Kapitel 6 - David

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Mein Kopf dröhnte und ich hatte ein pelziges Gefühl im Mund. Eklig.

Die Zimmerdecke war türkis. Warum war die Zimmerdecke türkis?

Oh, ich war nicht Zuhause. Die schwarze Bettwäsche aus rutschigem Satin unter meinem nackten Hintern, hatte ich mir nicht ausgesucht.

Ich setze mich auf und die Welt wackelte. Restalkohol.

Sie lag quer im Bett. Ihre blonden Haare lagen wie eine Krone um ihren Kopf.

Barbara. Es dauerte einen Moment, bis mir ihr Name einfiel. Ich war recht stolz auf mich, dass mir das gelang, so betrunken wie ich gestern gewesen war.

Aber ich konnte mich nicht erinnern, wie ich bei ihr gelandet war. Nun, ich konnte es mir denken, aber eine wirkliche Erinnerung daran hatte ich nicht.

Die Sonne schien hell durch Spitzenvorhänge. Das Zimmer war in Weiß gehalten und von jeder Oberfläche, sahen mich Plüschtierchen mit riesigen Kulleraugen an. Es waren Hunderte, nein, eher Tausende. Unheimlich.

Ohne sie zu wecken, stand ich auf. Ich suchte meine verstreuten Kleider vom Boden zusammen, die zwischen Zierkissen und weiteren Plüschtierchen lagen, die vermutlich das Bett bevölkert hatten.

Meine Hose war unauffindbar. Na, um aufs Klo zu gehen, würde es reichen. Da gab es nur ein Problem. Ich wusste nicht, wo es war.

Leise verließ ich das Zimmer und stand in einer Wohnküche. Am Tisch saß eine Frau in einem blauen Männerhemd, mit pinken Kopfhörern um den Hals. Sie hatte eine graue Katze auf dem Schoss und las in einem dicken Buch, während sie mit einem Kochlöffel abwesend Nutella in sich schaufelte. Bevor ich etwas sagen konnte, meinte sie, ohne aufzusehen:

„Das Klo ist die zweite Tür links und wenn du deine Hose wiederhaben willst, die ist bei den Fröschen."

„Warum ist meine Hose ..."

Sie verdrehte die Augen und wedelte mit dem Kochlöffel, als vertreibe sie eine lästige Fliege.

„Danke", sagte ich unsicher.

Sie legte den Löffel weg und zog mit einem lauten Seufzer ihre Kopfhörer an. Bass dröhnte mir entgegen. Das war eine Kandidatin für einen Hörschaden.

Das Waschbecken war gesprenkelt mit blauer Zahnpasta. Ich trank literweise Wasser, was trotzdem kaum gegen das pelzige Gefühl in meinem Mund half. Dafür war mir jetzt übel. Also wusch ich mir Gesicht, Nacken und Hände, dabei knallte ich mit dem Kopf gegen den Spiegel über dem Waschbecken. Blutunterlaufene Augen starrten mich überrascht an. Meine. Ich musste aufhören zu trinken. Sofort. Das war beschämend.

Ich stand im klebrigen Badezimmer einer Wohngemeinschaft, in der ich niemanden kannte, hatte keine Ahnung, wie ich hierhergekommen war, und war noch immer sturzbetrunken.

Außerdem hatte ich das ganze Wochenende nicht gelernt. Ich ballte meine Hände zu Fäusten.

Warum musste mein Vater mir immer alles vermiesen?

Nein. Nein! Betrunken oder nicht. Mein Leben gehörte mir. Ich wusste doch, wie ich mit meinen Problemen ohne Alkohol umgehen konnte. Warum tat ich es dann nicht? Weil du schwach bist, flüsterte mir mein innerer Kritiker zu. Nein. Stopp! Kein Selbstmitleid mehr. Handeln! Die ersten Vorlesungen hatte ich verpasst, aber zu denen am Nachmittag würde ich es schaffen. Besser als nichts.

Doch zuerst musste ich meine Hose wiederbekommen.

Als ich aus dem Badezimmer in die Wohnküche trat, hatte sich die unbekannte Frau nicht vom Fleck bewegt. Sie hatte bloß die Musik ausgemacht und das Nutella Glas gegen eine Tasse eingetauscht mit einer dampfenden giftgrünen Flüssigkeit darin. Sie sah nicht von ihrem Buch auf, und mir war das recht. Es war alles peinlich genug.

Liebe ist blindWhere stories live. Discover now