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Auf dem Weg nach oben sah Sam sich trotz seiner Schmerzen aufmerksam um. Das Haus musste größer sein, als er gedacht hatte. Die Stufen schienen ihm endlos – er kam kurzatmig und kaltschweißig oben an und hielt kurz inne. Henrik wartete geduldig und stützte Sam weiter, während er sich mit dem freien Arm die aufgewühlte Mitte hielt. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und Sam schluckte mehrmals, um das aufkommende Gefühl von Übelkeit zu verdrängen.

Er musste sich umsehen, so viele Informationen wie nur möglich sammeln, und so schnell wie möglich von hier verschwinden.

Egal was Luen erzählte, diese Leute tickten nicht richtig. Irgendetwas stimmte nicht mit ihnen. Sam Herzschlag beschleunigte sich, seine Hände krallten sich in den Stoff unter ihnen und Henriks Stimme schien von weit her zu kommen.

„Beruhige dich, Sam. Tief einatmen!" Henrik lehnte Sam an die nächstgelegene Wand und stellte Augenkontakt her. Sein ernster, besorgter Blick bohrte sich in Sams panikgetränkten, während seine Hände freundschaftlich Sams Schultern packten und beruhigend drückten.

Sams Nüstern bebten; er atmete tief ein und aus

„Niemand von uns will dir etwas antun, okay?!" Seine Worte klangen aufrichtig und Sam fühlte, wie die Panik abebbte und seine Anspannung mit Henriks sanften Lächeln peu à peu von ihm abfiel.

„Versprochen?" kam seine Stimme krächzend und Sam wünschte sich verzweifelt, dass er Henrik glauben konnte. Er kniff die Augen zusammen und verzog das Gesicht.

„Versprochen. Jetzt komm weiter, dein Fieber steigt und du solltest dich ausruhen!" Henrik bot Sam erneut seine Schulter als Stütze an und gemeinsam taumelten sie weiter. Sam blinzelte Tränen weg, deren Ursprung er nicht zu definieren wagte und sah sich unauffällig um.

Die Treppe hatte sie zu einem langen Flur geführt, von dem mehrere Türen abgingen und an dessen Ende eine weitere Treppe nach oben ging. Der Boden bestand aus glatt polierten Holzdielen in einem dunklen Braun, die Türen schienen aus dem gleichen Holz zu bestehen. Hier und da hing ein Landschaftsbild an der Wand – Wälder, Berge, einheimische Tiere - und Sam versuchte erfolglos, Blicke hinter die geschlossenen Türen zu ergattern.

An der dritten Tür links blieb Henrik stehen und öffnete sie. Sam lehnte sich schwer an den Türrahmen und holte tief Luft, bevor er hineintrat. Schüttelfrost erfasste ihn und ließ ihn unsicher Richtung Bett schwanken. Auf dem Weg dorthin warf er einen Blick zum Fenster, dass ohne Griff war. Dahinter erblickte Sam das Grün-Rot-Gelb eines Herbstwaldes und einen grau bewölkten Himmel.

Jemand hatte gelüftet und ihm eine frische Flasche Wasser und einen Stapel Bücher auf den Nachttisch gestellt.

Henrik lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete ihn, während er sich erschöpft ins Bett sinken ließ.

„Fehlt dir noch etwas, Sam?"

Ein trockenes Lachen antwortete Henrik und Sam fuhr sich verloren mit der Hand übers Gesicht, bevor er sie im Haar vergrub. Wortlos drehte er sich auf die Seite, zog sich die Decke bis zum Kinn und ließ das Zittern seines Körpers über sich ergehen.

Jeder Knochen schmerzte, jedes Gelenk brannte und sein Gehirn wurde überschwemmt von Sinneseindrücken.

Der Geruch der harzigen Waldluft, schwere, feuchte Erde und frisch gewaschene Wäsche.

Henriks nervöses hin und her Treten, sein besorgtes Schweigen.

Sams hektischer Fieberatem und sein rasender Herzschlag.

Das intensive Farbenspiel des gewebten Bettvorlegers im Kontrast zu den schlichten Holztönen und der weißen Wand...

Stöhnend drückte Sam sich die Handballen gegen die Augenhöhlen.

Bizarre BestieWhere stories live. Discover now