16 - [Ankunft]

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Gracehill, die letzte ländliche Station, bevor die Bahn in die Großstädte einfuhr. Auch Liverpool stand auf dem Fahrplan, doch das war schließlich nicht unser Ziel gewesen.

Nur Quinn und ich stiegen hier aus. Mir kam der Bahnhof ungewöhnlich vor. Es war ganz anders, wie der in Ashville. Sauber...das wars auch eigentlich. Er war ziemlich neumodisch, trotzdem hatte er einen alten Baustil gehabt.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Quinn, welche mit großen Augen sich umguckte.

Ich weiss nicht, was es war, doch zum ersten mal ergriff ich die Initiative. Ohne irgendwelche Bedenken, nahm ich ihre Hand.

Erst sah sie mich verwirrt und überrascht an, doch schnell bildete sich ein Lächeln auf ihren Lippen. Ihre Lippen, welche sie fröhlich auf meine drückte.
,,Ich wollte das schon den ganzen Tag machen" Verkündete sie mir. Woher hatte ich das nur geahnt?

Kurz blieb ich im Schock stehen, doch sie riss mich aus diesem, als sie mich auf den Gehweg zog.

Diese Stadt wirkte so surreal auf mich. Alles war sauber, Blumen blühten überall wo man hinsah und weit und breit war kein Auto zu sehen, da der Großteil mit dem Fahrrad fuhr.

Dieser Ort war das absolute Gegenteil von Ashville gewesen. Mit Ausnahme der hübsch gebauten Gebäude und des Rosengartens, war meine Heimat ein Schandfleck gewesen. Unfreundliche Mitmenschen, welche nicht einmal in der der Lage waren, den verdammten Gehweg sauber zu halten.

Man hätte denken können, dass wir im 18. Jahrhundert feststeckten. Ashville war nicht einmal ansatzweise, so modernisiert gewesen. Und das war gerade mal mein erster Eindruck von Gracehill gewesen.

Ich hatte es zwar zuvor schon einmal gesagt, doch die Stadt machte den Namen wirklich alle Ehre.

Niemand starrte uns an. In Ashville hätte niemand seine Augen von uns nehmen können, wenn wir händchenhaltend durch die Straßen gelaufen wären.

Zielstrebig lief Quinn umher.
,,Wo möchtest du hin?" Fragte ich sie.
,,Nach Hause" Sprach sie mit einem leicht sentimentalen Ton.

Nach Hause, halte in meinen Ohren unaufhörlich. Das sie sich nach all der Zeit erinnern konnte, überraschte mich sehr, schließlich wusste sie nicht mehr viel über Gracehill.

Die Atmosphäre war angenehm gewesen. Als hätte ich frei atmen können, ohne bestraft zu werden.

Ich verstand, was Quinn hierher zog. Ich glaube nicht, dass sie jemals so glücklich in Ashville war. Oder irgendwo anders.

Quinn tänzelte fast umher. Wie ein kleines Kind, hopste sie beim Laufen herum. Sie dachte allerdings nicht daran, meine Hand loszulassen, geschweige denn auch nur den Griff zu lockern.

Nicht einmal halb so anmutig wie sie, tänzelte ich ihr grauenhaft hinterher.

,,Ich möchte gerne etwas über deine Kindheit wissen" Platzte es unüberlegt aus mir heraus. Ich spielte mit dem Gedanke, was für eine Art von Kind sie gewesen war. Aber ich befürchte auch, dass sie den Großteil verdrängte. Sie konnte sich an nichts erinnern, doch wusste genau wo sie hin musste.

Mit leicht schiefgelegten Kopf, sah sie mir in die Augen. Sie zuckte nur nervös mit den Schultern.
,,Dann erzähl mir etwas, an das du dich noch erinnern kannst" Bat ich. Es war nicht einfühlsam gewesen, sondern eher drängend.

Langsam schliff sie neben mir her. Quinn war komplett in ihren Gedanken festgefahren.
,,Ich weiss nichts mehr, Aspen" Sie trug einen gequälten Unterton in der Stimme. Das war nicht in Ordnung gewesen. Ich kannte mein Limit nicht.

Ich meinte noch aufrichtig, dass es mir leid täte. Mein Blick war zum Boden gerichtet. Ich wollte nicht in Quinns Augen sehen. Wenn ihre Stimme schon so gequält klang, was für einen Ausdruck trug sie dann erst?

Fest drückte sie meine Hand und Zwang mich dazu herauf zu sehen.
,,Hör auf so traurig zu gucken" Fordete sie mich mit einem Lachen auf.

Ihr Gemütszustand war wirklich wunderlich gewesen.
,,Verstand"

Wir schländerten auf den Marktplatz zu. Alles mögliche wurde angeboten, doch die meisten verkauften Essen.

Auf dem Marktplatz war definitiv mehr losgewesen, als auf den Straßen. Unbehagen trat plötzlich wieder in mir auf.

Der Platz war voller Menschen gewesen. All ihre Blick hätten auf uns liegen können, ob sie es aber taten, wusste ich nicht. Ich hatte in diesen Monaten nur Augen für Quinn gehabt.

Mit einem leuchten in ihren Augen, schaute sie sich um. Sie schien kein wirkliches Interesse an den Verkäufen zu haben, sie genoss einfach nur die friedliche Atmosphäre.

Ich lehnte mich zu ihrem Ohr vor.
,,Denk daran, wir haben nicht ewig Zeit" Flüsterte ich. Ich versuchte den fröhlich Unterton in meiner Stimme zu behalten, ich wollte sie schließlich nicht unter Druck setzen.

Sie sah mich mit einem Lächeln an, nickte und führte uns langsam aus der Menschenmenge heraus.

,,Du kennst dich aber gut mit Labyrinthen aus" Meinte ich lachenden. Es sollte eine Anspielung sein, als sie mich damals aus dem Rosengarten führte.

Die Stände standen willkürlich, wie die Hecken herum. Doch Quinn hatte keine Probleme damit, den Weg heraus zu finden.

Sie lachte über diesen eigentlich unlustigen Witz, was mich dazu brachte, ebenfalls etwas in gelächter auszubrechen.

Die Straßen wurden immer leerer. Wir verschwanden aus dem Zentrum, immer weiter an den Rand der Stadt. Gracehill war eben auch nur eine Kleinstadt gewesen.

Der starke Geruch der Blumen nahm ab, die Straßen waren ebenfalls auch etwas voller gewesen.
,,Wir sind fast da!" Sprach sie heiter.

Sie drückte meine Hand immer fester. Aufgeregt lächelte sie. Es machte mich so glücklich, Quinn so zu sehen.

Sie bog die Straße in eine kleine Wohngegend ab.
,,Kommt dir irgendetwas von hier bekannt vor?" Fragte ich zögernd. Die Aufregung verließ ihren Körper nicht. Nervös schaute sie sich um.
,,Ja..."

It's Okay - I'm There For You Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt