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Unermüdlich trugen ihn seine Pfoten vorwärts, beinahe lautlos über den Waldboden gleitend. Sein Magen war noch gefüllt von der letzten Jagd und er folgte rein dem Instinkt, der ihn weiter nach Westen zog. Noch nie war er so weit in dieser Richtung unterwegs gewesen und neue, fremdartige Gerüche stiegen ihm in die Nase.

Kraftvoll bewegten sich seine Muskeln unter seinem rotbraunen Fell, und er flog geradezu über den moosbedeckten Boden. Sein Ziel kam näher, das spürte er. Er yippte mehrmals aufgeregt und sprang freudig auf einen umgestürzten Baumstamm, um kurz innezuhalten und die Luft zu wittern.

Die Zunge hing ihm hechelnd aus dem Mund und er sah sich mit aufmerksamem Blick um.

Hoch aufgerichtete Findlinge ragten vor ihm auf, mitten auf einer mit sattem, grünem Gras bewachsenen Lichtung. Der Wald umschloss die Lichtung in einem scheinbar perfekten Kreis, kein einziger Trieb wagte sich auf diesen offen Fleck Wiese.

Die Luft um die Steine flimmerte, es roch nach Hitze? Verbrannt?

Er schüttelte den Kopf und nieste mehrmals.

Nein, der Geruch war ähnlich und doch gänzlich anders. Anders, als alles, was er je gerochen hatte.

Unruhig lief er ein paar Schritte am Rand der Lichtung entlang, ohne den Schutz der alten Bäume um sich zu verlassen.

Ein innerer Drang zog ihn näher, suchte ihn in den Steinkreis zu locken, doch er widerstand.

Instinktiv drückte er den Bauch tiefer gen Boden und begann, die Lichtung zu umkreisen. Seine Nase zuckte in alle Richtungen, seine Ohren lauschten auf jedes Geräusch.

Das Gefühl, mehr Gejagter, als Jäger zu sein, legte sich von allen Seiten um ihn und er versteckte sich schutzsuchend in einem dichten Unterholz. Alle seine Sinne waren aufs Äußerte gespannt, während er wartete... und wartete...

***

Bäume und Unterholz flogen geradezu an ihnen vorbei, während sie der unebenen Straße nach Bechet folgten. Der Regen hatte nachgelassen, nur noch vereinzelt fielen dicke Tropfen von Ästen und ihr Wagen zog eine Spur aus Spritzwasser hinter sich her.

Mehr und mehr Laub fiel rot-gelb-braun von den kahler werdenden Bäumen und nur die einzelnen Nadelbäume trugen noch ihr tröstendes, immergrünes Kleid.

Henrik ließ den Kopf gegen die kühle Glasscheibe lehnen und kaute besorgt auf seiner Unterlippe herum. Unruhig tingelte sein Wolf durch seinen Geist und untermauerte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

Sams Gesicht, als sie ihn zurückließen...

Ein Schaudern durchfuhr Henrik und er schlang schützend die Arme um sich.

Die ganze Sache verlief anders, als er es sich vorgestellt hatte. Er war verdammt nochmal viel zu naiv gewesen, zu glauben, dass Sam sich schnell bei ihnen wohl fühlen würde. Henriks instinktiver Drang nach Harmonie und Ausgleich löste in ihm seit Sams Entführung das Bedürfnis aus, so etwas wie ein sicherer Hafen zu sein. Ein Freund, ein Verbündeter, der ihm beistand in dieser neuen, fremden Umgebung.

Gleichzeitig zwang ihn seine Position im Pack dazu, die Ungeduld der anderen zu mindern und die aufkeimende Spannung zwischen Matheo und Dimitri zu dimmen. Er war sich nicht sicher, ob ihre Animosität mit der Alpha-Position zusammenhing oder ob es eher... um eine mögliche Partnerwahl ging.

Unwillkürlich zog sich Henriks Magen zusammen und er schluckte schwer.

Nichts lag ihm ferner, als sich zwischen die beiden dominantesten Mitglieder zu stellen und zu schlichten, dachte Henrik mit blassen Wangen und hielt sich fest umschlungen.

Bizarre BestieWhere stories live. Discover now