Kapitel 6 - David

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Ich öffnete die Tür zu Barbaras Zimmer. Der Friedhof der Kuscheltiere beobachte mich vorwurfsvoll mit glitzernden Glasaugen. Sie schlief.

„Hey." Ich setzte mich neben sie aufs Bett und legte meine Hand auf ihre Schulter.

Sie streckte sich.

„Hmm."

Ihre verschlafenen Augen blickten zu mir hoch und sie lächelte. Barbara war schön, trotz leicht verschmierter Schminke. Und sie war vor allem die Freundin von Chris. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Nicht, dass ich Chris meinen Freund nennen würde, aber das war trotzdem mies.

„Sorry, dass ich dich wecke..." fing ich an.

„Du kannst mich küssen, dann musst du dich nicht mehr entschuldigen."

Pflichtschuldig gab ich ihr einen Kuss auf die Wange und sagte dann: „Ich muss vor allem los, damit ich wenigstens die letzten paar Vorlesungen mitbekomme."

Sie schlang ihre Arme um mich, während sie an meinem Hals knabberte: „Bleib doch hier, dann können wir dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten."

Ich nahm ihre Arme von meinen Schultern und stand auf. „Sorry Barbara, aber ich kann mich an nichts erinnern."

„Nicht?", fragte sie verblüfft. Sie schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Nackt. Ihre Figur war atemberaubend.

Ich schüttelte den Kopf und wandte meinen Blick ab. Das Letzte, an was ich mich erinnerte, war das Topaz. Dort hinzugehen, war eine Kurzschlussentscheidung gewesen, nachdem ich die Briefe von Vaters Anwälten „Coutts & Beckett" zerrissen hatte, die mich offiziell informierten, dass er meine Konten sperren und mein Auto einziehen würde, sollte ich nicht zu ihm zurückkommen.

Das ganze Wochenende lang brachte ich den alten Hass und die Scham nicht aus meinem Kopf. Außer als ich mit Lili sprach. Und ich hatte gehofft, dass sie diesen Trick wiederholen konnte, aber sie war nicht da gewesen.

„Wir hatten beide etwas zu viel getrunken und danach hatten wir unseren Spaß zusammen", unterbrach Barbara meine finsteren Gedanken.

„Schon klar. Aber mit Kondom?"

„Natürlich. Drei Mal."

Sie grinste so schelmisch, dass ich mir nicht sicher war, ob das stimmte. Ich versuchte, mich zu erinnern. Aber mir kam nur dunkel in den Sinn, dass ich jede Brünette an der Bar mit Lili angesprochen hatte. Ich schüttelte erneut den Kopf, als wäre diese Erinnerung dann weniger peinlich.

„Ich meine, du bist die Freundin von Chris und das... ."

„Ach das lässt sich leicht ändern", unterbrach sie mich. Barbaras Arme umschlangen mich und zogen mich zu ihr hinunter aufs Bett. Wollüstig schmiegte sich an mich. Barbara grinste, als mein Körper auf sie reagierte.

„Komm, sei nicht spießig. Du kannst die Uni auch ausfallen lassen." Mit ihren Fingern strich sie über meinen Brustkorb zum Bauch und hob mein Shirt an. Sie bedeckte meine nackte Haut mit Küssen.

In mir sammelte sich ein heißer Klumpen Wut. Ich war nicht ihr Depp, den sie so einfach kontrollieren konnte.

„Lass es!" Ich machte mich abrupt und unsanft los.

„Was soll das?", fragte sie, als ich in die andere Ecke ihres Zimmers ging, wo Plüschfrösche die ganze Oberfläche einer Kommode bedeckten.

Ich öffnete die oberste Schublade. Und tatsächlich lag meine Jeans darin.

„Das könnte ich dich fragen", sagte ich, während ich mich anzog. „Warum versteckst du meine Hose vor mir, in der mein Handy, Portemonnaie und Schlüssel sind?"

„Du verstehst überhaupt keinen Spaß, ich hätte sie dir schon wiedergegeben."

„Hör zu Barbara. Ich möchte wirklich nicht gemein sein. Aber ich habe einen Filmriss und du hast einen Freund, was das hier zu einem Fehler für uns beide macht. Und außerdem kann ich es auf den Tod nicht leiden, wenn man mich manipulieren will."

„Das mit dem Fehler hat gestern ganz anders geklungen. Du hast darum gebettelt, mit zu mir zu kommen. Und ich manipuliere dich nicht! Das habe ich nötig."

Ich machte die Hosenknöpfe zu und stellte mich zu Barbara ans Bett, die mich böse ansah.

„Ich habe nicht mit Absicht einen falschen Eindruck erweckt. Aber die Hose zu verstecken, damit ich nicht gehen kann, wenn ich gehen möchte, ist die Definition von manipulativ."

„Dann geh doch!"

Und das tat ich, ohne mich zu verabschieden. Ich traute mir nicht, wenn ich wütend war.

Bei der Frau in der Wohnküche bedankte ich mich für den Tipp mit der Hose. Sie machte inzwischen Yogaübungen vor dem Fernseher und sagte lapidar:

„Gut gemacht."

Dann zog sie wieder ihre Kopfhörer an und ignorierte mich. 


Liebe ist blindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt