Kapitel 11

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KIARA

Ohne zu zögern schnappte ich mir die Halfter meiner beiden Pferde und lief ihnen nach. Ich musste sie unbedingt einholen, bevor sie in die Stadt rannten! Ich wollte nicht, dass sie sich verletzten! Oder gar andere verletzten! Es sollte zwar keiner mehr unterwegs sein, aber Dy und Scooby waren über die noch stark befahrene Straße gelaufen und das machte mir große Angst. Hoffentlich konnte ich die beiden einfangen, bevor sie sich verletzten! Scooby hatte sich zum Glück schnell wieder beruhigt und tänzelte nervös auf dem Parkplatz vor dem Skilift herum. Er wirkte immer noch ängstlich, aber immerhin nicht mehr panisch und verstört. Trotzdem näherte ich mich ihm ganz langsam und bedacht, um ihn nicht zu erschrecken. Als er mich sah, schnaubte er, warf den Kopf hoch und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
"Hey, Scooby, ich bin's. Es ist alles gut, mein Süßer. Du hast dich gerade erschreckt, nicht wahr? Keine Sorge, das ist vorbei, es ist jetzt alles wieder gut. Wir können zurück nach Hause, sobald wir Dy gefunden haben", sagte ich leise und ruhig und blieb einige Meter vor ihm stehen, um ihn nicht zu bedrängen. Es dauerte einige Sekunden, bis Scooby schnaubte und den Kopf senkte, um zu mir zu trotten. Ich lächelte ihn an und strich ihm sanft über den Kopf, bevor ich ihm einen Kuss auf die Nase gab. "Sehr gut, mein Junge, das machst du toll." Ich legte ihm das Halfter an und machte dann einen Schritt zurück. "Na komm, wir gehen mal Dy suchen, bevor noch etwas passiert." Ich führte Scooby mit mir in die Stadt und hörte von weitem Dys panisches Wiehern und seine lauten Huftritte. Ich lief etwas schneller und zog Scooby hinter mir her zum Marktplatz. Dy lief dort aufgeregt herum, während einige Menschen nach draußen gekommen waren, um meinen wilden Hengst einzufangen. Das würde nicht gutgehen, die ganzen Menschen machten ihn nur nervös! Ich band Scooby an einer Bank neben der kleinen Kirche an und lief dann auf den Platz. "Gehen Sie bitte alle zur Seite, das ist mein Pferd! Er mag keine anderen Menschen, er wird durchdrehen, wenn Sie ihn weiter bedrängen!" Zwei Männer mit einem Seil in der Hand sahen mich an.
"Das Vieh ist vollkommen irre!", knurrte einer der Männer. "Der wird noch alles hier zerlegen!"
"Wir hatten einen Zwischenfall im Stall, er hat sich erschreckt! Lassen Sie mich bitte einfach machen, ich kann ihn beruhigen!", rief ich ihnen zu, worauf die Menschenmenge langsam einen Schritt zurück machte. Na also. Dy war immer noch panisch, seine Ohren waren gespitzt, die Augen so weit aufgerissen, dass das Weiße stark hervortrat und sein Kopf war so hoch oben, dass ich Angst hatte, er würde sich den Hals brechen. "Hey, Dy, mein Süßer. Es ist alles gut, du musst keine Angst haben, es ist vorbei." Er tänzelte zurück und scharrte dann unruhig mit dem Huf. Das hier würde definitiv nicht so leicht werden wie bei Scooby. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach Dy aus, der daraufhin die Ohren anlegte und zurücksprang. "Alles ist gut, mein Junge. Ich bin es doch, Kiara. Ich bin bei dir, nichts kann dir passieren, versprochen." Ich versuchte ruhig zu bleiben, obwohl ich selbst sehr nervös war und Angst um mein Pferd hatte. Das musterte mich panisch, während ich ihm ruhig in die Augen sah und versuchte, so viel Ruhe wie nur möglich auszustrahlen. Eine gefühlte Stunde stand ich so vor ihm, bis er schließlich schnaubte und den Kopf hängen ließ. Ich beobachtete ihn ganz genau, als ich einen Schritt auf ihn zu machte. Langsam kam er auch auf mich zu und drückte schließlich seine weiche Nase gegen meine Hand, worauf ich ihn sanft anlächelte und streichelte.
"Braver Junge", lobte ich ihn. "Siehst du, es ist alles gut." Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und legte ihm dann vorsichtig das Halfter an. Dy war nun wieder ganz ruhig und sah sich jetzt neugierig auf dem Marktplatz um, als würde er erst jetzt realisieren, wo er eigentlich war. "Schon gut, wir gehen nach Hause. Komm." Ich lief mit ihm langsam zu Scooby, der brav an der Bank gewartet hatte.
"Du solltest das Pferd verkaufen, einem Mädchen kann man kein so wildes Pferd anvertrauen!", meinte einer der Männer zu mir, aber ich schüttelte den Kopf.
"Wie Sie sehen können, ist er brav wie ein Lamm. Er hat sich nur erschreckt, das ist alles", wehrte ich ab. "Und jetzt gehen wir nach Hause. Gute Nacht." Damit lief ich mit meinen Pferden zurück nach Hause. Die Tür zum Stall stand noch offen und als ich meine Pferde zurück in ihre Boxen führte, bemerkte ich, dass Marius und Whiskey noch nicht zurück waren. Hoffentlich ging es den beiden gut! Sorgfältig schloss ich die Boxen meiner Pferde ab und setzte mich dann auf einen Heuballen. Wie war es möglich, dass die Pferde abhauen konnten? Marius und ich hatten die Türen und Boxen alle fest verschlossen, das wusste ich genau! Es musste also wirklich jemand eingebrochen sein. Vielleicht konnte Lars ja etwas rausfinden, denn jetzt war ich mir zu hundert Prozent sicher, dass hier etwas nicht stimmte. Aber wer würde in den Stall einbrechen, nur, um die Pferde nervös zu machen? Ich hatte keine Feinde und auch meine Turnier-Rivalen würden so etwas nicht tun. Wir traten zwar gegeneinander an, aber nach dem Turnier waren wir immer gute Freunde und saßen oft noch stundenlang zusammen, um etwas zu trinken und zu reden. Also wer würde meine Pferde so erschrecken und warum? Da hörte ich draußen Huftritte und wenige Sekunden später kam Marius mit Whiskey rein. Er hatte eine starke Schürfwunde am Arm, die beinahe schon verbrannt aussah. Ich stand besorgt auf.
"Was ist passiert?" Marius brachte Whiskey in seine Box und klopfte seinen Hals, bevor mich ansah.
"Du wirst mich für verrückt halten, aber als ich Whiskey nachgelaufen bin - der übrigens ohne Mühen den Berg hoch und runter gekommen ist - hat ein Auto versucht mich umzufahren. Mit voller Absicht. Ich bin gerade noch so zur Seite gesprungen und hab mir dabei wohl durch die Reibung den Arm verbrannt. Aber das seltsamste an all dem ist, dass ich glaube, dass es Damien war, der versucht hat mich umzubringen", erklärte er, worauf ich geschockt zurück auf den Heuballen sank. Damien? Damien war hier? Aber wie? Ohne es kontrollieren zu können, begann mein Herz höher zu schlagen und ich bekam kaum noch Luft. Marius setzte sich zu mir und nahm mich in den Arm, um mich schützend an sich zu drücken. "Hey, ganz ruhig! Versuch ruhig zu atmen, es ist alles in Ordnung! Ich kann mich geirrt haben, sehr wahrscheinlich habe ich das sogar! Es war schließlich dunkel und die Scheinwerfer haben mich geblendet! Es gibt keinen Beweis, dass Damien wirklich hier war! Wir reden morgen mit meinem Vater, ja? Er wird uns helfen, da bin ich mir sicher. Keine Sorge, ich lasse nicht zu, dass Damien dir wieder wehtut. Ich werde dich mit meinem Leben beschützen, versprochen."

Südtiroler Problem 4 - Brennende RacheWhere stories live. Discover now