Als es dann Zeit zum Gehen war, brach ich auf, mit meiner kleinen Umhängetasche mit meinem Portmonee und den wichtigsten Sachen die ich noch brauchen könnte am Abend und schlich raus zum Vorhof, wo die Kutschen darauf warteten die Bewohner des Schlosses herum zu fahren. Ich schnappte mir einen der Kutscher und wollte gerade einsteigen, als ich meinen Namen hörte. „Pippa? Was machst du hier?" Irritiert drehte ich mich ertappt um und sah den fragenden Wally vor mir stehen. Mist, er war ja auch hier in Winanda auf meinen Wunsch hin, aber ich hatte ihn noch gar nicht gesehen. „Oh, Wally. Hey." Meinte ich nur und hoffte er würde jetzt nichts sagen. Er war auch leger gekleidet, wollte wahrscheinlich wie Anna ebenfalls in die Stadt und wunderte sich nun eindeutig was ich hier machte. „Haust du gerade ab? Ohne Wachschutz?" „Was? Ich? Nein. Niemals!" Versuchte ich ihm glaubhaft beizubringen, aber er beäugte mich nur kritisch und schüttelte dann den Kopf. „Ich sollte das-" „Bitte, sag es keinem!" Unterbrach ich ihn und er sah wieder zu mir. „Wir haben den Befehl, niemanden der Königsfamilie und dich alleine rauszulassen. Wir haben schon einen riesen Anschiss von Lord Derrington heute morgen bekommen, dass du einfach so alleine aus dem Palast marschiert bist! Ich muss das melden. Du sollst nicht alleine raus." Ich war verzweifelt. Er sollte mich nicht melden, denn ich wusste das ich dann nur mit Entourage hier rauskommen würde, wenn überhaupt. Leider kommen verzweifelte Menschen auch auf verzweifelte Ideen und so flehte ich ihn an, niemanden hiervon was zu verraten und er fragte mich ernsthaft, warum er das tun sollte. Ja, warum? Er schuldete mir nichts und ich wusste wie loyal er meiner Familie gegenüber war. „Bitte. Ich will nur mal diesem goldenen Käfig entwischen. Spaß mit Freunden haben. Nicht mehr. Bevor jemand was merkt bin ich auch schon wieder hier. Nur bitte verrate mich nicht!" Bettelte ich ihn an und er seufzte. „Das ist falsch und das weißt du auch. Die feierwütigen Massen in der Straße sind wild. Keine Frau und schon niemand aus der engeren Königsfamilie sollte alleine dort rum laufen." Gab er zu bedenken und ich merkte schon wie er sich immer mehr darauf vorbereitet mich zu verpetzen. Aber ich kam mit einer letzten verzweifelten Idee auf: „Dann komm mit mir mit! Dann bin ich beschützt, nicht alleine und wir gehen trotzdem aus. Die perfekte Lösung." Bot ich an und er musterte mich ungläubig. „Bitte, bitte?" „Ich weiß nicht." „Komm schon, gib dir einen Ruck, mit mir und meinen Freundinnen wird es sicher lustig. Und wenn du nicht mitkommst, fahr ich alleine. Bis man merkt das ich nicht da bin, wird es eh zu spät sein." Meinte ich übermütig und stieg in der Hoffnung er würde einfach mitkommen in die Kutsche ein. „Kutscher. Es kann los gehen!" Meinte ich und der Mann nickte mir zu, gerade als Wally fluchte und sich mir gegenüber mit auf die Bank quetschte. „So hab ich mir das nicht vorgestellt." Knirschte er und ich lächelte ihn nur zu. „Und trotzdem sitzt du nun hier."

Wir kamen an der Adresse an, die mir Adriane heute nachmittag geschickt hatte und stiegen aus um auf meine beiden Freunde zu warten. „Wen treffen wir denn jetzt?" Fragte Wally nervös und ich unterbrach meine Suche. Die Straßen waren geflutet von johlenden Arcanis. Sie waren in den Farben ihres jeweiligen Landes gekleidet und schminkten sich die Wappen auf die Gesichter oder liefen mit Requisiten und Souvenirs ihrer Lieblinge durch die Straßen. Straßencafes lockten mit angenehmer Musik direkt neben Schlangen die in die Clubs wollen. In diesem Stadtbereich war alles etwas hipper und jünger als wie die anderen Bezirke, die ich letztes Mal besichtigt habe rund um das Schloss. Ich mochte es hier wie man einfach in der Menschenmasse untergehen konnte, aber ich musste gestehen, ich war froh, dass Wally mit dabei war, denn die anwesenden Feiernden rückten mir doch näher auf die Pelle als mir lieb war und gepaart mit den Paparazzi die den besten Schuss und betrunkene Interviews mit den Siegern führen wollten, war mir mit ihm doch wohler. „Meine beiden besten Freundinnen. Ellie und Adriane. Sie sollten gleich da sein." Meinte ich und stellte mich nochmals auf die Zehenspitzen um über die Köpfe der anderen blicken zu können, während Wally sich vor mir breit machte um mich möglicherweise zu beschützen. Tatsächlich entdeckte ich kurze Zeit später den roten Haarschopf von Ari, der wehend um sie flog und gleich daneben den braunen Bob von Ellie. Kurz drauf waren beide bei mir und ich umarmte sie herzlich. Obwohl die Stimmung zwischen mir und Ellie noch immer nicht das war was es mal war, umarmte sie mich fest und lächelte mich an. „Schön das du es einrichten konntest." „Danke das ihr mich eingeladen habt. Das hier ist mein Freund Wally, er wollte auch in der Stadt ein wenig feiern und so hab ich ihn mitgenommen. Ich hoffe das stört euch nicht." Stellte ich kurz meinen Begleiter vor und Wally schüttelte förmlich die Hände meiner Freunde. „Oh, alles gut Süße. Solange du so schnuckelige Freunde mitbringst, ist alles gut." Adriane zwinkerte Wally zu und er errötete, sagte aber nichts weiter dazu von wegen er wäre Leibgardist und eher für meine Sicherheit hier als für den Spaß. „Super, dann lasst uns los!" Ellie klatschte in die Hände und sofort strömten meine Freunde mit der Menge mit um uns an unseren Zielort zu leiten. Wally lief eng neben mir her und ich merkte wie er all die Arcani um uns genauestens beobachtete um mögliche Gefahren frühzeitig zu entdecken. „Versuch wenigstens ein wenig Spaß zu haben. Du bist hier weil du es als deine Pflicht siehst, aber wir können trotzdem als Freunde auch Spaß haben, selbst wenn du mich beschützt." Raunte ich ihm zu und er beäugte mich schnell skeptisch von der Seite. „Wir werden sehen."

Wir kamen gegen Abend erst rein in die Bar. Sie war rappelt voll aber irgendwie schaffte es Ellie uns einen Tisch zu ergattern mit einem bloßen Lächeln zu ein paar breitschultrigen Kerlen. Meine beiden Freundinnen kannten das Prozedere hier schon, aber ich war schon lange nicht mehr unter so vielen Menschen und ich genoß es, sowie ich es gleichzeitig auch hasste. Es wurden lautstark Lieder für die Sieger angestimmt, der Held der Stunde wurde auf die Schultern seiner Kollegen gestemmt und in ihren Pokal füllte man literweise Alkohol und reichte ihn rum. Es war sehr eng, und das versetzte mich etwas in Panik, die Anwesenheit meiner Freunde und der Alkohol lockerten mich aber so weit, dass ich es genießen konnte und die Erinnerungen verdrängte. Wally erklärte sich dazu bereit die ersten Cocktails für uns zu bestellen, danach fand Ari uns ein paar heiße Typen die uns die Getränke spendierten.

„Wow, du musst der Mannschafts-Captain sein!" Hörte ich gerade Ellie über die Musik rufen und beobachtete sie, wie sie sich an den stattlich gebauten jungen Mann ran machte. Selbst Wally entspannte sich ein wenig mehr und plauderte lässig mit einem hübschen Mädchen, trotzdem schielte er ständig zu mir rüber und ließ mich kaum aus den Augen. „Ich komm gleich wieder." Meinte ich zu Ari und zwängte mich dann bis zur Bar vor um mir ein neues Getränk zu bestellen. „Einen Icy Flame bitte." Dieser Cocktail schien mir irgendwie passend und der Barkeeper machte sich sofort ans Werk. „Einen Whiskey on Ice und ihr Drink geht auf mich." Jemand stellte sich neben mich und bei diesem Angebot blickte ich überrascht zu der tiefen Stimme auf. Ein gutaussehender junger Mann, mit braunen Haaren und Augen tauchte neben mir auf.„Oh, das ist nicht nötig." „Ich will es aber." Er lächelte mich an und dann ließ ich es geschehen. „Eigentlich lasse ich mich von keinen Fremden einladen." Meinte ich noch und nippte an meinem Getränk das gerade vor mir auftauchte. „Dann sollten wir das ändern. Hey, ich bin Marcel." Er bot mir die Hand an und nach kurzen Zögern erwiderte ich den Händedruck. „Pippa." „Freut mich dich kennen zu lernen. Und was verschlägt dich in diese schummrige Bar auf die Party meiner Mannschaft?" Fragte er weiter und ich drehte mich auf dem Stuhl zu ihm. „Freunde haben mich hierher mitgenommen. Aber Glückwunsch zum Sieg." Meinte ich und lächelte ihn an. „Danke. Bist du vielleicht ein Fan?" Ich legte lachend meinen Kopf in den Nacken und schüttelte den Kopf. „Nein, leider habe ich noch nicht mal den Wettkampf gesehen. Ich bin eher in Schwertkampf, Nahkampf und so was involviert." Betroffen legte er seine Hand auf sein Herz und spielte theatralisch einen Tod vor. „Das hat mich verletzt. Kein Fan von mir." Kopfschüttelnd nahm er einen großen Schluck und lehnte sich lässig an die Theke. „Kann man dich denn kennen?" „Möglich." „Und woher?" „Kommt drauf an, ob du andere Wettkämpfe als deine verfolgst." „Ja klar. Ich bin gespannt auf den Feuerkampf und die Illusionen." „Tja, dann wahrscheinlich nicht. Da hab ich meine Hände nicht im Spiel." Gestand ich und er lachte. „Wo denn dann? Nein warte, lass mich raten: Heilmagie? Telekinese?" „Nein. Ganz weit verfehlt. Seh ich denn so aus wie ein Heiler?" „Naja, klein, zierlich - ja irgendwie stell ich mir so eine Heilerin vor. Aber okay, dann geb ich es auf. Sag schon." „Ich bin die Repräsentantin für Wasser und eine Bogenschützin." „Nein, bist du diese Pippa? Jetzt fühle ich mich aber geehrt. Du bist die Philippa, die als Schützling der Königsfamilie aufgenommen wurde." „Schuldig." „Ich bin auch ein Schützling. Aber nicht von so einer bedeutenden Familie." „Echt? Cool. Was ist dein Talent?" Mein erster Schützling den ich je treffe und dann hier in einer Bar. „Ich bin ein Illusionist. Mein einziges Talent auf Stufe 5 und das hat mir die Gunst meiner Patroni eingebracht. Ist in Zelor weit verbreitet." „Oh, jetzt verstehe ich deine Faszination für Illusionen. Warum bist du dann nicht beim Wettkampf dabei? Ich habe die Vorentscheide gesehen, aber du warst nicht drunter." „Sicher? Wäre ich dir denn im Gedächtnis geblieben?" „Natürlich."

Marcel erzählte mir viel von seinem Alltag, von den Anfängen als Dreizack Kämpfer und fragte mich aus, wie es so wäre bei einer Königsfamilie aufgenommen zu werden. Ich erzählte was nicht brenzlig wäre und viel von meinen Training und so plauderten wir so lange bis Aufruhr in die Masse um uns kam. „Was ist hier los?" Fragte Marcel rein und auch ich blickte mich suchend nach dem Ursprung um. „Philippa." Warnte mich Wally und ich sah ein wenig der Angst in seinen Augen. Keine zwei Sekunden später stand er neben mir und umfasste schon mein Handgelenk und wollte mich wegziehen. „Was ist denn?" Fragte ich ihn, löste mich aus seinem griff, gerade als er ansetzen wollte was zu sagen. Ein Blick in sein Gesicht beichtete mir jedoch alles was ich wissen musste. „Pippa. Wir gehen."

Die Chroniken der Arcani - Das ÜberlebenWhere stories live. Discover now