mit tiefster Ironie über den Kollegen. Doch auch wenn ich vielmehr in gleichwertiger Manier erwidern wollte, so konnte ich dies nicht über mich bringen, denn auch wenn es sicherlich eher pathetisch und selbstironisch von Matteo gemeint war, so war ich hingegen durchaus froh ihn hier in London zu wissen.

„Entschuldige mein Verhalten. Heute will einfach nichts derartig funktionieren, wie es eigentlich geplant war. Erst schieben die hier tätigen Ärzte meine Testungen bei Leyla aus der Belegungsplanung des MRTs. Dann erreiche ich seit Stunden niemanden beim deutschen, medizinischen Lufttransport oder beim bodengebundenen Dienst und hinzukommend fragen meine Söhne bereits seit drei Tagen, wann Mama mal wieder nach Hause kommt, sodass es endlich etwas Essbares zum Mittag gibt. Also wie sich erkennen lässt, es hat alles nicht wirklich viel mit dir gemein. Du bist allein der bereitstehende Blitzableiter. Es sind vielmehr die Umstände, die mich dünnhäutig wirken lassen. Aber zum Kern zurückkommend... Wie kommen wir zu der Ehre, dass du hier in London bist?" 

Der trügerische ScheinWhere stories live. Discover now