Kapitel 8 - David

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Ich war erstaunt, als ich den Umkleideraum für Männer betrat, dass die anderen immer noch duschten. Vermutlich waren erst ein paar Minuten verstrichen, aber mir kam es länger vor. Als lägen Stunden dazwischen.

Ich stellte mich zu den anderen unter die Dusche, die selbst für einen Horrorfilm zu schäbig gewesen wäre. Am liebsten wäre ich wieder gegangen. Das Thema passte mir nicht.

„...die Kleine will mich, ich sag's euch", gab Robert an.

„Genau! Deswegen hatte sie nur Augen für Dave", feixte Erik.

„He Dave, kannst du uns nicht wenigstens eine Hübsche überlassen, du kommst eh nicht hinterher bei dem Weiberandrang", rief Ravi.

„Hübsch?", fragte Erik abschätzig und enthob mich einer Antwort. „Die hat ein nettes Paar Titten, aber hübsch ist anders."

„Bist du schwul, oder was? Die ist heiß", korrigierte Ravi kopfschüttelnd.

„Ja, und zwar heiß auf mein Paket. Die ist so richtig versaut. Das kann man sehen", meinte Robert.

„Wäre es möglich, ihr Ärsche, wenn ihr nicht so über sie reden würdet", warf Pascal säuerlich ein.

„Ist sie deine Schwester?", fragte Ravi, „meinst du, sie würde mit mir ..."

„Frag sie das selber", schnitt ihm Pascal das Wort ab.

Ich flüchtete praktisch aus der Dusche, vermutlich den Weltrekord im Schnellduschen brechend, und zog mich in Windeseile an. Pascal kam als nächster.

„Geht ihr jetzt noch weg?", fragte ich, als ob ich es nicht wüsste. Meine Stimme klang rau und hart. Ich räusperte mich.

„Ja, ins Starlight etwas trinken und den Tag ausklingen lassen. Magst du mitkommen?"

„Wer kommt denn alles?"

„Bis jetzt sind es Lili, Ravi und ich."

„Ich weiß nicht. Eigentlich muss ich noch etwas erledigen. Ich komme vielleicht später nach." Natürlich musste ich nichts erledigen, aber ich wollte Lili sehen. Und das war eine schlechte Idee. Wenn es um diese Frau ging, war ein großer Abstand zu ihr die beste Lösung, da ich anscheinend nicht in ihrer Nähe sein konnte, ohne über sie herzufallen.

„Kein Problem. Wir sind sicher bis elf Uhr dort. Falls nicht, du hast ja meine Nummer, dann kann ich dir durchgeben, wo wir sind", sagte Pascal.

„Okay. Bis später vielleicht", erwiderte ich gehetzt.

Ich ging, bevor die anderen aus der Dusche kamen. Das Wasser aus meinen Haaren lief mir in den Kragen. Vermutlich hatten sie ein neues Thema gefunden, aber ich wollte es nicht riskieren.

Als ich zu Hause angekommen war, warf ich mich aufs Sofa, schaltete die Glotze ein, und wählte den Streamingdienst der Uni. Ich sah mir alte Vorlesungen an, aber es half nicht. Meine Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen.

Kurz vor zehn Uhr betrat ich das Starlight. Die helle Einrichtung, die vielen bunt durcheinandergewürfelten Sofas und anderen Sitzgelegenheiten machten mir diese Bar sofort sympathisch. Die Musik dürfte weniger futuristisch sein, um meinen Geschmack zu treffen.

Ich sah Pascal als Erstes. Er war eine auffällige Erscheinung, die schwer zu übersehen war. Neben ihm saßen auf dem Sofa Ravi, zwei Frauen, die ich nie zuvor gesehen hatte, ihnen gegenüber Erik, Robert und Lili.

„Hallo", grüßte ich die Gruppe und vermied es, Lili anzusehen.

Pascal sagte: „Hey cool, dass es geklappt hat."

„Hi, ich bin David", stellte ich mich den zwei Unbekannten vor, und sah aus dem Augenwinkel, wie Lilis schmale Gestalt im blauen Kleid in der Menge verschwand.

„Ich hole mir kurz einen Drink und komme dann wieder", sagte ich zu niemand bestimmten.

Es hatte einen Vorteil, groß zu sein: wenn ich durch einen vollen Raum ging, wichen mir die Leute aus und so hatte ich Lili, die zur Bar gegangen war, schnell eingeholt.

Ich stellte mich neben sie und sagte: „Ich befürchtete schon, du wolltest abhauen."

„Lass mich in Ruhe!" Sie hatte sich nicht zu mir umgedreht.

„Lili, ich bin nicht gekommen, um zu streiten."

„Warum bist du gekommen? Um mich noch ein bisschen mehr zu benutzen? Ich bin nicht dein Spielzeug!" Sie sah angestrengt nach vorne.

„Ich möchte mich bei dir entschuldigen", erklärte ich.

Das allerdings brachte sie dazu, mich wütend anzufunkeln.

„Entschuldigen? Ja? Wer's glaubt..."

Ihre Haare waren hochgesteckt, aber ein paar störrische Strähnen hatten sich aus der Frisur gelöst. Ich musste meine Hand hinter dem Rücken zur Faust ballen, damit ich ihr nicht die Haare aus dem Gesicht strich.

„Ich tauge nicht für Beziehungen. Deswegen suche ich mir Frauen, die auch nur mit mir Schlafen wollen."

„Du erzählst mir nichts Neues." Sie sah nach unten auf den klebrigen Boden, aber sie hatte sich nicht weggedreht.

„Mein Benehmen von vorhin tut mir leid. Es ist nicht meine Art, mich aufzudrängen. Ich werde deine Haltung respektieren und in Zukunft meine Finger von dir lassen. So wie ich es von Anfang an hätte tun sollen."

Lili sah verwundert zu mir hoch und meine Hand wanderte wie von selbst zu ihrer hohen Stirn. Ich wischte ihr mit dem kleinen Finger die Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Als hätte ich mich verbrannt, riss ich die Hand weg. Bah, ganze 20 Sekunden hatte ich es geschafft, meine Finger von ihr zu lassen. So viel zu meinen Zusagen...

Lili murmelte etwas, das ich über den Lärm nicht verstand. Bevor ich sie fragen konnte, schob sich eine schlanke, großgewachsene Frau mit kurzen Haaren und dunklem Teint zwischen uns. Sie umarmte uns und fragte:

„Ich könnte ein Gin Tonic vertragen. Lili, David was nehmt ihr?"

Ich hatte keinen blassen Schimmer, wer sie war und warum sie meinen Namen kannte. Aber ich konnte ziemlich klar erkennen, was sie wollte, da ihre Hand von meinem Rücken weiter nach unten gerutscht war und mir in den Hintern kniff.

„Schon okay, ich muss morgen sowieso früh raus. Habt einen schönen Abend", erwiderte ich.

Ich durchquerte die Bar. Erst an der Tür gestatte ich mir einen kleinen Blick zurück und sah, dass Lili mir nachgeschaut hatte, während ihre Freundin sie vollquatschte.

Ich lächelte, als sich die Tür hinter mir schloss.


Liebe ist blindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt