Vergangen, aber nicht vergessen

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Bens Perspektive:

Julia,die mit Raya zusammen Herrn Brumms aktuelle Schramme versorgte, gab mir, durchihre Ablenkungsversuche gegenüber meiner Bohne, ein gewisses Maß desAtemfreiheit zurück. Auch wenn es ebendem nur für wenige Augenblicke war. Sowaren diese, Momentaufnahmen in denen Raya vorerst Ausgeglichenheit und Freudeausstrahlte, diejenigen nach denen mein Herz sehnte. Das und meine gesamteFamilie gesund an meiner Seite zu wissen! 

Dochdie panische Angst um Leyla, die war immanent und ebendem nicht abzulegen. Auchwenn diese vielleicht für den Augenblick eher im unterschwelligen Wahrnehmensrahmenwar, der drückende imaginäre Stein der Sorgen auf meiner Brust war nicht anzuhebenund presste mit jedem Atemzug tiefer.

Trotzdes Umstandes, dass ich mich für den Moment ein in mein Inneres zurückgezogenhatte, um wohlmöglich besser greifen zu können, wie es ein weiteres Malderartig steil bergab mit meinem Leben gehen konnte, hatte ich weiterhin einen latentenFokus auf meine Umgebung gerichtet. Demnachwar ich auch darüber im Bilde was Doktor Lindner und Doktor Lipp anInformationen auszutauschen versuchten. EinPunkt der bei mir hängen blieb, war ebendem die Frage des Onkologen, nach demGesamtbild, was hier unterschwellig immer mal wieder in Teilen wiedergegeben wurde. Dies,was als Außenstehender eben überhaupt keinen Sinn ergab und damit daserweiterte Verständnis nicht zustande kommen ließ. Wobei derweil auch mein eigenerÜberblick mehr als zu wünschen übrig ließ!

Resigniertsah ich ein, dass eine andauernde Geheimniskrämerei nicht gut sein würde. Vorallem in Hinblick auf den Umstand, dass ich so oder so in den kommenden Stundennach London musste, mit oder ohne Doktor Lipp an meiner Seite. Ohne Hilfe wärees einfach nicht machbar. Elias brauchte ich nicht ins Vertrauen ziehen, dafürwaren wir derzeitig einfach zu weit voneinander entfernt. Daher war es nunzuerst diese Gruppe hier, der gegenüber ich mich öffnen würde. Wobei ja doch bei einigenbereits tiefere Aspekte bekannt waren. „... Icherkläre es ihnen und Julia, was bringt es jetzt noch den Schein nach außen zuwaren?!", warf ich daher in den Raum, woraufhin sich die Aufmerksamkeitultimativ auf mich lenkte.

Bereitsüberlegend, wie ich das Vergangene bestmöglich beschreiben würde, wurde ich durchDoktor Lipp zum Einhalten geboten. Mit ruhigen und präzisen Bewegungen zeigtesie mir auf, dass es wichtiger wäre, dass wir zuallererst Zoe über dieneuerlichen Entwicklungen informierten und baten, dass sie am Royal Hospital umden notwendigen Arztwechsel und die Anfragestellung bat. Klar! Zoewusste von den CT-Bildern und Entwicklungen hier in Deutschland ja gar nichts.Denn selbst, wenn es wie Doktor Lindner beschrieben hatte, vorerst nur dieOption des Wartens auf unserer Seite gab, so musste ich doch zumindest auf deranderen die kleine-große Sherbaz die derzeitig zusammenbrauenden Informationenüberbringen und ihr klar machen, dass es nunmehr noch wichtiger als zuvor war,dass sie schnellstens zu ihrer Mutter ins Krankenhaus kam. MeinHandy aus dem Rucksack fischend wählte sich die Nummer von Leylas Älteren. Dochauf dem Anschluss meiner Großen erreichte ich allein den Anrufbeantworter. ‚MenschZoe, du hattest doch gesagt, dass du dein Handy jetzt erst einmal die gesamteZeit über in der Nähe haben würdest.', fluchte ich vor mich her. Demnach bliebmir gleichwohl nur die Möglichkeit ihr die wichtigsten Informationen per Nachrichtzukommen zu lassen.

Nachdem Piep, welches signalisierte, dass ich nun tatsächlich auf der Mailboxangelangt war, erklärte ich in einigen kurzen Sätzen: „Hey, Zoe. Es wärewichtig, dass du dich bald bei mir zurück meldest. So schnell es überhaupt geht!Wobei es noch essenzieller ist, dass du ins Royal Hospital fährst und dort mitdem behandelnden Arzt von Leyla ins Gespräch kommst. Er wird dir einiges erklären,was für dich ungreifbar, aber vor allem gefährlich scheint. Ich werde dir dasalles ganz bald genauer beschreiben, bis dahin solltest du jedoch denStandpunkt herausstellen, dass alle weiteren Interventionen von den Medizinern zuunterlassen sind. Es sei denn, es geht akut um das Leben von Leyla. Ich habedie CT-Scans, die gemacht worden sind, bereits eingesehen und mit einerKollegin hier aus Erfurt Rücksprache gehalten. Zoe, daist einiges, was wir dir in den letzten Monaten nicht gesagt haben. Icherörtere dir alles, was du wissen willst. Aber für den Moment zählt nur, dassder behandelnde Arzt ja nichts weiter unternimmt, als Leyla in einem stabilenZustand zu erhalten. Zudem ist es essenziell, dass eine Anfrage hierher nachErfurt geschickt wird, mit der Bitte das Doktor Alica Lipp, die behandelndeNeurochirurgin von Leyla den Fall übernehmen möge. Ich wiederhole: Doktor AlicaLipp, Neurochirurgin am JTK! Bitte Zoe es ist absolut dringend." 

Der trügerische ScheinWhere stories live. Discover now